Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Neues Forum

Kastner Pichler Architekten aus Köln gewinnen den Wettbewerb „Forum am Deutzer Dom“

Die Neuordnung der Liegenschaften innerhalb der Kirchgemeinde Deutz ist seit rund zehn Jahren im Gange. Ein offenes Thema war der weitere Bestand des bisherigen Pfarrheims an der Adolphstrasse. Mehrere Jahre haben Projektvorbereitungen und die Abstimmung mit den städtischen Ämtern in Anspruch genommen. Im Frühjahr 2013 fiel der Entscheid: die Kirchgemeinde St. Heribert errichtet ihr neues Pfarrhaus auf dem Nachbargrundstück der Kirche St. Heribert, auf dem momentan das an die Kirche angebaute Torhaus steht. Anlass für den Neubau war die Tatsache, dass das bisherige Pfarrheim an der Adolphstrasse sanierungsbedürftig und zu groß für die Bedürfnisse der Kirchgemeinde war. Zudem entstand der Wunsch nach räumlicher Nähe von Pfarrheim und Kirche.

Der Deutzer Dom

Die Kirche St. Heribert, 1891-1896 von Architekt Caspar Clemens Pickel im neoromanischen Stil erbaut, ist eine der grössten Kirchen Kölns und trägt den schmeichelhaften Spitznamen „Deutzer Dom“. Während des Zweiten Weltkriegs 1943 bis 1945 stark beschädigt, wurde die Kirche 1949 bis 1951 von den Architekten Rudolf Schwarz und Josef Bernhard wieder aufgebaut. Durch ihre zentrale Lage in Deutz und ihre parallele Stellung zum Rhein ist sie im Stadtbild sehr präsent. Zusammen mit dem angrenzenden Wohnensemble der Wohnungs-Genossenschaft Köln 1896 eG formt die Kirche den Stadteingang nach Deutz. Quartierprägend ist der vorgelagerte Kirchplatz, der von den Anwohnern auch als Marktplatz genutzt wird. Der Kirchgemeinde war es wichtig, mit dem Neubau eine Einheit von Kirche, Pfarrhaus und Platz zu schaffen. Diesem Wunsch entspricht der Wettbewerbsname „Forum am Deutzer Dom“. Das neu entstehende Forum soll Stadt und Kirche in Kontakt bringen und ein Ort der Begegnung sein.

Im Dialog

Die im Vorfeld durchgeführte Machbarkeitsprüfung geschah in Abstimmung mit dem Stadtkonservator der Stadt Köln und dem Rheinischen Amt für Denkmalpflege. Forderungen seitens der Denkmalpflege war die Einhaltung einer maximalen Gebäudehöhe analog des Traufgesimses des westlichen Kirchenseitenschiffes sowie die Schaffung eines attraktiven Durchgangs zum Hof zwischen Kirche und Neubau. Die städtebaulichen und architektonischen Anforderungen an den Neubau sind hoch. Einerseits soll der Neubau eigenständig sein, andererseits muss er in Dialog mit der neoromanischen Kirche treten und städtebaulich zwischen dieser und dem benachbarten Wohnkomplex aus der Nachkriegszeit vermitteln. Das Raumprogramm umfasst neben dem Pfarrbüro eine Bücherei, Gruppen- und Jugendräume sowie einen mit dem Foyer zusammen schaltbaren Pfarrsaal. Um eine adäquate Lösung zu finden, lobte die Kirchengemeinde einen eingeladenen städtebaulichen Realisierungswettbewerb mit 10 Architekturbüros aus. Die Jury unter Leitung des Architekten Peter Sichau aus Fulda vergab zwei Preise sowie zwei Anerkennungen.

1.Preis Kastner Pichler Architekten, Köln

Das Siegerprojekt von Kastner Pichler Architekten sieht für das Pfarrhaus einen schmalen, langen und kubischen Baukörper vor, der einen deutlichen Abstand zur Kirche wahrt. Im Zwischenraum entsteht ein relativ breiter Verbindungsgang vom öffentlichen Kirchplatz zum rückwärtigen Hof. Zur benachbarten Wohnbaugenossenschaft schliesst der Baukörper mit einer verglasten Fuge an. Durch seine zurückhaltende, selbstverständliche Art schafft der Neubau einen städtebaulich Bezug zu neoromanischer Kirche und Nachkriegsbau. Der Baukörper drängt sich nicht in den Vordergrund, verschwindet aber auch nicht. Wenige, grossformatige Fassadenöffnungen bringen Licht ins Innere und verbinden Innen und Aussen. Das weitgehend verglaste Erdgeschoss erlaubt verschiedene Ein- und Durchblicke und schafft Bezüge zwischen Platz, Verbindungsweg und Hof. Die Materialwahl ist an die Steinfassade der Kirche angeglichen. Im Jurybericht werden der kompakte Baukörper und die gute Struktur der Funktionseinheiten gelobt. Das Erdgeschoss weist eine plausible Raumstruktur mit Foyer, unterteilbarem Pfarrsaal und flexibler Cafénutzung auf. Im ersten Obergeschoss liegen Bibliothek und Pfarrbüro, im zweiten Obergeschoss Jugendräume. Die über zwei Geschosse reichende Bücherei an exponierter Lage punktet aufgrund ihrer guten räumlichen Qualitäten.

