Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

„Es gibt nichts Interessanteres als Stadtentwicklung!“

Interview: Architektur Ein Gespräch mit Barbara Moritz

Am 13. Mai ist Landtagswahl. Ein guter Anlass für ein Interview mit Barbara Moritz, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen. koelnarchitektur sprach mit ihr über Wahlkampf, Masterpläne, den neuen Dezernenten für Stadtentwicklung und Stadtpatriotismus.

Frau Moritz, Sie sind in der Öffentlichkeit sehr präsent und vor allem bei Fragen zur Stadtentwicklung immer zugegen. Warum liegt Ihnen dieses Thema besonders am Herzen?

Barbara Moritz: Ich bin von Beruf ja eigentlich Lehrerin, habe selbst drei Kinder und hatte mein ganzes Leben auch immer sehr viel mit Kindern zu tun. In die Politik bin ich dann eigentlich gekommen „wie die Jungfrau zum Kinde“ … Damals war ich in der Bürgerinitiative tätig und habe mich mit Themen der Stadtentwicklung in der Südstadt beschäftigt. Dies fing an mit der Räumung und Sanierung Stollwerk, der Aufwertung von Stadtteilen und auch der Verdrängung von Altmietern. Als dann klar war, dass ich Mandatsträgerin bin – was ich mir niemals hätte träumen lassen, weil es gar nicht meine Lebensplanung war – war auch klar, dass ich nichts mit diesen typischen Frauenthemen wie Kinder, Jugend, Gesundheit etc zu tun haben möchte. Ich wollte etwas mit Planung, mit Stadtentwicklung machen, weil in diesem Thema die ganze Palette der Kommunalpolitik und der Handlungsmöglichkeit enthalten ist. Es gibt hier so viele Aspekte, die alle etwas miteinander zu tun haben, voneinander abhängig sind und die vor allem integriert betrachtet werden müssen. Und genau das faszinierte mich am Thema der Stadtentwicklung! Es gibt nichts Interessanteres.

49420autostart=TRUE] Stadtentwicklung

In meinem Büro hängt der Spruch „wenn du ein Haus baust, denke an die Stadt“ – den könnte ich auch zu meinem Motto machen …

Haben Sie mal darüber nachgedacht Architektur zu studieren?

Barbara Moritz: Lehrerin bin ich geworden, weil man damals gesagt hat, dass die Kombination von Kindern und Beruf eigentlich nur als Lehrerin möglich ist. Es gab keine U3-Betreuung und keine Horte. Wenn ich neu überlegen sollte, dann hätte ich vielleicht Freiraumplanung studiert. Ich liebe Freiräume, die für mich mehr als nur Grünanlagen sind. Es sind öffentliche Räume.

Mit welchen Alleinstellungsmerkmalen setzten sich die Grünen im Bereich von Architektur und Stadtplanung von den anderen Parteien ab?

Barbara Moritz: Ein Beispiel: Mein Kollege Klippers von der CDU hat immer bedauert, dass Bernd Streitberger sich zu wenig um Leuchttürme und Visionen gekümmert hat. Dies fand ich eigentlich immer gut. Es geht viel mehr darum, dass man die Stadt, dass man Köln aufräumt. Köln leidet darunter, dass es mal eine Phase gab, in der jeder bauen konnte, was er wollte – Hauptsache er hat in Köln investiert. Und das sieht man der Stadt heute an. Streitberger hat versucht, Ruhe hinein zu bringen. Und dies entspricht auch meiner Intention. Was aber auf jeden Fall ’grün ’ ist, das wir weg von der Zersiedelung gekommen sind. Das Ziel war Innenentwicklung. Dies ist zwar überall fachlicher Standard, aber in Köln musste es erst passieren. Als ich 1994 in den Rat kam, wurde gerade Donewald gebaut. Die Siedlung ist völlig am Rande der Stadt, hat gar keine Infrastruktur, ist ein reiner Autostandort und so etwas bauen wir heute nicht mehr. Das heißt: Wir wollen die Stadt kompakter haben. Wir wollen langfristiger und nachhaltiger über das nachdenken, was Stadtentwicklung heißt.

Welche Schwerpunkte wünschen Sie ich denn von Seiten der Landespolitik für Köln?

