Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

„Ein Gespenst geht um in Europa“

BDA Montagsgespräch: Köln 21 – Gesellschaft und Planungskultur

Köln 21 – Gesellschaft und Planungskultur, so der Titel des letzten BDA Montagsgesprächs am 28.02. Welche Brisanz das Thema in Köln hat, wurde an der Anzahl der Zuhörern deutlich: Um die 90 Personen waren ins Domforum gekommen, darunter altbekannte Kölner „Architekten-Gesichter“, aber auch viele „normale“ Kölner Bürger zeigten, wie wichtig Ihnen diese Thematik ist.

Aufhänger des Abends …

war der Konflikt um „Stuttgart 21“. Das ambitionierte Stadtentwicklungskonzept stellt durch den Umbau der Bahnflächen enormes Entwicklungspotenzial zur Diskussion und steht somit im Fadenkreuz unterschiedlichster Interessen. Dieser Konflikt entlädt sich quer durch alle Bevölkerungsschichten mit höchster medialer Präsenz und bundesweiter Aufmerksamkeit.

Management und Moderation

Wie ist das denn bei uns in Köln? Gibt es ähnliche Streitigkeiten um Stadtentwicklungskonzepte und wie sollen wir damit umgehen? lautete eine der Fragen zu Beginn. „Management und Moderation werden zum wichtigsten Bestandteil in der Planung“, so Gert Lorber, stv. Vorsitzender des BDA Köln, in seiner Einführung. Das heißt: Die Stadt setzt zunehmend auf moderierte Verfahren und Runde Tische. Allerdings geschieht dies oft erst zu spät, wenn die Fronten bereits verhärtet sind, bereits Verbindlichkeiten gegenüber Investoren bestehen oder die Politik bereits entschieden hat.

Impulsvortrag

Um einige Beispiele aus der Praxis zu zeigen, hatte der BDA Frau Prof. Dr.-Ing. Tanja Siems der AA in London / Bergische Universität Wuppertal eingeladen. Sie sprach über “Mediating Urbanism – Städtebauliche Verhandlung als Designaufgabe“ und ihr Verständnis von Prozessabwicklung. Wie können Abläufe idealerweise aussehen? Gibt es Verfahren, die auch bei uns anwendbar sind? Tanja Siems zeigte Projekte aus Brüssel und London und sprach über die Schwierigkeiten, mit verschiedenen Parteien wie Bürgern, Politik und Verwaltung zusammen zu arbeiten. Oft konnte der Partizipationsprozess nur mit jahrelangen Workshops gelingen. Zusammenfassend sagte Siems: „Ein Projekt initiierte immer das nächste Projekt, so entstanden oft viele kleine Resultate neben dem großen – eigentlichen – Ziel.“

Die Diskussionsrunde

„Ein Gespenst geht um in Europa und das heißt Stuttgart 21, und alle haben nun Angst, dass es bei Ihnen so läuft wie in Stuttgart“, so Prof. Dr. Michael Koch der HafenCity Universität Hamburg und Moderator der anschließenden Diskussionsrunde. Seine Gäste waren Frank Deja der Bürgerinitiative „Köln kann auch anders“, Jürgen Klipper, CDU, Vorsitzender Stadtentwicklungsausschuss, Jürgen Minkus, Architekt BDA und Vorsitzender des Gestaltungsbeirates Köln sowie Bernd Streitberger, Dezernent für Planen und Bauen der Stadt Köln.

Schuldzuweisungen und Verbindlichkeiten

„Wie ist das denn in Köln – reden die Leute in der Verwaltung nicht miteinander?“ so Koch provokativ an Herrn Streitberger adressiert. Streitberger verneinte dies natürlich. Aber die Verwaltungsthematik gäbe es schon in so großen Verwaltungsapparaten. „Zuerst muss ich sagen: Bürgerbeteiligung und Qualitätssicherung ist nicht dasselbe. Und – es gibt auch keine Kochbücher für das ideale Prozessmanagement. Aber man braucht gewisse Leitlinien.“

