Wohnräume effizient gestapelt wie Kartons oder seltsame amorphe Objekte als Ergebnisse mühevoller Handarbeit oder enormer Rechenleistung – mit Modulen können Architekten alles. Und mit dem Modul können sie auch alles begründen, sollte die Funktionalität des Bauwerks Fragen aufwerfen.
Die Ausstellung „Architekturteilchen – modulares Bauen im digitalen Zeitalter“ bildet den Höhepunkt des Architekturjahres im Museum für Angewandte Kunst Köln (MAKK), und endlich auch den schon seit Langem erhofften aktiven Beitrag zum aktuellen Architekturdiskurs. Chronologisch und nach Werkstoffen gegliedert, schafft de Ausstellung einen Überblick über die Thematik, der, ausgehend vom aktuellen Stand der digitalen Planungs- und Fertigungsmethoden, dazu einlädt, das, was sich heute noch im Modell- und Experimentierstatus befindet, für die Zukunft weiter zu spinnen. Kuratiert wurde die Ausstellung von der Kölner Architektin Aysin Ipekçi in Zusammenarbeit mit dem Museum, dem BDA Köln und dem Haus der Architektur Köln (hdak).
Alles ist modular
Rechteckige Schautafeln und quaderförmige Podeste sind der normierte, zumeist sinnfälligerweise auch modulare, Standard der Ausstellungsarchitektur. Doch in diesem Fall wurde das Thema konsequent weitergeführt und ein eigenes Baukastensystem entwickelt, aus dem sich vielfältig einsetzbare kristalline Strukturen herstellen lassen – dies natürlich nicht zufällig, sondern an der Geometrie der sogenannten Kugelpackungen orientiert. Hochglänzende weiße Architekturteilchen führen die Besucher durch das offene Treppenhaus und belegen auf dem Weg in das zweite Obergeschoss mit Beispielen aus alles Epochen der menschlichen Bau- und Siedlungstätigkeit, dass das Bauen mit Modulen nicht neu, sondern strukturimmanent ist.
An ausgewählten Beispielen zeigen fünf Zeitschienen die Entwicklung des modularen Bauens mit Holz, Stein, Beton, Metall und Kunststoff. Sie erheben nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, geben jedoch einen umfassenden Überblick über den vielfältigen Möglichkeiten des modularen Bauens vom Fachwerkhaus bis zum Plattenbau. Erwähnenswert ist, dass immer wieder auch Kölner Beispiele gezeigt werden: fast schon zu erwarten war O.M. Ungers Wohn- und Bürohaus für den Einsatz von Ziegeln, etwas überraschender aber dennoch schlüssig erscheint es, dass auch zwei Fialen des Domes als Architekturteilchen bezeichnet werden und in die Stein-Zeitschiene eingereiht wurden.
Aus dem Modul-Labor
Der Einsatz digitaler Planungs- und Fertigungstechnologien ließ mit allen Werkstoffen zunehmend komplexere Geometrien möglich werden, deren einzelne Module auch unterschiedlich geformt sein können. Robotergesteuert kann nun auch vergleichsweise kostengünstig ornamental gebaut werden, wie das gewundene Zweiraumwand-Modul anschaulich macht.
In der großen Halle im Erdgeschoss zeigt die Ausstellung zahlreiche Modelle, die zum Teil im historischen Abriss bereits erwähnt wurden, wie die 1928 von Friedrich Zollinger entworfenen Dachlamellen und das von Konrad Wachsmann und Walter Gropius in den 1940 Jahren in den USA entwickelte „Packaged House System“. Andere Projekte zumeist aus unserem digitalen Zeitalter, die schon ihre Form aber noch nicht unbedingt ihre Bestimmung gefunden haben, laden spekulativen Blick in die Zukunft ein. Grade auch die an den Hochschulen Detmold und Trier entwickelten Pavillons „Sparkler“ (gezeigt im Maßstab 1:1) und der BUGA-Pavillon „Treehugger“ bezaubern durch ihre enigmatische Geometrie und den Mut zum Experiment.
Das neue Wahrzeichen von Sevilla, die skulpturale Dachlandschaft „Metropol Parasol“ von Jürgen Mayer H. Architects wird in Köln als 1: 100 Modell gezeigt. Politisch war das Projekt während seiner siebenjährigen Bau- und Planungsphase nicht unumstritten, praktisch gelang es jedoch zeitgleich, für jeden der 2700 Knoten die richtigen Laschen und Winkel in dem in Bayern hergestellten Baukasten zu finden. Hier zumindest siegte – Modul sei Dank – die Ordnung über das Chaos.
Uta Winterhager
12. Mai bis 19. August 2012
MAKK – Museum für Angewandte Kunst Köln
An der Rechtschule 50667 Köln T. +49(0)221.221-23860
makk@stadt-koeln.de
Öffnungszeiten:
Di bis So 11-17 Uhr
1. Do im Monat 11-22 Uhr
Mo geschlossen