Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Die „Japanische IBA“

Architekturpark Kumamoto: Eine Ausstellung im Japanischen Kulturinstitut

Als der japanische Gouverneur Morihiro die IBA in Berlin besuchte:

Was soll man schon von Berichten erwarten, die damit beginnen, dass eine wichtige Person ein wichtiges Ereignis beehrte? Journalistische Alltagskost. Hier aber ist es doch anders. Denn der Besuch hatte Folgen, und zwar in Form eines Freilichtmuseums für zeitgenössische Architektur, das eine ganze Region umfasst.

Hosokawa Morihiro, Gouverneur der Präfektur Kumamoto im Süden Japans, besichtigt 1987 die IBA in Berlin. Und beschließt daraufhin, japanisches Konsensdenken mal komplett beiseite zu lassen und zusammen mit dem Architekten Arata Isozaki (Berliner Volksbank, Potsdamer Platz) in seiner Präfektur Kumamoto, eine Region knapp dreimal so groß wie das Saarland, ein ähnliches Projekt zu wagen.

„Um gute Architektur zu schaffen, ist es notwendig, zuerst gute Architekten auszuwählen. Verschiedene Auswahlmethoden wurden in der Vergangenheit getestet, aber bei Artpolis haben wir entschieden, sie in der Hand des Kommissars zu lassen. Dies ist wahrscheinlich die hervorstechendste Eigenschaft von Artpolis, denn es ist eine in Japan höchst ungewöhnliche Methode“ (aus dem Begleitheft der Ausstellung). Nicht nur in Japan, leider.

Ein mit der zeitgenössischen Architekturszene vertrauter Architekt wird zum commissioner („Kommissar“) ernannt und wählt junge Architekten aus, die die Bauvorhaben im Verwaltungsbezirk umsetzen. Während einer Amtsperiode kann jeder commissioner jeden einzelnen Architekten nur einmal empfehlen. Auf Isozaki folgte Teiichi Takahashi als commissioner, seit 2005 ist Toyo Ito im Amt (Torres Porta Fira, Barcelona; TOD‘S Niederlassung in Tokyo).

Regionale Talentsuche

Unter Isozakis Amtsführung oblag der Ausführungsbeschluss noch den Kommunalverwaltungen, doch seit seiner Ablösung im Jahr 1998 strebt man nach einem bürgernäheren Entscheidungsprozess. Während in den Anfangsjahren die internationale Wirkung und Ausrichtung im Vordergrund stand, ist in der jetzigen Phase die Frage in den Fokus gerückt, wie die Architektur jenseits touristischer Aspekte zur Weiterentwicklung der Region beitragen kann, beispielsweise indem sie die Nachwuchspflege beim traditionellen Handwerk, der Holzverarbeitung, fördert. Auch werden bei der Architektenauswahl vermehrt junge Talente aus der Region herangezogen.

Seit 1988 sind in Kumamoto fast 100 Projekte entstanden, viele davon auf dem Gebiet der Landschaftsarchitektur. Den Nicht-Japan-Kenner verblüfft angesichts der Vielzahl an öffentlichen Toilettenanlagen, die in der Ausstellung gezeigt wird, die Bedeutung, die dieser Bauaufgabe offensichtlich eingeräumt wird. Nach dem Rundgang durch die Ausstellung, die 73 Projekte vorstellt, möchte man gleich die dazugehörige Architekturexkursion buchen, zumal die waldreiche Region im warmen Süden Japans mit ihrer langen Küstenlinie sich auch sonst bestimmt gut bereisen lässt.

Aber Kumamoto Artpolis ist publizistisch bisher sehr zurückhaltend aufgetreten, es gibt gerade mal gut 2000 Google-hits und sonst wenig Begleit-Tamtam. Die Ausstellung im Japanischen Kulturinstitut, die an insgesamt drei deutschen Standorten gezeigt wird, ist eine der ersten Gelegenheiten, die „japanische IBA“ kennenzulernen. Man muss sich also auf eigene Faust aufmachen. Da hat man dann auch genug Muße, die „Geräuschprinzessinnen“ kennenzulernen, Geräte, die das Rauschen der Wasserspülung nachahmen. Wozu? Nun, vielen Japanerinnen ist der Gedanke unangenehm, bei der Toilettenbenutzung gehört zu werden. Ein Hoch auf die Dezenz!

Ira Scheibe

Die Ausstellung kann noch bis zum 26.11.2010 besucht werden.

Bis Fr. 01.10.2010: 9 – 13 und 14 – 21 Uhr

ab 04.10.2010 Mo. – Fr.: 9 – 13 und 14 – 17 Uhr

Ort: Japanisches Kulturinstitut

Adresse: Universitätsstraße 98

50674 Köln, Germany

ZUr Internetseite des Japanisches Kulturinstitut

Reihoku Community Hall von Abe Hitoshi und Onada Yasuaki

Foto: Japanische Kulturinstitut

Mamihara Bridge von Aoki Jun

Foto: Japanische Kulturinstitut

Public Housing: Obiyama ‚A‘ Sozialwohnungen von Shimon Niino

Foto: Ira Scheibe

TOTO Aquapit Aso Public Toilet, Yasufumi Kijima;

Öffentliche Toilette in einem Nationalpark

Foto: Ira Scheibe