Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Vorzeigeprojekt oder Desaster?

Eine Chronik zum Bau der Kölner Zentralmoschee.

Noch in diesem Sommer soll in Köln-Ehrenfeld die neue Zentralmoschee fertiggestellt und eingeweiht werden. Ob dieser Termin tatsächlich eingehalten werden kann, ist nach den Zerwürfnissen zwischen dem Bauherrn DITIB und dem Architekturbüro Böhm fraglich. Woran liegt das und welch lange Geschichte geht diesen Streitigkeiten voraus?

Schon 1996 beschloss der Kölner Stadtrat auf Antrag von CDU und FDP, dass für alle muslimischen Gemeinden in Köln eine repräsentative Moschee gebaut werden solle. Die Stadt wurde daraufhin beauftragt, für den großen Neubau passende Grundstücke zu benennen und einen Investorenwettbewerb durchzuführen. Doch noch bevor dieser ausgeschrieben werden konnte, begannen die Schwierigkeiten. Die vorgeschlagenen Standorte entfernten sich immer weiter vom Kölner Stadtzentrum, gar bis in die Nähe des Köln-Bonner Flughafens. Zusätzlich machte die Stadtverwaltung unter Führung der CDU zur Bedingung, dass sich alle muslimischen Vereine für dieses große Bauprojekt in einem gemeinsamen Trägerverein zusammenfinden sollten. Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V., kurz DITIB, verweigerte diese Zusammenarbeit mit anderen Vereinen, von denen einige umstritten sind oder gar vom Verfassungsschutz beobachtet werden, und zog sich vorerst aus dem Projekt zurück. Die verbleibenden Vereine gingen weiter ihren Weg und stellten auch bereits architektonische Entwürfe vor, legten das Projekt 2002 aber ad acta.

Alleingang

Die DITIB als bundesweiter Dachverband „für die Koordinierung der religiösen, sozialen und kulturellen Tätigkeiten der angeschlossenen Vereine“ (dies sind mittlerweile 896) brachte die Idee daraufhin allein voran und plante eine deutsche Zentralmoschee mit Basar, Seminarräumen, einer Bibliothek und Büros. 2003 entschieden sich alle Beteiligten für das Gelände an der Ecke Innere Kanalstraße/ Venloer Straße, das der DITIB gehört und auf dem bis zum Frühjahr 2009 die alte Moschee stand. Im gleichen Jahr wurde über die Änderung des Bebauungsplans verhandelt, denn ein derart großes Gebäude ließ der bestehende nicht zu.

Wettbewerb entschieden

Somit war der Weg frei für einen Architektenwettbewerb, den die DITIB mit Unterstützung des Bundes Deutscher Architekten auslobte. 33 Büros aus der Türkei und aus Deutschland beteiligten sich daran. Am 6. März 2006 gab die zwanzigköpfige Jury, der Mitglieder der DITIB, Stadtplaner, Architekten und Kölner Stadträte angehörten, das Ergebnis bekannt: Gottfried und Paul Böhm, die großen deutschen Kirchenbaumeister, hatten mit ihrem Entwurf die Jury überzeugt. Darin sahen viele nun ein Zeichen, dass die Integration der in Köln lebenden Muslime gelingen könne. Bei der Bürgerbewegung „pro Köln e. V.“, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird, stieß der Entwurf allerdings nicht auf Gegenliebe. Sie befürchteten (und tun dies bis heute) eine Islamisierung, bezeichneten die DITIB auf ihrer Webseite als verlängerten Arm der türkischen Regierung in Deutschland (tatsächlich untersteht die DITIB der Regierung in Ankara) und sammelten 20.000 Unterschriften gegen das Projekt. Im Mai 2007 jedoch scheiterte das Bürgerbegehren aus rechtlichen Gründen.

Gegenstimmen

Bereits am 29. Mai 2007 stellten Vertreter des Stadtplanungsamts, der Architekt Paul Böhm und die Leiterin des Dezernats „Interkulturelles Referat“ die aktuellen Planungen zum Moscheeneubau vor und diskutierten mit den Kölnern über deren Bedenken. Parallel dazu regte sich aufgrund der Dimensionen der geplanten Moschee auch in den Reihen der CDU Widerstand: Moschee ja, Änderung des Bebauungsplans nein. Und wieder einmal erregten vor allem die beiden jeweils 55 Meter hohen Minarette die Gemüter. Die DITIB beauftragte daraufhin Böhm mit Alternativen, über die der eigens für den Bau der Moschee einberufene Beirat am 21. August 2007 beriet. Ihm gehören 34 Personen an, darunter auch Vertreter der christlichen Kirchen und Kommunalpolitiker fast aller Parteien (siehe eine Pressemeldung der DITIB). Doch schon Tags darauf stellt die DITIB klar, dass sich an der geplanten Höhe der Minarette und der Kuppel nichts ändern werde.