Frank Deja griff dies auf. „Die Problematik ist, dass keiner weiß, wie ein solches Verfahren aussehen soll.“ Das Wichtigste sei allerdings, dass wieder Vertrauen geschaffen wird. Mit der seiner Aussage „ohne das Vertrauen der Bürger in die Politik ist alles hinfällig. Denn die Politik muss zeigen, dass Bürgerbeteiligung ernst gemeint ist“, erntete Deja Applaus unter den Zuhörern. Ganz so negativ sah Jürgen Klipper die Situation nicht: „In den letzten 10/15 Jahren gab es einen gewaltigen Bewusstseinswechsel.“ Als erstes gelungenes Beispiel sei hier die Schanzenstrasse zu nennen. Bevor man aber über Bürgerbeteiligung o.ä. Dinge diskutiert, solle man sich erst eine grundlegende Frage stellen: „Wie soll Köln im Jahr 2050 aussehen? Denn diese Frage kläre viele Probleme. „Was wollen wir sein? Hochschulstadt? Internationales Zentrum? Dienstleistungszentrum?“ Ohne diese Zielsetzung würde es immer wieder die selben Diskussionen geben. „Wie das dann gemacht wird, ist mir im Prinzip gleichgültig“, so Klipper.

Welche neuen Projekte mit Prozesscharakter gibt es denn in Köln? fragte Koch weiter. Bernd Streitberger fiel als erstes das Helios-Gelände ein. Hier werde ein „völlig anderes Verfahren“ angewandt. „In der letzten Bürgerversammlung zum Beispiel hatte ich über die Hälfte der Leute aus der Clubszene vor mir sitzen, alle über facebook zusammen getrommelt.“ Da müsse man natürlich ganz anders darauf reagieren. Es gehe in Köln aber nicht immer nur um die großen Projekte, sondern auch um die kleinen. Zudem müsse man unterscheiden zwischen der Qualität des Prozesses und der des Ergebnisses, so Streitberger.

Frank Deja der Bürgerinitiative „Köln kann auch anders“ brachte noch einen weiteren Punkt in die Diskussion ein: „Die Bürger haben zur Zeit eine Bringschuld, das heißt, sie müssen sich sachkundig machen.“ Denn ohne Eigeninitiative wisse man oft nicht, was überhaupt los sei in der Stadt. Er wünscht sich für die Zukunft mehr Verbindlichkeiten von seitens der Politik und einen besseren Informationsfluss für die Bürger.

Architekt Jürgen Minkus meint dazu, dass es oft an Zeit fehle, sich mit den Dingen konkret auseinander zu setzen.

Und was sagen die Kölner Bürger?

Nach der Expertenrunde öffnete die Diskussion sich auch für die Zuhörer. Und dann meldeten sich auch die Kölner Bürger zu Wort. Hier einige O-Töne:

„Ich wünsche mir mehr Kreativität für die Stadt! Es gibt so viele kreative Menschen hier.“ „Es ist zu viel Vertrauen in der Vergangenheit verloren gegangen.“

„Es passiert nichts hier. Das große Problem ist die Verbindlichkeit!“

„Wir haben eine Verwaltung, die taktiert und Dinge vorenthält. Und zudem ihre Haltung immer wieder verändert.“

Moderator Prof. Dr. Michael Koch schaute am Ende noch einmal nach vorn zu seinen Podiumsgästen: „Was wünschen Sie sich für die Zukunft?“ Für Jürgen Klipper stand fest: „Ich will Bürgerbeteiligung, und das schon vor dem eigentlichen Prozess. Und ich will mehr Wohnen in der Innenstadt. Und ich will endlich Entscheidungen für Projekte wie den Deutzer Hafen oder die FH!“

Bernd Streitberger wünschte sich „weniger Schuldzuweisungen“, „keinen Frontalunterricht mehr“ und überhaupt viele „offenere Diskussionen“.

Und was heißt das jetzt konkret? „Frau Siems, wie sehen Sie das denn als Außenstehende? Welchen Tipp geben Sie uns in der Stadt Köln?“ fragte Koch die Wahl-Londonerin. „Ich halte Zwischennutzungen für sehr wichtig. Damit lassen sich viele Probleme angehen.“

Ob sich damit das Gespenst verjagen lässt?

Natalie Bräuninger

Die Diskussionsrunde

Auf dem Podium saßen v.l.n.r. Frank Deja der Bürgerinitiative „Köln kann auch anders“, Jürgen Minkus, Architekt BDA und Vorsitzender des Gestaltungsbeirates Köln, Jürgen Klipper, CDU, Vorsitzender Stadtentwicklungsausschuss, Bernd Streitberger, Dezernent für Planen und Bauen der Stadt Köln sowie Prof. Dr. Michael Koch der HafenCity Universität Hamburg als Moderator.

Die Zuhörer

Um die 90 Zuhörer waren am 28.02.2011 zum Montagsgespräch ins Domforum gekommen.