Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Beschlüsse von gestern

Worum geht es in der erneuten Debatte um die Archäologische Zone?

Eigentlich war die Sache klar. Bereits vor zwölf Jahren fiel der Beschluss, über den Ausgrabungen des Judenviertels ein Jüdisches Museum aus einem ober- und einem unterirdischen Teil zu bauen, in das die Reste von Synagogen aus verschiedenen Jahrhunderten und das mittelalterliche Ritualbad einbezogen werden sollten.

Anfang 2008 wurde ein Wettbewerb für den Bau des Jüdischen Museums in Verbindung mit der Archäologischen Zone ausgelobt. Die Ausgrabungspräsentation als Projekt der „Regionale 2010“, eines Strukturprogramms des Landes NRW, sollte ursprünglich mit einem eigenständigen, privat finanzierten Museum kombiniert werden. Klare Sieger im Wettbewerb waren Wandel Hoefer Lorch & Hirsch aus Saarbrücken.

Die „Gesellschaft zur Förderung eines Hauses und Museums der jüdischen Kultur in NRW“ konnte aber die zugesagten Gelder nicht bereit stellen. So entschied der Stadtrat am 14.07.2011, die Fundstätte für 52 Millionen Euro mit einer reduzierten Version des Siegerentwurfs zu überbauen. NRW trägt rund 14 Millionen Euro, die Stadt selbst die restlichen 38 Millionen Euro.

Nun aber fing die Debatte von vorne an:

„Mut zum Verzicht“

Unter diesem Appell fordern Kölner Bürger um Frank Deja alle Großprojekte ruhen zu lassen, angesichts eines Haushaltlochs von 300 Millionen Euro: „An erster Stelle gilt dies für das Jüdische Museum (…), dessen ursprüngliches Finanzierungsmodell gescheitert ist und für das es kein schlüssiges inhaltliches Konzept gibt“, so eine der Forderungen der Initiative. Die Unterstützung ist aber eher lauwarm, den von Anfang Januar bis zum 09.07. laufenden Aufruf haben erst 2.905 Bürger unterzeichnet. Der Kölner Stadtanzeiger unterstützt allerdings diese Initiative mit einer breiten Berichterstattung.

Billigere Behelfslösung

Peter Busmann, Architekt des Museums Ludwig, kritisiert, mit den von der Stadt geplanten Kürzungen sei eine „amputierte Version“ entstanden, die nicht einmal über ein Haupteingang am Gebäude selbst verfüge. Nach seinem Vorschlag könne man die Höhenunterschiede im Gelände sowie Glaskuben auf dem Platz für den Blick in die Ausgrabungen nutzen.

Ob eine solche Lösung mit Gucklöchern in die Vergangenheit dem Ort gerecht wird, sei dahingestellt, doch in seinen schriftlichen Ausführungen wirft Busmann schwer wiegende Fragen und Kritik auf. Beispielsweise ist unklar, wie Prätorium und Untergeschoss des Historischen Rathauses verbunden werden sollen und ob der Bereich zwischen Rathauslaube und Spanischem Bau noch ausgegraben wird. Busmann bezeichnet die Materialaufnahme der Stadt als völlig unzureichend, eine Kostendifferenzierung sei nicht vorhanden. Auch er plädiert für kreatives Innehalten.

„Haus der Kölner Geschichte“

Martin Stankowski, Journalist und Historiker, schlägt für den Standort ein „Haus der Kölner Geschichte“ vor, eine Vermählung der Bestände des Kölnischen Stadtmuseums im Zeughaus mit den archäologischen Funden. Dafür will er auf den prämierten Originalentwurf für das Jüdische Museum zurückgreifen und ein Teil des Geländes des ehemaligen Kaufhauses Kutz am Wallraf-Richartz-Museum mit einbeziehen.

Stankowski hat bekannte Namen um sich versammelt, Architekten wie Thomas Luczak, Ulrich Coersmeier und Christian Schaller, Pfarrer Hans Mörtter, auch Lale Akgün, Anton Bausinger, Kasper König, Boris Sieverts und andere haben unterzeichnet. Initiatoren und Erstunterzeichner sind auch Peter Busmann und Frank Deja. Auf die Anfrage des Ratsmitglieds Thor Zimmerman, wie die Verwaltung den Vorschlag „Haus der Kölner Geschichte“ beurteilt, gibt es noch keine Antwort.

Doch noch der große Wurf?

Es wäre zu begrüßen, wenn durch geänderte inhaltliche und finanzielle Parameter doch noch der Originalentwurf gebaut werden könnte. So würde vermieden, dass die Reste jüdischer Bürgerhäuser südlich der Mikwe unter dem vor dem Wallraf Richartz Museum geplanten Platz verschwinden würden, wie bei der reduzierten Variante des Museumsbaus geplant. Nur allzu lange darf die kreative Pause nicht dauern, die archäologischen Funde müssen schließlich dauerhaft gesichert werden.

Die Ratssitzung am 27. Mai markiert die nächste

Auseinandersetzung mit dem Thema. Bisher will die Regierungskoalition im Rathaus an den gefassten Entschlüssen festhalten. Über die weiteren Entwicklungen werden wir berichten.

Redaktion
koelnarchitektur.de

Weiterführende Links

Weitere Informationen zur Initiative von >>Martin Stankowski

Petition >>“Mut zum Verzicht“

Frank Deja ist auch Initiator der Bürgerinitiative „Köln kann auch anders“, die für ein korruptionsfreies Köln kämpft. Zum Jüdischen Museum ist die Position dieser Initiative zusammengefasst in der Stellungnahme der Leitbildgruppe >>“Die attraktive Stadtgestaltung“

Position >>Peter Busmann:

 

Lesen Sie auch zum Thema:

 

>>>Archäologische Schichten

 

Der Planungsstand im November 2011: Das Haus und Museum der jüdischen Kultur ist im südlichen Bereich vom Wallraf-Richartz-Museum abgerückt, davor entsteht ein Platzraum.

Rechte: Wandel Hoefer Lorch

Die Saarbrücker Architekten Wandel Höfer Lorch verfügen über langjährige Erfahrungen in der Umsetzung von Bauten zur jüdischen Kultur. Sowohl in Dresden als auch in München haben die Architekten mit Synagogenbauten bewiesen, wie ein Haus für eine Jahrtausend alte Glaubensgemeinschaft in erkennbar zeitgenössischer Architektur gebaut werden kann.

International bekannt wurden Wandel Höfer Lorch durch Ihren Entwurf der neuen Dresdner Synagoge.

Foto: NORBERT MIGULETZ, FOTOGRAFIE

Die im November 2006 geweihte neue Hauptsynagoge ist Teil des Jüdischen Zentrums München.

Foto: Maximilian Dörrbecker

Auch den Wettbewerbsbeitrag für die Gedenkstätte am Neuen Börneplatz in Frankfurt am Main konnte 1996 von Wandel Höfer Lorch umgesetzt werden.

Foto: NORBERT MIGULETZ FOTOGRAFIE

Mit temporären Schutzbauten für die Ausgrabungen präsentiert sich der Rathausplatz seit 2006.