Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Aus alt wird neu: das Amerikahaus

Das Amerikahaus wurde als Sitz der Fritz-Thyssen-Stiftung zum Forum für Wissenschaft und Kultur

Auf den ersten Blick sieht das Gebäude nur wenig anders aus als früher. Hat man die Kirche St. Aposteln umrundet und betritt den stillen, kleinen Platz, so blickt man wie immer auf die Fassade des einstigen Amerikahauses zwischen den Bäumen. Nur die Patina der Fassade ist verschwunden, erst ein genaues Hinsehen zeigt, warum. Wie in den 1950er Jahren bleibt das Obergeschoss um einen großen Saal geschlossen, eine Technikzentrale auf dem Dach glänzt noch unverkleidet und zeigt an, dass hier kürzlich erst gebaut wurde. Die neue Fassade ähnelt der alten, nur abends soll das Gebäude selbstbewusst leuchten, um die Nutzung als neuer Sitz der Fritz-Thyssen-Stiftung, einer privaten Wissenschaftsförderung, zu repräsentieren.

Der Blick ins Erdgeschoss führt jetzt überall ins Licht: wo früher eine deutliche Grenze zwischen innen und außen war, wo ein Tor den Blick einengte, trennt nur eine mit schmalen Profilen gefasste Glaswand den Platz vom Innenhof, der tagsüber zu betreten ist. Wohltuend offen zeigt sich das Gebäude, man schaut in ein Foyer, sieht im Obergeschoss sogar bis in den Hof hindurch und erblickt überall die typischen Geländer der fünfziger Jahre, weiße filigrane Stahlbänder mit rotem Handlauf. Die einstige Angst um Sicherheit ist einer einladenden Geste gewichen: hier ist ein neues Forum für Wissenschaft und Kultur entstanden, welches den Austausch und den Dialog sucht und fördert.

Doch ein wenig täuscht Eindruck einer denkmaltreuen Sanierung: im Inneren tritt ein Neubau hervor, der in seiner durchgängigen Gestaltung, seiner perfekt harmonisierten Material, Farb- und Formwahl nur wenig von seiner Auseinandersetzung mit einem Denkmal der 1950er Jahre preisgibt.

Keine leichte Aufgabe

Nach einem geladenen Wettbewerb, den das Stuttgarter Büro Cheret und Bozic für sich entscheiden konnte, wurde mit der Planung für das Umbauvorhaben sowie zwei Erweiterungsbauten begonnen. Das umfangreiche Raumprogramm, das die Architekten in diesem historischen Ensemble unterzubringen und zu organisieren hatten, erforderte Erweiterungen und Veränderungen in vielerlei Hinsicht: ein Konferenzsaal wurde nördlich an den eingeschossigen Zwischentrakt angebaut, das Bürogebäude im hinteren Teil des Grundstücks erweitert und – die wohl schwierigste, wenn auch unsichtbare Maßnahme: das Hauptgebäude für ein Archiv nachträglich unterkellert. Der große Saal im Obergeschoss, einst ein Kino, erhielt ein großes Fenster in den Innenhof.

Diesen großen folgten viele kleine Eingriffe, um das Amerikahaus für seine neue Nutzung vorzubereiten. Keine leichte Aufgabe also, wie auch Professor Cheret als Architekt beschreibt: “Eine ganz besondere Herausforderung – vom Entwurf bis hin zur Planung im Detail – war es für uns, den bauzeitlichen Charme des Hauses restaurierend zu bewahren und gleichzeitig den Veränderungen in diesem Kontext Gestalt zu geben.“

Forschung immer präsent

Mustergültig für ein Haus der Wissenschaften wurde im Vorfeld zu der Baumaßnahme die Zusammenarbeit mit der Universität Köln für ein Gutachten zu dem Gebäude gesucht. Unter der Leitung von Professor Nußbaum wurde am Architekturgeschichtlichen Institut eine umfangreiche und bis ins Detail ausgearbeitete Bauaufnahme erstellt. „Jeder Türgriff wurde aufgenommen“, so schildert der Vorstandsvertreter der Stiftung die präzise Arbeit der Bauhistoriker. Betritt man nun den Altbau durch den neuen Windfang, nur der Türgriff der Eingangstür zeigt sein Alter, so entdeckt man auch im Foyer die typischen Treppenläufe und Geländer wieder. Weiter dem Empfang folgend öffnen sich die gläsernen Konferenz- und Besprechungsräume dem Besucher wie dem Innenhof.

