Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Totengesang oder Reanimation

„Architektur im Aufbruch: Planen und Bauen in den 1960ern.“ Eine Ausstellung des M:AI und der GAG im Spanischen Bau

Ein differenzierteres Bild von der Architektur der 60er Jahre entstehen zu lassen ist das Ziel dieser Schau, die das M:AI (Museum für Architektur und Ingenieurkunst NRW e. V.) bereits 2009 in Duisburg und in Bochum gezeigt hat. In Köln entstand in Kooperation mit der GAG Immobilien AG ein zusätzliches Kapitel zum Thema Wohnungsbau. Ungeachtet des momentan schlechten Erscheinungsbildes vieler Großgebäude aus den 60ern will man den Leitbildern des Bauens von damals nachgehen.

Dies kann man in einer Umgebung tun, die den meisten Besuchern nur allzu bekannt vorkommen wird: Die Ausstellungsmacher Jangled Nerves aus Stuttgart haben die Schau so möbliert, dass sie aussieht wie ein Architekturbüro der Zeit. Fünf zentrale Tische bilden die fünf Themenblöcke ab, die die 60er Jahre Architektur aufschlüsseln: Architektur als Wissenschaft / Funktionalistische Architektur und die Rolle des Architekten / Wohnen – Modelle des Zusammenlebens / Go West / Struktur und Plastizität. Anhand von Modellen, Interviewmitschnitten und Begleittexten sind die ausgewählten Objekte, größtenteils aus NRW, gut zu erfassen. In niedrigen Büroschränken kann man dann nach weiteren Objekten und Materialien stöbern.

Aachener Klinikum, die Ruhr-Universität Bochum und Köln-Chorweiler

Charakteristisch für die Epoche sind die Tendenzen zum Seriellen und zu Großbauten, Beispiele sind das Aachener Klinikum, die Ruhr-Universität Bochum und das Neubauviertel Köln-Chorweiler. Schön bildlich eingefangen in der Ausstellung sind diese Tendenzen in dem Präsentationsmodell der „Metastadt“ von Richard J. Dietrich von 1971. Sechs Jahre dauerte die Entwicklung dieser vorgefertigten Wohneinheiten aus Stahlelementen, die beliebig über- und nebeneinander geschachtelt werden konnten.

Sich von ästhetischen Vorurteilen zu befreien und die Bauten zeitgemäß auch als Ausdruck einer breiten Demokratisierung zu sehen, die den Zugang zu Bildung, Konsum und Eigentum erweiterte – das ist das Eine. Nicht befreien aber kann man sich von der Frage, wie mit dem Erbe umzugehen ist. Noch muss man die Rückblicke auf die 60er und 70er Jahre nicht als Totengesang verstehen, aber doch sind viele Objekte in einem Zustand, in dem für Reanimation nicht mehr viel Zeit bleibt. Als Entscheidungshilfe ist ein Besuch der Ausstellung zu empfehlen.

Ira Scheibe

Zur Internetseite des M:AI mit Beiträgen zum Thema von Ingeborg Flagge, Prof. Dr. Wolfgang Pehnt, Prof. Wolfgang Döring und Prof. Joachim Schürmann.

„Architektur im Aufbruch. Planen und Bauen in den 1960ern“ bis 3. November 2011 in Köln, Spanischer Bau;

Öffnungszeiten: Mo-Mit, Fr: 8-18 Uhr; Do: 8-20 Uhr; Sa, So: 14-18 Uhr

Führungen 23.10. 15 Uhr und 20. und 27.10. 19 Uhr

Anmeldung erforderlich unter info@mai.nrw.de

Busexkursionen Museum für Architektur und Ingenieurkunst (M:AI) NRW e. V. zu GAG-Siedlungen der 60er und 70er Jahre werden angeboten an den Sonntagen 23. und 30. Oktober. Abfahrt ist jeweils um 15 Uhr am Kölner Rathaus.

Eine Anmeldung unter Telefon 0221/20 11 242 oder dirk.kaestel@gag-koeln.de ist erforderlich.

Doppelte Zeitreise: Mit Möbeln der Epoche haben die Ausstellungsmacher ein typisches Architekturbüro der 60er Jahre nachgebaut.

Foto: Natalie Bräuninger

Mit Modellen, Fotos und Plänen skizziert die Ausstellung „Architektur im Aufbruch“ den historischen Kontext und beleuchtet Hintergründe für das damalige Architekturverständnis.

Foto: Natalie Bräuninger

Das Vorzeigeobjekt der Ausstellung: das Präsentationsmodell „Metastadt“ von Richard J. Dietrich von

1971, Kunststoff und Holz, farbig; M 1:50

Foto: Ira Scheibe