Das Rautenstrauch-Joest-Museum hat den Rummel um den Neubau nutzen können, um sich mit der ersten Sonderausstellung „AFROPOLIS“ auch inhaltlich neu zu positionieren. Zeitgemäß, kunst- und medienaffin verknüpfen die Kuratoren der Ausstellung Kerstin Pinther, Larissa Förster und Christian Hanussek Kulturwissenschaft und Kunst und erzeugen dadurch fünf sehr individuelle und unmittelbare Städteporträts. Die Ausstellung trägt den sachlich knappen Untertitel „Stadt Medien Kunst“ – drei Begriffe, die in Kairo, Lagos, Nairobi, Kinshasa und Johannesburg nicht der europäischen Definition folgen wollen. Urbanität im Sinne von Afropolis ist nichts Statisches, sondern ein sich ständig selbst erneuerndes und interaktives soziales System, in dem die Kunstproduktion und die Medien eine zentrale Rolle spielen.
Zukunftsmodell „Afropolis“
Demzufolge passt keine der afrikanischen Megalopolen und Metropolen in unser europäisches Stadtbild, doch könnte ihr endloses unkontrolliertes Wachstum und ihre ständige Veränderung bald selbst zum urbanen Zukunftsmodell werden.
„Afropolis“ ist in Begriff, der in der neueren afrikanischen Stadtforschung verwendet wird, um die Besonderheiten und Gemeinsamkeiten der afrikanischen Metropolen heraus zu stellen. Daher trägt auch die Ausstellung diesen Titel. Nicht Stadtforscher, sondern afrikanische und europäische Künstler zeigen sehr individuelle Aspekte ihrer Stadt, wie Geschichte und Kolonialgeschichte, Klima, Topografie, Migration, sozialen Netzwerken und Visionen sie geprägt haben. Alle Medien werden verwendet: Film, Foto, Sound, Installationen aus Müll und detailgetreue Stadtmodelle in europäischer Perfektion und Strenge angeordnet, damit sich die Beiträge nicht vermischen und kein falscher Ton bis zur nächsten Installation herüber klingt. Jede Stadt wird kurz und sachlich porträtiert, doch den Schwerpunkt der Ausstellung bilden die 30 künstlerischen Beiträge mit ihren subjektiven und schlaglichtartigen Beiträgen.
Kairo
Die Megalopole Kairo hat durch die politischen Unruhen der letzten Zeit plötzlich weltweites mediales Interesse erlebt. Jahrzehntelang schien das Militärregime eine Ordnung vorzugeben, doch tatsächlich ist in und um Kairo ein ausuferndes Geflecht informeller Siedlungen entstanden, die weder geordnet noch kontrolliert sind. Die Niederländer Künstler Wouter Osterholt und Elke Uitentuis bauten ein Modell des Kairoer Stadtteils Antikhanes im Maßstab 1:35 um mit den Bewohnern über Bürgerbeteiligung in der Stadtentwicklung praktizieren. In der Ausstellung zeigt das Modell den Ist-Zustand: staubig, bunt und niemals fertig.
Lagos
Auch Lagos wird bestimmt von den informellen Strukturen der Stadt und ist seit Rem Koolhaas zum Medium zahlreicher urbanistischer Zukunftsmodelle geworden. Wie die Räume unter und zwischen den offiziellen Strukturen genutzt werden zeigt die Fotodokumentation „Under Brindge Life“ von Uche Okpa-Iroha.
Nairobi
Bis heute sind in Nairobi die Folgen der kolonialen Stadtplanung deutlich zu spüren. „Inselurbanismus“ nennt man das dichte Nebeneinander von Slums und wohlhabenden Vierteln, das deine besondere Dynamik in der Stadt erzeugt. Spürbar wird das in den Gerüchten und Gesprächen in den typischen Minibussen, die Sam Hopkins zu städtischen Mythologien erklärt hat und für seine Installation „Roomah“ gesammelt hat.
Kinshasa
Kinshasa wird als Stadt der Gegensätze dargestellt. Einst der Stolz der belgischen Kolonialherren wurde die Hauptstadt Léopoldsville noch ausführlich fotografisch dokumentiert. Heute dagegen ist die Stadt in einem so schlechten Zustand, dass das Fotografieren dort verboten ist. In der Ausstellung setzten Pume Bylex mit „Cité touristique“ und Méga Mingiedi mit großformatigen Kartografien und Panoramen die Idealstadtträume der ehemaligen Kolonie fort. Doch die Fotoserie „Les divas de la honte“ von Cédrick Nzolo zeichnet ein düsteres Stadtbild, das wegen des steten Mangels an Strom nur von kleinen Petroleumlampen punktuell erleuchtet wird.
Johannesburg
Mit nur 4 Millionen Einwohnern ist Johannesburg die kleinste der vorgestellten Städte. Auch hier musste eine koloniale Vergangenheit bewältigt werden, aber inzwischen ist die Stadt zu einer kosmopoliten afrikanischen Metropole herangewachsen. Doch die Apartheit spaltet die Stadt, macht sie zur „Itchy city“, wie es ein Gedicht von Kgafela oa Magogodi bezeichnet. Die Filmemacherin Jyoti Mistry schnitt eine Live-Performance des Autors für die Ausstellung mit düsteren Ansichten der Stadt zusammen und zeichnet damit ein eindrucksvolles Bild dieser rauen, kratzigen und unbequemen Stadt.
Die Ausstellung „Afropolis“ füttert den urbanen Diskurs mit Kunst und Kultur aus den afrikanischen Metropolen. Klagen werden in der Ausstellung nicht als Klagen formuliert, und konsequenterweise werden auch keine Lösungen angeboten. Aber das wird dann irgendwann der nächste Schritt sein.
Uta Winterhager
Innovative künstlerische und kulturwissenschaftliche Perspektiven auf Metropolen Afrikas: Kairo, Lagos, Nairobi, Kinshasa, Johannesburg.
noch bis zum 13.03.2011
Rautenstrauch Joest Museum
Cäcilienstraße 29-33
50676 Köln