Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Das Schicksal in der „Mülltüte“

Nach ihrer Reise durch die verschiedenen Spielstätten ist die Oper angekommen in ihrer Heimat auf Zeit: dem nun ‚Oper am Dom‘ genannten Musical Dome. Drei Jahre lang werden Verdi…

Vorsicht vor den Reisebussen! Wer derzeit in Köln in die Oper möchte, muss zunächst mal aufpassen, nicht überfahren zu werden. Zumindest wer mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur „Oper am Dom“ anreist muss nämlich den Busbahnhof hinter dem Bahnhof überqueren um den kleinen Übergang zwischen den Fahrradständern zu erreichen, der in luftiger Höhe halb um das blaue Zelt herumführt, das bis Jahresbeginn noch „Musical Dome“ genannt wurde.

Provisorium – bis heute

Im Zelt selbst irritieren zunächst die viel zu steilen Treppen in die Foyerebene, dann begeistert der Blick in Teile des 53 Meter breiten und 77 Meter langen Polyesterdachs, das von vier Stahlbögen getragen und von 20 Stahlseilen gehalten wird. Was aber am meisten begeistert, ist der spektakuläre Blick auf den Rhein aus dem neuen Gebäude der Oper. Doch so neu ist es nicht, 16 Jahre ziert das Bauwerk, das die Kölner sofort liebevoll „Mülltüte“ tauften, schon das Rheinpanorama. Viel länger als eigentlich geplant: Für vier Jahre hatte die Stadt den Bauplatz damals freigegeben, dann sollte der Musical Dome eigentlich wieder weg. Entsprechend abgenutzt wirkt es heute, denn es ist ein klassisches temporäres Bauwerk. So sind die Kassen und Toiletten unter der Foyerebene in Standard-Baucontainern untergebracht, in denen es gewaltig knarzt, wenn sich die Zuschauer darüber in den Saal begeben.

Sieben Monate Bauzeit

Als Spielstätte für Musicals wurde das Zelt mit einer überdachten Fläche von 4.000 Quadratmetern im Jahr 1996 errichtet. Genauer: Für das Musical „Gaudí“ von Eric Woolfson, das inhaltlich wie musikalisch anspruchsvoll eine Geschichte um das Leben des katalanischen Architekten Antonio Gaudí erzählt. Vielleicht etwas zu anspruchsvoll, der große kommerzielle Erfolg blieb aus. Nachdem das Stück bereits drei Jahre in Alsdorf gelaufen war, reichte es in Köln gerade noch für anderthalb Jahre. Dann aber zogen weitere Musicals in das Gebäude ein, das der Hamburger Architekt Klaus Latuske innerhalb von sieben Monaten errichtet hatte.

Was fehlt?

Mit einem normalen Fundament hätte der Bauplatz allerdings in dieser Zeit nicht bebaut werden können: Zwischen Versorgungsleitungen, U-Bahn-Schächten, Abwasserkanälen und römischen Relikten konnten nur Stahlträger in den Boden getrieben werden, auf denen eine Betonplatte ruht. Diese Konstruktion überbrückte gleichzeitig den Höhenunterschied zwischen Breslauer Platz und Rheinufer und schuf Platz für Parkplätze unter dem Gebäude. Sie war es aber auch, die es überhaupt möglich machte, den Musical Dome nun für die Oper nutzen zu können, denn es fehlte ein entscheidendes Element: der Orchestergraben. Er wurde, zusammen mit den Garderoben für Orchester und Chor, einfach unter die Bodenplatte gestellt – dann fehlte nur noch ein Durchbruch nach oben, ein paar Stuhlreihen mussten weichen und fertig war die Oper.

Tennis oder Oper?

Im Zuschauerraum ist der Opernbesucher nun erfreulich nah dran am Geschehen, denn der Orchestergraben ist zu einem großen Teil unter der Bühne. Zudem ist der Zuschauerraum breiter als in der Oper am Offenbachplatz, dafür nicht so tief – die Zahl der Plätze ist dabei in etwa gleich geblieben. Die Breite hat man ungewöhnlich ausgenutzt: Der Platz neben der Bühne wird für die Projektion der Übertitel genutzt, die – wie der Name schon sagt – normalerweise über der Bühne eingeblendet werden. Wer jetzt während einer Vorstellung die Köpfe des Publikums beobachtet, bekommt schon mal den Eindruck bei einem Tennismatch zu sein. So ungewohnt die Platzierung der Übertitel ist, die Akustik ist es nicht, sie ist erstaunlich gut im Zelt. Damit der Klang aus Orchestergraben und Bühne allerdings auf allen Plätzen gleichzeitig ankommt, mussten Lautsprecher angebracht werden. Die zu erwartende Geräuschkulisse vom Bahnhof ist innen gar nicht zu hören, denn der Zuschauerraum ist von Vorbauten aus Baucontainern geschützt. In ihnen befindet sich auf Bahnhofsseite der Backstagebereich und auf der Gegenseite die Technik.

