Die Stadtkonservatorin Dr. Renate Kaymer gab einen Werkstattbericht.
Der ehemalige Hauptsitz des Gerling-Konzerns im Friesenviertel wird neu genutzt, mit Wohnungen, Büros und ein bisschen Gastronomie und Geschäften. Diese gemischte Nutzungsstruktur war von der Stadt gewünscht, gab es in dem Bereich doch schon lange genug eine tote Monostruktur. Der neue Eigentümer hingegen, die Frankonia Eurobau AG, wünschte sich mehr Fläche – so einigte man sich auf eine Nachverdichtung. Ein Problem aber beschäftigt beide gemeinsam: der Denkmalschutz. Hier müssen Kompromisse zwischen den Interessen der Stadtkonservatorin und dem Investor gefunden werden. Das Amt für Denkmalschutz und Denkmalpflege hat den Planungsprozess intensiv begleitet, Fassaden und Grundrisse wurden inklusive kleinster Details erfasst und individuelle Lösungen gesucht – doch die Planungen sind noch nicht abgeschlossen und nicht für alle Bereiche Lösungen gefunden.
Keine Alternative zu Abriss
Im nördlichen Quartier hat der erste Bauabschnitt bereits begonnen, unter anderem mit dem Abriss des rechten Flügelbaus des Hochhauses. Schweren Herzens hat man sich dazu entschieden das Gebäude abzureißen und nach dem Vorbild des linken Flügelbaus zu rekonstruieren. Bei einer Weiternutzung des Gebäudes hätten sich lediglich lichte Raumhöhen von zwei Metern ergeben und eine Decke zu entfernen war aus statischen Gründen nicht möglich.
Statische Probleme gibt es auch im Hochhaus selbst. Um das Foyer erhalten zu können müssen die Wandplatten abgenommen werden, dahinter wird statisch ertüchtigt und danach werden die Wandplatten wieder aufgebracht. Der Erhalt der Originalbauteile ist nicht nur für den Denkmalschutz wichtig, er trägt auch zur „Adressbildung“ bei – gerade die Originalausstattung, Marmorplatten, Lampen, Uhren, aufwändige Handläufe, machen die ehemaligen Gerling-Gebäude so besonders, deshalb sollen sie weitergenutzt werden. Prägende Elemente werden also erhalten, Standard-Einbauten, wie Bürospinde, können aber entfernt werden.
Problem Barrierefreiheit
Nicht immer jedoch ist die Weiternutzung in Einklang zu bringen mit den heutigen Anforderungen, zum Beispiel an Barrierefreiheit. Im Hochhaus wurden in den 1950er Jahren zwar Aufzüge eingebaut, an Rollstuhlfahrer wurde dabei aber nicht gedacht. So werden die drei vorhandenen Aufzüge durch zwei ersetzt, ein auch für Rollstuhlfahrer ausreichend bemessener und ein kleiner, angepasst an die bisherige Größe. In einem anderen Foyer stellt ein Niveausprung mit nur wenigen Treppenstufen ein Hindernis dar. Um auch hier Barrierefreiheit zu gewährleisten, aber dennoch den harmonischen Gesamteindruck nicht zu stören, wird eine barrierefreie Zuwegung durch die ehemalige Pförtnerloge gelegt: In die Wandplatten wird eine Tür integriert, in der Pförtnerloge liegt ein Plattformlift, so dass ein Rollstuhlfahrer die Pförtnerloge auf der gegenüberliegenden, höheren Seite wieder verlassen kann. Bei all diesen – höchst individuellen Lösungen – soll Wert darauf gelegt werden, die neuen Einbauten an die alten Materialien anzupassen, sie jedoch so zu gestalten, dass sie als neu erkennbar sind.
Fassadenerhaltung und Wärmeschutz
Die Eingänge zu den einzelnen Gebäuden waren aufgrund der Nutzung durch eine einzige Firma sehr zentral angelegt – eine Anordnung die aufgebrochen werden muss um verschiedene und kleinteilige Nutzung zu ermöglichen. Dies kann zum Beispiel durch Wegnahme von Brüstungen im Erdgeschoss geschehen, so dass bisherige Fensterflächen zu Türflächen werden. Eine Änderung, die bei späterer Betrachtung kaum noch auffallen wird. Größere Änderungen an der Fassade sollte es ursprünglich dort geben, wo Wohnungen geplant waren: Balkone oder Loggien waren der Wunsch von Frankonia Eurobau. Ein Plan, der wohl vom Tisch ist – lediglich eine einzige Loggia soll im gesamten Altbestand eingebracht werden. Und auch die Geländer der neu entstehenden Dachterrassen werden so weit zurückgesetzt, dass sie von unten nicht zu sehen sind.
Trotzdem wird an den Fassaden viel gearbeitet: Die Stahlanker, mit denen die Natursteinplatten befestigt sind, rosten. Deshalb müssen alle Fassadenelemente abgenommen und neu befestigt werden. Dies bietet gleichzeitig die Möglichkeit, Kältebrücken zu beseitigen und Wärmedämmung aufzubringen ohne mit Innendämmung arbeiten zu müssen. Der Gesamteindruck der Fassade soll dadurch aber nicht verändert werden, alle Proportionen bleiben erhalten und das Gebäude „wächst“ um maximal neun Zentimeter nach außen.
Vera Lisakowski
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Informationen zum Bauvorhaben
1 Kommentar
Toll, das der Denkmalschutz sich einsetzt und die Wünsche vom Träger umgesetzt werden.
Schade das man sich die Gebäude nicht einmal ansehen oder auch von innen besichtigen kann.