Barbara Moritz: Die Stadtentwicklung ist ja fast der einzige Bereich, den wir als Kommune selber bestimmen können, denn diese hat die Hoheit über die Planung. Und das finde ich auch toll. Denn wenn man zum Beispiel Schulpolitik macht, dann scheitert man ständig an den Landesregierungen. Aber in der Kulturpolitik und der Stadtentwicklung sind wir autonom. Ich habe vor allem kulturpolitische Wünsche an die Landspolitik. Ich finde, Kulturangebote die wir in Köln haben, die einzigartig in NRW sind, die sollten auch vom Land bezahlt werden. Bei der Stadtentwicklung bleiben keine Wünsche offen, die ich an die Landespolitik hätte. Bis auf das Landesentwicklungsgesetz im Bereich des Einzelhandels. Ich kann da nur hoffen, dass eine Landesregierung gewählt wird, die auf dem richtigen Kurs ist, die großflächige Ausbreitung von Einzelhandelszentren im Außenbereich einzuschränken.

„Masterplan oder Gestaltungskonzept: Wie auch immer man es nennen will, ich glaube, dass wir einen Orientierungsrahmen brauchen“, sagten Sie im Interview mit koelnarchitektur im Jahre 2003. Wird der Masterplan von Speer diesen Wünschen gerecht?

Barbara Moritz: Es ist ja ein städtebaulicher Masterplan, der aber auch nie anders gedacht war. Ich finde, dafür ist er auch geeignet. Ich bin natürlich als Grüne auch hochzufrieden gewesen, dass Speer seine Plan mit dem Motto „wir wollen aus der autogerechten eine menschengerechte Stadt machen“ überschrieben hat. Dies würde ich auch zu meinem Motto machen. Wobei ich weiter gehe als Speer, denn Stadtentwicklung ist ja mehr als Städtebau. Wir möchten die gemischte Stadt, die gemischten Nutzungen. Weg von der Trennung der einzelnen Nutzungen, hin zur Mischung. Dies kann aber in so einem Masterplan nicht drin sein, denn da ist offen, welche Art von Nutzung hinkommt. Aber naturgemäß ist die Umsetzung schwieriger als die Konzepterstellung. Und hier ist das größte Problem die Unterfinanzierung. Zwei Beispiele: Wir haben ja beschlossen, dass der Ebertplatz der erste Ringplatz ist, der umgeplant werden soll. Im Moment sind wir dran, die Domumgebung zu finanzieren, was wir nur mit Mühe und Not hinkriegen. Und es ist heute schon klar, dass der Ebertplatz danach kommt. Obwohl wir schon Pläne für die Ringe habe, die wiederum erst danach kommen. Ob ich das jemals erlebe, ist fraglich … Es ist einfach schade, dass wir so wenig Investitionsvolumina haben, um neue Sachen anzustoßen. Das spricht aber nicht gegen den Masterplan. 49419autostart=TRUE] Masterplan

Vom neuen Dezernenten für Stadtentwicklung wünschen Sie sich, er möge mit einer „soziologischen und ökologischen Brille“ auf die Stadt schauen …

Barbara Moritz: Dies könnte ich noch ausdehnen: Der soll ganz viele Brillen anhaben! Der Dezernent für Stadtentwicklung muss ein integrativ – oder besser: ein integriert – denkender Mensch sein. Als ich in den Rat gekommen bin, haben wir einen Antrag gestellt, „integrierte Raumanalysen“ vorzunehmen. Darauf zu schauen, was ist denkmalschützerisch, siedlungsgeographisch, verkehrspolitisch u.s.w. Und dann haben wir aus diesen gesamten Betrachtungen einen Flächennutzungsplan erstellt, den wir dann „integrierte Raumanalyse“ genannt haben. Und eigentlich muss jemand, der dieses Dezernat leitet, über einen sehr breiten Background verfügen. Der muss sich mit Verkehr, mit Lärm, mit Luft beschäftigen, da alles miteinander zu tun hat. Und das ist sehr sehr anspruchsvoll.