Durchblicke sind erwünscht, die Räume wirken modern und zeigen eine durchgängig neue Gestaltungslinie. Auch im großen Saal im Obergeschoss dominieren das neue Fenster und eine in Farbe und Material abgestimmte Einrichtung die neue Architektursprache. Modernste Technik mit Dolmetscherkabinen, Einbaustrahlern und variabler Bühnentechnik lassen erahnen, dass hier in der Umbauzeit nicht viel von einem vorhandenen Gebäude zu sehen war. Ein bisschen wehmütig wird man schon, erinnert man sich an die kleinen Details der Fünfziger, an Türen und Bodenbeläge, beige Farbtöne und alte Schalter. So stimmig die Gestaltungslinie ist, so sehr fehlt dem Haus die Patina, die es noch vor wenigen Jahren hatte und die dem äußeren Eindruck entsprechen würde. Dennoch kann den Architekten und Bauherrn gratuliert werden: ein schöner Bau, der vom Wettbewerbsverfahren über die Dokumentation bis zur Realisierung durch eine sehr hohe Qualität besticht, für die in der Stiftung viel investiert wurde.

Das Buch zum Projekt

Mit Forschung hat dieser Bau für die Wissenschaft begonnen und wurde nun auch mit einer Forschungsarbeit abgeschlossen: das Buch von Sonja Schöttler mit dem Titel „Funktionale Eloquenz“ stellt nicht nur den Bau des Amerikahauses in Köln, sondern auch Geschichte und Hintergrund der amerikanischen Kulturinstitute in Deutschland vor. Zahlreiche Fotos aus der Entstehungszeit zeigen die Amerikahäuser von Hamburg bis München im Kontext der Architektur der fünfziger Jahre. Aber auch der aktuelle Umbau in Köln wird schon beschrieben, Bilder aus der Baustellenzeit ergänzen die umfassende Dokumentation. So bleibt die gesamte Geschichte dieses Hauses für uns erlebbar.

Ragnhild Klußmann

Lesen Sie auch

Fenster nach Amerika

09.04.2009

Das Amerikahaus am Apostelkloster wird grundlegend saniert

Das Buch zum Amerikahaus und seinem Umbau:

Schüttler, Sonja; Funktionale Eloquenz. Das Kölner Amerika Haus und die Kulturinstitute der Vereinigten Staaten von Amerika in Deutschland. Herausgegeben von Norbert Nussbaum. Wernersche Verlagsgesellschaft Worms 2011

Die sanierte Fassade vom Platz aus, der Aufbau der Haustechnik ist noch nicht ganz fertig gestellt

Foto: Ragnhild Klußmann

Fast unsichtbar ist der Übergang zum Innenhof durch eine Glaswand getrennt

Foto: Ragnhild Klußmann

Neuer Windfang: erhalten sind nur die Türgriffe der Eingangstür. Das neue Fluchttreppenhaus wirkt wie belassen.

Foto: Ragnhild Klußmann

Blick vom Bürotrakt Richtung Vorderhaus: die Glasfassade nimmt die ursprüngliche Gliederung auf. Die Gestaltung des Innenhofes ist neu entworfen, viele Bäume mussten leider gefällt werden.

Foto: Ragnhild Klußmann

Der große Saal erhielt ein neues Fenster zum Hof

Foto: Ragnhild Klußmann

Der neue Grundriss im Erdgeschoss: das Gebäude wird deutlich erweitert

Grafik: Cheret&Bozic Architekten, Stuttgart