Ungeachtet dessen forderte die Mehrheit der CDU auf ihrem Sonderparteitag am 14. August einen kleineren, unauffälligeren Neubau und stellte sich damit gegen den damaligen Oberbürgermeister Fritz Schramma (ebenfalls CDU), der sich von Beginn an für das Projekt stark gemacht hat.

Politische Unterstützung

Da die anderen Fraktionen dem Bau der neuen Moschee nach wie vor zustimmten, nahm das Projekt eine Hürde nach der anderen. Vom 18. Oktober bis zum 19. November 2007 wurde der geänderte Bebauungsplans offengelegt. Doch nur die „Basarflächen“ mit über 3.000 Quadratmetern und der zusätzliche Verkehr, der dadurch zu erwarten ist, störten die Anwohner. Deshalb stellte Böhm auf der Beiratssitzung vom 22. Januar 2008 geänderte Pläne mit einer um 30 Prozent verkleinerten Gesamtfläche vor. Damit ließen sich auch die zu hohen Baukosten des ursprünglichen Entwurfs kompensieren. Im April 2008 reichte die DITIB den Bauantrag ein, der Abbruch des alten, provisorischen Moscheegebäudes war bereits genehmigt. Kurze Zeit später veröffentlichte sie einen Infoflyer zum Moscheebau, mit dem sie auch die Gegner überzeugen wollte.

Am 11. August sprach sich die Bezirksvertretung von Ehrenfeld mit den Stimmen von SPD, FDP, Grünen und Linkspartei für den Moschee-Neubau aus, am 28. August 2008 stimmte der Kölner Stadtrat mit den Stimmen der gleichen Parteien schließlich der Änderung des Bebauungsplans zu. Die Mehrheit der CDU – Schramma ausgenommen – votierte gegen den Moscheebau. Der damalige DITIB-Vorstandsvorsitzende Sadi Arslan (2007-2010) freute sich dennoch: „Wir bauen hier für alle Kölner – nicht nur für die Muslime. Diese Moschee wird das Symbol des furchtlosen, friedlichen und vertrauensvollen Zusammenlebens sein, ein Ort der Begegnungen und der Kommunikation.“ (Pressemeldung der DITIB vom 29.8.2008). Schramma wendete sich mit folgenden Worten an seine Parteikollegen: „Machen wir uns nichts vor. Die Moschee kommt! Entweder mit oder gegen uns.“

Baubeginn

Um die Öffentlichkeit erneut über das Projekt zu informieren, stellte die DITIB am 3. Oktober, dem „Tag der offenen Moschee“, den Entwurf und das neue Umgebungsmodell vor. Nur gut einen Monat später, am 7. November, wurde die Baugenehmigung übergeben.

Damit konnte der Bau der Zentralmoschee endlich beginnen. Am 27. März 2009 wurde in der alten, provisorischen Moschee das letzte Freitagsgebet abgehalten. Ende des Monats startete die Spendenkampagne der DITIB für den Neubau, der ohne öffentliche Zuschüsse gebaut wird. Doch bevor am 7. November der Grundstein für die neue Zentralmoschee gelegt werden konnte, sah sich der Architekt mit folgenden Vorwürfen konfrontiert: Er habe christliche Symbole in das Bauwerk integriert, wie die Süddeutsche Zeitung rückblickend in einem Artikel vom 10. November 2011 schreibt. Die drei Schalen, aus denen sich die Kuppel zusammensetzen sollte, symbolisierten die christliche Dreifaltigkeit, so der Vorwurf aus Ankara, über den die Bauwelt in der Ausgabe 46/2011 berichtet. Im geänderten Entwurf mit vier Teilen wollte man das christliche Kreuz und zusätzlich das Christusmonogramm „XP“ erkennen. Also plante Böhm erneut um. Nun sind es zwei Schalen, die von oben betrachtet einen Halbmond ergeben.

Richtfest und Zerwürfnis

Ende Januar 2010 eröffnete die DITIB auf der Baustelle einen neuen Infocontainer – der in der Zwischenzeit wieder abgebaut wurde –, am 2. Februar 2011 wurde Richtfest gefeiert. Und noch bevor im Oktober 2011 die Streitereien zwischen der DITIB, dem Architekten und dem Düsseldorfer Bauunternehmen Nuha eskalierten, nahmen Ali Dere, Theologe und seit August 2010 Vorstandsvorsitzender der DITIB, und Paul Böhm am 8. September gemeinsam am „Abend der Kölner Bauindustrie“ teil, zu dem mehr als 100 verschiedene Akteure auf die Baustelle gekommen waren.