Begrenzter Bühnenraum

In der Oper, die diese Spielzeit eröffnet, „La forza del destino“ von Guiseppe Verdi, macht Regisseur Olivier Py diesen Eindruck allerdings wieder zunichte. Unermüdlich drehen sich die Räder des Schicksals am Bühnenrand und sorgen für ein entsprechendes Hintergrundrauschen. Auch die Häuserkulisse im hinteren Bühnenbereich zieht immer wieder im Kreis vorbei. Eine beeindruckende technische Leistung, wenn man weiß, wie begrenzt die Bühne im Musical Dome ist. Bühnenbildner Pierre-André Weitz hat sich mit einigen Tricks beholfen: So wurde die Bühnenöffnung zum Publikum hin mit dunkelgrauen Wänden verkleinert, um mehr Platz auf der Seitenbühne zu schaffen, eine Treppe führt auf der Bühne noch einmal nach oben, so dass eine Unterbühne entsteht, aus der Adina Aaron als Leonora ihr „Pace“ seufzen kann. Die sichtbare Bühne im Zelt reicht zwar problemlos für eine Operninszenierung, dahinter steckt aber bei weitem nicht das Volumen wie im Opernhaus. Eine Hinterbühne gibt es gar nicht, die Seiten sind schmal, lediglich im Schnürboden über der Bühne kann ausreichend Technik angebracht werden. Das ist auch der Grund, warum weiter im Stagione-System, also am Stück, gespielt und das Palladium als weitere Spielstätte genutzt wird: Der Platz reicht nicht aus, um Kulissen für weitere Stücke zu lagern, das Bühnenbild muss immer komplett auf- und abgebaut werden.

Drei Jahre soll das Provisorium nun für die Oper genutzt werden, in der Spielzeitpause 2015 will die Oper zurück an den Offenbachplatz ziehen. Mal sehen, was danach aus dem Zelt wird, das dann 15 Jahre länger steht, als ursprünglich geplant.

Vera Lisakowski

Treppe als Hauptdarsteller

Im Gericht wird gesungen – und das ist dieses Mal ganz wörtlich zu nehmen: Uwe Eric Laufenberg hat im Oberlandesgericht am Reichensperger Platz die Oper “ La Clemenza di Tito“ inszeniert.

Verfall in der Oper

Die Oper kann noch immer ihr eigenes Haus nutzen. Zeit, eine Aufführung im Hauptwerk des Kölner Architekten Wilhelm Riphahn zu besuchen: Sergej Prokofjews Oper „Krieg und Frieden“.

Sonntags im Staatenhaus

Die Oper nutzt das Staatenhaus am Rheinpark für die szenische Uraufführung des „Sonntag aus Licht“, von Karlheinz Stockhausen.

Geister in der Kirche

Die Oper Köln gibt Benjamin Brittens beklemmende Kammeroper „The Turn of the Screw“ in der Trinitatiskirche.

Schlagerfestival im „Weisheitstempel“

Die Oper zieht in ihre nächste Ausweichspielstätte und zeigt Mozarts „Zauberflöte“ in der Aula der Universität.

Reise in die Türkei

Mit Mozarts „Die Entführung aus dem Serail“ eröffnet die Oper ihr Ausweichquartier in Mülheim, das Palladium.

Krönung in der Kantine

Obwohl die Oper ihr eigenes Haus wider Erwarten noch nutzen kann, werden in dieser Spielzeit auch andere Orte bespielt. Wir gehen auf eine musikalische wie architektonische Reise mit der Oper.

Homepage der Oper Köln

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Ein Steg führt vom Breslauer Platz um das Zelt herum.

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Vier Stahlbögen Spannen das Zeltdach.

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Rheinblick aus dem verglasten Foyer.

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Eine aufgeständerte Bodenplatte überbrückt den Höhenunterschied zwischen Breslauer Platz und Rheinufer.

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Der Orchestergraben wurde neu eingebracht.

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Ein paar Stuhlreihen mussten für den Orchestergraben weichen.

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Der sehr breite Zuschauerraum bietet Platz für etwa 1.400 Zuschauer.