49428autostart=TRUE] Dezernent

Oper, Fachhochschule, Rheinboulevard, Heliosgelände, archäologische Zone, Domplatte – viele offene Fragen in der Kölner Stadtentwicklung. Welche Kölner Projekte würden Sie in den nächsten zehn Jahren gerne voran getrieben sehen?

Barbara Moritz: Außer dem Heliosgelände sind das alles öffentliche Baustellen. Die laufen alle. Da gibt es zwar den ein oder anderen Haken – wobei, bei der Oper zum Beispiel gibt es keinen Haken, da sind wir genau im Zeitplan. Domplatte – da gibt’s ein bisschen Schwierigkeiten, aber es gibt überhaupt kein großes Bauvorhaben, wo es keine Schwierigkeiten gibt. Beim Rheinboulevard geht es seinen Gang. Bei der Fachhochschule steht jetzt der Wettbewerb an. Bei der archäologischen Zone wird in diesem Jahr noch die Finanzierung der Betriebskosten und die Zusammenarbeit mit dem Landschaftsverband gemacht, wird aber auch angegangen. Da haben wir jetzt einen Projektentwickler, der den Neubau eng mit betreut. Das sieht nur so aus als ob es nicht weiter ginge, weil es unglaublich zäh und langsam ist.

49429autostart=TRUE] Kölner Projekte

Eins meiner beiden Lieblinge, die mir besonders am Herzen liegen, ist die Domumgebung. Ich möchte endlich als Bürgerin das Gefühl haben, dass wenn Leute mich besuchen und am Hauptbahnhof ankommen, dann möchte ich diese dort in Empfang nehmen und sagen „schaut euch um, der Dom, wie ist das prächtig“. Das hat schon irgendetwas mit meinem Stadtpatriotismus zu tun. Denn diese Domumgebung ist ein Grund sich zu schämen. Ich finde es gut, dass der Bahnhofsvorplatz schöner geworden ist. Und jetzt müssen wir noch die Domplatte so beleben, dass sich Kölner und Touristen dort wohlfühlen können. Der Platz ist dafür zurzeit einfach zu zugig und unkuschelig.

Das zweite Lieblingsprojekt ist die archäologische Zone und das jüdische Museum. Aber das heißt nicht, dass alles andere nicht genauso wichtig ist.

Mit Barbara Moritz sprach Natalie Bräuninger

Klicken und Hören

* Damit Sie die Antworten nicht nur lesen sondern auch hören können, haben wir einige Aussagen als O-Ton für Sie aufgezeichnet. Klicken Sie jeweils auf um die Aufnahme abzuspielen.

 

Barbara Moritz

Barbara Moritz ist seit 1994 im Rat für Stadtentwicklung zuständig. Seit 2000 ist sie Fraktionsvorsitzende der GRÜNEN im Kölner Rat.

2 Kommentare

Die liebe Frau Moritz hat aber eine Menge Nebelkerzen geschmissen. Wäre besser Lehrerin geblieben. Eine große Stadt muß auch sogenannte „Leuchttürme“ besitzen. Ich finde Streitberger hat zuviel Ruhe reingebracht, fast totberuhigt! Eine Stadt braucht Investoren die sich auch selbst darstellen können. Dann hätte Frau Moritz auch etwas mehr Invetitionsvolumina. Siehe Düsseldorf. Bei halber Einwohnerzahl im Vergleich zu Köln insgesamt erheblich höhere Gewerbesteuereinnahmen.

Erstaunlich gut

Ich finde die Antworten von Frau Moritz zum großen Teil erstaunlich gut, bin regelrecht positiv überrascht. Mir gefällt auch, was sie an Streitberger hervorhebt. Köln ist in meinem Empfinden ein aus den Nähten geplatztes Römernest und hat sich in dieser Struktur über die Jahrhunderte „traumhaft“ weiterentwickelt. Mit dieser Besonderheit der Stadt gilt es behutsam umzugehen. Gott bewahre uns vor Leuchttürmen. Abschreckende Beispiele gibt es genug, z.B. den Rheinauhafen mit den Kranhäusern („investorenfreundlich verdickte Baumassen“, schöner Begriff aus einem Jury- Kommentar). Da hätte auch ein schönes und belebtes Hafenviertel draus werden können.

Kommentar von Harald von der Stein