Ende Oktober erfuhren dann alle, was im Stillen schon monatelang vor sich hin gegärt hatte. Böhm war am 21. Oktober die Kündigung des Architektenvertrags von Seiten der DITIB ins Haus geflattert, woraufhin Böhm zu verstehen gab, dass die DITIB damit nur seiner Kündigung zuvorgekommen sei. Er hatte diese bereits für den 24. Oktober ausgesprochen. Im Raum standen eine Steigerung der Baukosten von 25 Mio. auf 34 Mio. Euro und ein Gutachten, das die DITIB in Auftrag gegeben und das an der Zentralmoschee angeblich mehr als 2.000 Mängel nachgewiesen hatte, darunter auch Abweichungen in der Symmetrie und bei der Farbgebung. Statt des bislang geplanten Hellgraus soll die Oberfläche auf Wunsch des Bauherrn nun weiß werden. Böhm wiederum sprach davon, seit April 2011 für seine Leistungen kein Geld mehr erhalten zu haben, die Kommunikation zwischen Architekten, Bauherrn und Beirat wäre seit der Wahl des neuen Vorstand fast zum Erliegen gekommen. Dazu schreibt die FAZ in einem Artikel vom 26. Oktober: „Der Architekt Christian Schaller, der ihm [Anm. d. R.: dem Beirat] angehört, bestätigt das und berichtet, die DITIB habe Mehmet Yildirim, der das Projekt mit großem Engagement vorangetrieben habe, als Geschäftsführer abgelöst, weil er ‚zu willfährig gegenüber dem Architekten‘ aufgetreten sei. Dann habe sie einen Gutachter mit dem Auftrag engagiert, dem Architekten Baumängel nachzuweisen.“ In einer Presseerklärung vom 27. Oktober 2011 meldet sich die DITIB, nun also quasi die Gegenpartei, deutlich zu Wort: „Unser Fazit: Als Künstler hat Herr Böhm brilliert, als Baumeister hat er leider versagt.“

Eröffnung im Sommer?

Trotzdem halten beide Seiten daran fest, das Projekt gemeinsam zu Ende zu bringen und die Moschee im Juni dieses Jahres zu eröffnen. Schramma, der seit Mitte November 2011 zwischen DITIB und Böhm vermittelt, soll’s nun richten. Bei den Gesprächen geht es allerdings nicht nur um die „Mängel“ am Rohbau, sondern auch um die Gestaltung des Innenraums, die Fassade und die Farbgebung, also all das, wo Bauherr und Architekt schon immer weit auseinander lagen. Die DITIB vermeldete dazu in oben genannter Erklärung: „Für die Innengestaltung wird DITIB einen Innenarchitekten beauftragen.“ Ob sie das wirklich tut, auf welche Lösung sich Böhm und die DITIB verständigt haben und ob die Moschee im Sommer eröffnet werden kann, wird hoffentlich bei der für Freitag angekündigten Pressekonferenz zu erfahren sein.

Im vergangenen Oktober hat die DITIB allerdings nicht nur eine Kündigung verschickt. Der Düsseldorfer Firma Nuha, die den Rohbau erstellt hat, erging es wie Böhm. Sie hat im Januar die DITIB auf die Zahlung von 2 Millionen Euro verklagt. Auch hier ist der Ausgang noch ungewiss.

Der Text erschien zuerst im eMagazin

german-architects.com

Simone Hübener

Die Autorin ist freie Fachjournalistin im Bereich Architektur und Bauen, freie Mitarbeiterin bei frei04 publizistik und Geschäftsführerin des gemeinnützigen Vereins architekturbild e.v.

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Die Bilder von Wilfried Dechau entstanden während einer Baustellenbesichtigung am 25. Mai 2011.

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Jahrelange wurde über die Dimensionen der neuen Zentralmoschee und besonders über die Höhe der Minarette gestritten. Am Ende sind die Minarette nun 55 m hoch, die Kuppel misst 36,5 m und die Mantelbebauung 17,4 m.

Foto: Wilfried Dechau

Ein nahegelegenes Hochhaus und der Kölner Fernsehturm überragen die beiden Minarette der neuen Zentralmoschee.

Foto: Wilfried Dechau

Fast 16.000 Quadratmeter Nutzfläche wird es im neuen Gebäude geben, davon nur rund 2.000 für den Gebetsraum.

Foto: Wilfried Dechau

1 Kommentar

Wie kann man mit einem Verein(Ditib),der nachweislich nur der verlängerte Arm der AKP in Ankara ist so ein Projekt starten. Schramma hat sich schon von der Unesco über den Tisch ziehen lassen (s. Desaster Messe Deutz, Weltkulturerbe usw.). Ich wäre unter anderem auch für einen prächtigen Synagogen Neubau, allerdings nicht mit israelitscher amtlicher Unterstützung. Dieses sollte von in Deutschland fest verankerten Mitbürgern der entsprechenden Glaubensrichtungen ausgeführt werden. Die Kölner werden sehr wahrscheinlich bez. Ditib und Türkei noch so manche unangenehme Überraschung erleben.