2.Preis: Léon Wohlhage Wernik, Berlin

Der Baukörper des Wettbewerbsprojekts von Léon Wohlhage Wernik besteht aus zwei ineinandergreifenden, auf der Kirchenseite jeweils abgeschrägten Volumen. Durch die Schrägstellung der Fassaden erhält der Weg zwischen Kirche und Neubau spannungsreiche Momente. Zudem nimmt das differenzierte Volumen die Flucht der Kirchenfassade auf und schafft dadurch einen einladenden Vorplatz. Im Jurybericht wird bemängelt, dass die Aufsplitterung der Längsfassade gegenüber der Turmecke zu schwach sei. Die Lochfassade mit unterschiedlich grossen, versetzt angeordneten Fensteröffnungen verleiht dem Gebäude eine verspielte Leichtigkeit, hat es gegenüber dem monumentalen Kirchenbau nicht einfach, sich zu behaupten.

Anerkennung: Heidenreich & Springer Architekten, Berlin

Heidenreich & Springer Architekten reagieren auf die unterschiedlichen städtebaulichen Anforderungen mit einem stark gegliederten Baukörper. Dieser städtebauliche Lösungsansatz ist konträr zu dem kubisch geschlossenen Siegerprojekt. Während das Gebäude zum Platz hin eine deutlich grössere Höhe ausbildet, treppt sich das Bauvolumen zum Garten hin stark ab. Hier liegen grosszügige Terrassenbereiche, die dem Saal und Gruppenraum im ersten Obergeschoss und dem Jugendbereich im zweiten Obergeschoss zugeordnet sind. Die Fassaden mit Ziegelmauerwerk und Beton-Fertigteilen nehmen mit Textur, Farbigkeit und Rhythmus Bezug auf die Kirche – wirken jedoch aus Sicht der Jury „zunächst wenig einladend“.

Anerkennung: schultearchitekten, Köln

Der Baukörper von schultearchitekten ist unaufgeregt kubisch. Als einzige Ausstülpung schiebt sich der eingeschossige Pfarrsaal rückwärtig in den Hof – und auch seitlich ein Stück weit in den öffentlichen Weg zwischen Kirche und Neubau. Aus Sicht der Denkmalpflege geht das Gebäude hier zu sehr „auf Tuchfühlung“ mit dem Seitenschiff. Über dem Pfarrsaal liegen im ersten Obergeschoss die Jugendräume mit vorgelagerter Terrasse. Zum Kirchplatz hin schafft das Gebäude einen räumlichen Bezug durch seine grosszügigen Öffnungen im Erdgeschoss. Die zweigeschossig verglaste Gebäudeecke gibt den Blick frei auf die Kirche. Die Transparenz zur Kirche und auch zwischen den Geschossen entspricht dem Gebäude als einem Ort der Begegnung.

Das Siegerprojekt des Wettbewerbs steht und ohne unerwartete Verzögerungen soll frühestens Mitte 2015 mit dem Bau begonnen werden. Das Budget für den Neubau liegt bei 2 Millionen Euro. Damit die Anwohner sich im Vorfeld ein Bild von dem zukünftigen Forum am Deutzer Dom machen können, sind die zehn Wettbewerbsarbeiten bis zum 21.02.2014 in der Kirche St. Heribert ausgestellt.

Katja Hasche

 

Ausstellung:

22. 1. bis 21.2.2014

Kirche St. Heribert
Tempelstr. 2
50679 Köln
Tel. 0221/8019500

Zur Internetseite der >>Katholischen Kirchengemeinden in Deutz und Poll

 

1. Preis: Hofperspektive

Grafik: Kastner Pichler Architekten

1. Preis: Perspektive vom Kirchplatz

Grafik: Kastner Pichler Architekten

1. Preis: Grundrisse

Grafik: Kastner Pichler Architekten

2. Preis: Perspektive vom Kirchplatz aus

Grafik: Léon Wohlhage Wernik

2. Preis: Ansicht Längsseite

Grafik: Léon Wohlhage Wernik

Anerkennung: Perspektive vom Kirchplatz aus

Grafik: Heidenreich & Springer Architekten

Anerkennung: Perspektive vom Hof aus

Grafik: Heidenreich & Springer Architekten

Anerkennung: Perspektive vom Kirchplatz aus / Grafik: schultearchitekten

 

Anerkennung: Perspektive vom Hof aus

Grafik: schultearchitekten

1 Kommentar

schade, ich empfinde eigentlich das alte ensemble als angenehm „historisch“ für kölner profan-verhältnisse. aber gut: wenn man sich einen freundlicheren auftritt und auch durchgang wünscht, dann kann ich das verstehen – das alte haus wirkt im gegensatz zum neubau natürlich absolut verschlossen und alles andere als einladend.