Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Wohnst du schon oder arbeitest du noch?

Nachverdichtung und Umstrukturierung am Gustav-Heinemann-Ufer

Angesichts des enormen Bedarfs an innerstädtischem Wohnraum und einem erheblicher Büro-Leerstand möchte man alles Wohnungssuchenden raten, ins Büro zu ziehen. Dass das in Köln nicht einfach, aber möglich ist, zeigt das Ergebnis für das neue Gustav-Heinemann-Quartier. Bis in die 1970 Jahre war das Bayenthal vorgelagerte Gustav-Heinemann-Ufer ein lebendiger Bürostandort. Große Konzerne besetzten die begehrten Logenplätze mit repräsentativen Bauten und großen Gesten. Doch seit Jahren verliert das Rheinufer seine Attraktivität als Gewerbestandort zugunsten der kaum einen Kilometer Luftlinie entfernt gelegenen Innenstadt, so dass die eigenwilligen architektonischen Hinterlassenschaften oft jahrzehntelang leer stehen, bis sich jemand an die Nachnutzung heranwagt.

Wohnlandmarke

Dass sich die Strömungen des Immobilienmarktes auch mit preisgekrönter Architektur nicht aufhalten lassen, zeigt das Beispiel der Cologne Oval Offices (COO). Kölns erste Green-Buildings stellen mit ihrer Amöbenform und der Sauerbruch-Hutten-Signaturfassade einen zeitgemäßen Bruch in der Silhouette der städtischen Uferkante dar, wurden aber leider am Bedarf vorbei geplant. Zehn Jahre sind hier zwischen dem Wettbewerb und dem Einzug der ersten Mieter vergangen und immer noch läuft die Vermarktung dieser so vorbildlich nachhaltig und flexibel geplanten Immobilie unplanmäßig schleppend.

Auch das Haus der Deutschen Industrie (Claus Winkler, München, 1971) auf dem südlichen Nachbargrundstück stand trotz einer Sanierung seit dem Umzug des BDI nach Berlin 1999 größtenteils leer. Die elfstöckige Hochhausscheibe mit eigenwillig geschwungenen Flanken und bronzefarben verspiegelter Fassade galt lange Zeit als schwer vermittelbar. Unbeeindruckt von diesem Makel kaufte eine Münchner Beteiligungsgesellschaft Ende 2011 die Immobilie samt 24.500 qm Grund, um sie – entsprechend der derzeitigen Marktlage – in ein Wohnquartier umzuwandeln. Das Hochhaus selbst soll darin nach Planungen des Kölner Büros JSWD Architekten mit neuem Gesicht, Penthouse-Aufstockung und bis zu 130 Eigentumswohnungen neuerlich zur Landmarke werden.

Strenge gestalterische Vorgaben

Ende April wurde der auf sieben eingeladene Teilnehmer begrenzte städtebauliche Wettbewerb für das zukünftige Gustav-Heinemann-Quartier entschieden. Die Jury (Vorsitz: Johannes Kisters) empfahl den Beitrag von ASTOC Architects and Planners (Köln) zur weiteren Bearbeitung und vergab zwei dritte Preise an Renner Hainke Wirth Architekten (Hamburg) und KSP Jürgen Engel Architekten (Köln). Fast könnte man die städtebauliche Neuordnung dieses Quartiers als einen Tanz auf dem Bierdeckel beschreiben, der noch dadurch erschwert wird, dass die Mitte der Tanzfläche schon besetzt ist. Und auch die so schon fast erzwungene Mantelbebauung unterliegt strengen funktionalen und gestalterischen Vorgaben. Rheinseitig soll ein gewerblich genutzter Gebäuderiegel den Schallschutz für das gesamte Quartier leisten und ihm – da die Rheinseite auch die Schauseite ist – eine repräsentativer Erscheinung verleihen.

Auf der Westseite grenzt das Planungsgebiet an den Stadtteil Bayenthal, an dessen urbane Qualitäten die Auslober gerne anknüpfen möchten. Dazwischen galt es im Schatten des Hochhauses ansprechende private und halböffentliche Freiräume zu gestalten.

ASTOC fasste das Planungsgebiet mit sechs charakteristisch geknickten fünf- bis sechsgeschossigen Gebäuden ein. An den rheinseitig vorgelagerten Hotel- und Büroriegel schließen sich zwei Baukörper mit je 30 Wohnungen an, und bilden so nicht nur Schallschutzansprüchen und Abstandsflächen ab, sondern schaffen im Blockinneren einen großzügigen Freibereich. Westlich des Hochhauses spiegeln drei einzeln stehende Gebäuderiegel mit etwa 100 Eigentumswohnungen diese Formation, öffnen den Innenraum jedoch zur Stadtseite. Die Jury lobte die von der Architektur des Bestandes angeregte Thematisierung der bewegten Linie, reagierte jedoch irritiert auf die amorphe Formsprache der Freiraumgestaltung. Wie in der Auslobung gefordert, bleibt das gesamte Quartier mit seinen nun 47.000 qm Geschossfläche mittels einer Tiefgarage autofrei.

RHW schlugen eine ruhige Blockrandbebauung vor, die durch eine markante Höhenentwicklung der Gebäude auf den Rhein und die Stadtseite zu an Dynamik gewinnt. Der skulpturale Charakter der Bauform findet sich auch in einer expressiven Gestaltung der Fassaden wieder, die der Jury jedoch anscheinend zu weit ging.

Ebenfalls zur Teilnahme eingeladen war das Büro sauerbruch hutton, das jedoch mit einem dichten Konzept für sieben expressive Stadtvillen und einer rheinseitig vorgestellten Oval Office-Fortführung nicht überzeugen konnte.

Mit dem Gustav-Heinemann-Quartier kann die Stadt näher an den Rhein wachsen und der Verinselung und Verödung der Uferbebauung entgegen zu wirken. Wenn das an dieser Stelle gelingt, könnte das Konzept Modellcharakter bekommen.

Uta Winterhager

 

Der Entwurf von ASTOC Architects and Planners wurde von der Jury zur weiteren Bearbeitung empfohlen. Die Architekten fassen das Planungsgebiet mit sechs charakteristisch geknickten fünf- bis sechsgeschossigen Gebäuden ein und schaffen im Blockinneren einen großzügigen Freibereich.

Grafik: ASTOC Architects and Planners

Rund um die elfstöckige Hochhausscheibe des ehemaligen BDI Hochhauses, das nach Planungen des Kölner Büros JSWD ein neues Gesicht und bis zu 130 Eigentumswohnungen erhalten wird, entstehen nach Plänen von ASTOC weitere 160 Eigentumswohnungen am Gustav-Heinemann-Ufer.

Grafik: ASTOC Architects and Planners

Einer der beiden dritten Preise ging an Renner Hainke Wirth Architekten aus Hamburg. Sie schlugen eine ruhige Blockrandbebauung vor, die durch eine markante Höhenentwicklung an Dynamik gewinnt.

Grafik: RHW Architekten

Der skulpturale Charakter und die expressive Gestaltung der Fassaden offenbart sich erst in den Visualisierungen.

Grafik: RHW Architekten

Das Büro sauerbruch hutton war ebenfalls eingeladen, konnte jedoch mit dem Konzept für sieben Stadtvillen in der formalen Oval Office-Fortführung nicht überzeugen.

Grafik: sauerbruch hutton