Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

‚Erfahrbare Geschichtlichkeit‘

Etappenziel beim Rheinboulevard – auf dem Podium des BDA Montagsgespräches diskutierten Politik, Archäologie und Stadtentwicklung.

Der Rheinboulevard – wieder einmal ein viel diskutiertes Projekt in der Stadt Köln. Wieder einmal kontroverse Stimmen und keine Einigung in Sicht. „Falsch!“ sagt Prof. Dr. H.G. Horn der Universität Köln. Der Archäologe stellte auf dem BDA Montagsgespräch am 24.10.2011 klar: „Das Projekt steht vorbildhaft dafür, wie mit historischen Funden im Sinne der Stadtentwicklung umgegangen werden soll. Und vorbildhaft dafür, wie Bürgerbeteiligung funktioniert.“ Er war einer der Sprecher an diesem Abend und als ehemaliger Ministerialrat und Leiter der Bodendenkmalpflege von Nordrhein-Westfalen der Experte auf diesem Gebiet. Für die Seite der Politik saß Norbert Hilden, Stellvertretender Vorsitzender der Ortsverbandes Mitte der FDP mit auf dem Podium. Moderiert wurde von Landschaftsarchitekt Johannes Böttger.

Aktueller Projektstand Rheinboulevard

Entstanden aus einem Wettbewerb 2006, Projekt der Regionale 2010 und dann aufgehalten durch zahlreiche historische Funde – so der aktuelle Projektstand. Das Projekt Rheinboulevard erstreckt sich vom Rheingarten bis zum Kirmesplatz in Deutz, aber der viel diskutierte Bereich befindet sich zwischen Hohenzollern- und Deutzer-Brücke. Hier entsteht – nach Entwürfen des Berliner Büros planorama – eine große Freitreppe, genannt „Wassertreppe“. Zur Zeit ist der Entwurf in der Überarbeitung. Hauptsächlich geht es darum, wie die historischen Funde in die Treppe integriert werden können. „Ziel für heute Abend ist es aber nicht, den Entwurf in all seinen Facetten zu beleuchten“, so Böttger zu Beginn. Sein Fokus lag auf dem Planungsprozess. Immer wieder stellte er die Frage: Wie bewältigen wir den Umgang mit den historischen Funden? Und was gewinnen wir daraus?

„Erfahrbare Geschichtlichkeit“

Sehr anschaulich erklärte Prof. Horn den ca. 60 Zuhörer am Montagabend das Ausmaß der historischen Funde. „Das Gebiet ist seit 20 Jahren als Bodendenkmal eingetragen, und es war klar, dass wir dort irgendetwas finden. Niemand ist allerdings davon ausgegangen, dass es von solch guter Qualität sein werde.“ Die Reste der Kirche St. Urban (800 n.Chr.), der mittelalterliche Wehrturm aus dem 12. Jhd., die Stützmauer des Bahndamms von 1882, die Drehscheibe aus der preußischen Zeit – alles Dinge, die jetzt in das Projekt Rheinboulevard integriert werden müssen. Es handele sich aber vor allem um Dinge, die unter der Erde liegen, das heißt, es werde keine Archäologische Zone sondern vielmehr einen Archäologischen Park geben. „Ich möchte den Bürgern eine Identifikationsfläche geben, die Stadtgeschichte soll ablesbar sein. Ich will keinen Raum ohne Gesicht, sondern erfahrbare Geschichtlichkeit!“ An der Freitreppe wird allerdings nicht gerüttelt, diese hätte oberste Priorität. „Wir diskutieren nicht, ob, sondern wie es diese geben wird!“ entschärfte Horn.

„Was ist das Gesamtziel, was die Auswirkungen für die Stadt Köln?“

…fragte Moderator Johannes Böttger die beiden Herren auf dem Podium. Für Norbert Hilden ist weniger die Archäologie sondern vielmehr das Projekt als solches und die damit verbundenen Vernetzungen in der Stadt von Bedeutung. „Deutz wird zum Gastgeber und hat die Chance, attraktiver zu werden und damit beide Rheinseiten zu verbinden.“ Mit dazu gehören neben dem Rheinboulevard die anderen Rechtsrheinischen Projekte wie MaxCologne und die in der Diskussion stehende Verbreiterung der Hohenzollernbrücke. „Ich bin sehr froh, dass der Rat im Juli beschlossen hat, die Mehrkosten für den Rheinboulvard zu übernehmen“, so Hilden.

Werkstattgespräche im November und Dezember

Trotz allem Vorbildhaften – viele Bürgerinitiativen streiten über die Art der Einbindung der historischen Funde. „Es gibt einfach so viele unterschiedliche Vorstellungen, da muss man jetzt abwägen was geht und was nicht“, so Prof. Horn. Er wird die Werkstattgespräche am 9. November und 7. Dezember diesen Jahres moderieren. Mit dabei: Vertreter der Bürgerinitiativen, Politik, Archäologie und Architektur. Darin werde es um Fragen der Präsentation, mediale Hilfsmittel aber auch um Folgekosten gehen. Denn wer ist eigentlich verantwortlich für die spätere Unterhaltung?

Und die Fertigstellung?

„Ich bin kein Prophet, aber gehen Sie davon aus, dass es noch ein wenig dauern wird“, so Horn. Und Hilden dazu: „Ich wünsche mir, dass ich das Ganze noch erlebe …“

Genauer gesagt: Im Februar 2012 wird die „Werkstatt“ eine Empfehlung für den Rat aussprechen, dieser dann entscheiden. Die Abstimmung zwischen Ausgrabungen und Baustelle Freitreppe sei allerdings kein Problem, meinte Archäologe Horn: „Wenn der Boulevard gebaut wird, dann sind wir fertig.“

Natalie Bräuninger

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Natalie Bräuninger

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