Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Weibliche Baukunst

Der Künstlerinnenpreis Nordrhein-Westfalen wurde 2010 erstmals im Bereich Baukunst vergeben. Eine Ausstellung zeigt die Preisträgerinnen und ausgewählte Wettbewerbseinreichungen.

„Architektur ist Kunst“, so sagt es der Vizepräsident der Architektenkammer NRW, Christian Schramm. Und so wurde der seit 1996 vergebene Künstlerinnenpreis Nordrhein-Westfalen im Jahr 2010 erstmals im Bereich Baukunst verliehen. Die Münsteraner Architektin Julia Bolles-Wilson hat den mit 10.000 Euro dotierten Hauptpreis erhalten, die „Dreihausfrauen“ Patricia Gola, Defne Saylan und Shidokht Shalapour den mit 5.000 Euro dotierten Förderpreis. Ausgewählt wurden sie aus insgesamt 49 Bewerbungen, von denen einige noch bis zum 4. April in einer Ausstellung im Foyer der Düsseldorfer Architektenkammer zu sehen sind.

Kunst oder Architektur?

„Kunst ist nur sich selbst verpflichtet“, sagt hingegen die Hauptpreisträgerin Julia Bolles-Wilson und stellt sich damit gegen die Position von Christian Schramm, „Architektur ist zu einem großen Teil rationales Vorgehen, Logistik und Statik. Ich glaube aber, dass ohne den künstlerischen Moment aus einem Gebäude keine Architektur wird.“ Die Preisträgerinnen des Förderpreises haben sich bei einem Aufbaustudium für Baukunst an der Düsseldorfer Kunstakademie kennengelernt. Aber auch sie stellen fest: „Architektur ist Architektur, Kunst ist Kunst“. Und Shidokht Shalapour ergänzt: „Sie bereichern sich gegenseitig und da wir von der Kunstakademie kommen, ist bei uns der künstlerische Anspruch auf jeden Fall da.“

Zwischen den beiden Polen Kunst und Architektur bewegen sich auch die Einreichungen zum Wettbewerb. Die Jury hat einige davon ausgewählt um sie auf Stellwänden zu zeigen. Zu sehen sind ganz unterschiedliche Ansätze, von Landschaftsarchitektur mit der Umgestaltung von Plätzen, über Hochbauprojekte zwischen klaren Kuben und geschwungenen Formen bis hin zu großformatigen Plastiken mikroskopischer Strukturen.

Architektinnenemanzipation

„Die Jury hatte es nicht einfach“, bekennt dann auch die Juryvorsitzende, die Kölner Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner, „denn die Qualität der eingereichten Arbeiten war sehr hoch.“ Etwas verbindend „Weibliches“ will sie in den Entwürfen selbst aber nicht sehen. Schock-Werner sagt von sich selbst, sie sei durch ihren Beruf „so etwas wie die Frontfrau der Architektinnenemanzipation geworden.“ Und sie erzählt von ihrem eigenen Architekturstudium, als es noch einen Frauenanteil von zehn Prozent gab: „Für den Jahrgangsbesten gab es als Auszeichnung eine Uhr. Die Jahrgangsbeste war ich, die Männeruhr aber schon gekauft und der Verband der Bauwirtschaft wollte nicht, dass eine Frau ausgezeichnet wird, also wurde der zweitbeste ausgezeichnet.“ So lakonisch sie das berichtet, so klar ist auch, dass noch heute, wo mehr Frauen als Männer Architektur studieren, Aufholbedarf besteht. Verdienen Frauen in Architekturbüros doch im Schnitt deutlich weniger als Männer und sind in Spitzenpositionen in Architekturbüros immer noch unterrepräsentiert.

An der Sache interessiert

„Ich fand es nie schwer“, sagt Preisträgerin Julia Bolles-Wilson, „mein Mann und ich waren aber auch in einer besonderen Situation, dadurch dass wir immer freiberuflich waren. Ich glaube aber, heute ist es ein bisschen schwieriger geworden, der Wind ist rauer, die Termine enger und die Kosten knapper.“ Die Förderpreisträgerinnen von den „Dreihausfrauen“ sind zwischen 1975 und 1980 geboren und als Architektinnen im Büro Ortner & Ortner in Köln beschäftigt. „Als Frau hat man es etwas schwerer“, so Shidokht Shalapour, „bis zum Mittelbau geht es, aber dann wird es schwerer.“ Die Zusammenarbeit im Büro sei aber problemlos und anders als Männer würden Frauen nicht entwerfen, „das hat eher etwas mit der Schule zu tun“, erklärt Patricia Gola. Ob Frauen einen anderen Entwurfsstil haben als Männer, findet Julia Bolles-Wilson schwer zu beantworten, die Arbeit sei aber schon eine andere: „Frauen sind sorgfältig in der Planung, achten darauf, dass alles stimmt und sind weniger darauf aus, sich selbst zu verwirklichen – sie sind an der Sache interessiert.“

Vera Lisakowski

Weiterführende Links:

Homepage des Büros Bolles+Wilson

Homepage der „Dreihausfrauen“

Informationen zum Künstlerinnenpreis NRW im Bereich Baukunst

Homepage der Architektenkammer NRW

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Fassade des Bürogebäudes am Hafen in Münster von Bolles + Wilson.

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‚Nähen in Düsseldorf‘, eine Deckeninstallation der ‚Dreihausfrauen‘ an der Kunstakademie Düsseldorf.

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Freuten sich über den Künstlerinnenpreis 2010 im Haus der Architekten (v.l.): Marlis Bredehorst (Staatssekretärin NRW-Emanzipationsministerium), Shidokt Shalapour, Defne Saylan, Prof. Julia Bolles-Wilson, Patricia Gola, Gerit Christinani (Vors. Frauenkulturbüro NRW) und Dr. Christian Schramm (Vizepräs. AKNW).

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Rund 150 Gäste besuchten die Vernissage zum ‚Künstlerinnenpreis 2010‘ im Haus der Architekten – Julia Bolles-Wilson im Publikum.

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Trägerinnen des Förderpreises (v.l.): Shidokt Shalapour, Defne Saylan und Patricia Gola von ‚Dreihausfrauen‘.