Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Mord in St. Alban

Der schottische König stirbt in St. Alban. Täglich, noch bis zum 19. September beim Hörparcours ‚Macbeth in den Städten‘.

Das Schlachtfeld ist im Parkhaus unter dem Dom. Der verwundete Krieger berichtet von der Heldentat des Macbeth: Er hat den Rebellen Macdonwald aufgeschlitzt und den Kopf auf die Zinnen gesteckt. Der schottische König Duncan ist begeistert, hatte Macdonwald doch mit dem norwegischen König paktiert. Plötzlich – eine Frauenstimme auf dem Schlachtfeld: Man solle zwischen den parkenden Autos hindurch zum anderen Ende der Parkebene gehen.

Macbeth als Hörstück

Mit einem MP3-Player und Kopfhörern wird der Zuschauer – oder vielmehr Zuhörer – von „Macbeth in den Städten“ ausgestattet und von einer Stimme durch die Stadt geleitet. Während man geht oder nach Anweisung an bestimmten Orten stehen bleibt, wird das von Schauspielern gesprochene Shakespeare-Drama eingespielt. Die ausgewählten Plätze sollen dabei die Handlung des Stücks verstärken, wie auch die Handlung die Plätze in ihrer Charakteristik hervorheben soll.

Das funktioniert an einigen Orten wunderbar, so sicher an der eindrucksvollsten Stelle des Hörparcours: Nachdem man eine Weile durch das Gitter an Alt St. Alban geblickt hat, öffnet sich das Tor wie von Geisterhand und man kann in die normalerweise geschlossene Ruine eintreten. Dort ermordet Macbeth den schottischen König Duncan. Es entsteht an diesem Ort des Gedenkens eine ganz besondere Stimmung, wenn die am Mord beteiligte Lady Macbeth dann bekennt: „Meine Hände sind blutig wie die deinen; doch ich schäme mich, dass mein Herz so weiß ist.“ Die Stimme aus dem Kopfhörer aber treibt unermüdlich weiter – in dem Chaos, das nach dem Mord am rechtmäßigen Throninhaber entsteht, drängt sie, die Kirche rasch zu verlassen.

Sehen vs. Hören

Ein bisschen Ruhe hätte nach dieser packenden Szene gut getan, doch die Handlung wird vorangetrieben, wie die Schritte des Zuhörers. Visuelle Eindrücke konkurrieren mit dem Gehörten, das Stück vermengt sich mit den Wegbeschreibungen. „Wir wollen zu dem Turm dort hinten“, sagt die Stimme. Was meint sie? Warum sagt sie nicht Rathausturm, fragt sich der Einheimische. Es geht vorbei an den Ausgrabungen des mittelalterlichen jüdischen Viertels, irgendetwas ist von Durcheinander zu hören, dabei liegen die ausgegrabenen Steine doch so ordentlich aufgeschichtet hinter dem Zaun. „Wir gehen geradeaus durch die Bögen“, sagt die Stimme. Nein, bestimmt nicht. Da feiern vier Hochzeitsgesellschaften mit Sekt, Luftballons und Blumen.

Hexenküche im Rheinpark

Ruhiger wird es erst wieder beim Blick auf den Rhein und der Ankündigung „Wir müssen auf die andere Seite“. Doch auch der Weg über die Hohenzollernbrücke ist zu spannend, um sich auf Macbeth zu konzentrieren: Fast der ganze Zaun ist inzwischen mit Schlössern verhangen und unter der Brücke auf der anderen Rheinseite gibt es einen Michael-Jackson-Schrein. Auf dem Weg in den Rheinpark finden Stück und Ort wieder zusammen – in einem Unort: Der Durchgang unter den Rheinterrassen wird zur Grotte mit der Hexenküche wo Krähenhirn und Bilsenkraut in zischenden Kesseln zubereitet werden. Die beiden letzten Akte finden im Rheinpark statt, mit einem Finale vor großer Kulisse: Macbeth stirbt in der Seilbahn.

Ein perfekt getimter, anderthalbstündiger Spaziergang, der die Stadt völlig neu erleben lässt, den Blick auf bislang ungesehene Räume und winzige Details lenkt. Das Stück aber, dieser großartige und witzige Shakespeare-Text, geht irgendwo in den Straßen Kölns verloren. Zu viele Personen, die nur über Stimmen kaum zuzuordnen sind, dazu noch in dieser stark gekürzten, auf Spazierganglänge angepassten Fassung. Um im Kampf zwischen Augen und Ohren nicht verloren zu gehen, wäre für diese neuartige Form der Stadtführung ein eigens geschriebenes, ortsspezifisches Stück sicher die bessere Wahl gewesen.

Vera Lisakowski

Macbeth in den Städten

10.-19.9.2010, jeweils ab 10 Uhr

18 Euro, 15 Euro ermäßigt

Individuell begehbar, Startpunkt:

Service Center KölnTourismus

Kardinal-Höffner-Platz 1

50667 Köln

shakespeare parkhaus

Das Schlachtfeld im Parkhaus unter dem Dom.

shakespeare alban

Szene des Mordes am schottischen König: Alt St. Alban.

shakespeare schloesser

Die Schlösser der Verliebten an der Hohenzollernbrücke.

shakespeare terrasse

Hier wird der Hexentrank gebraut: Die ‚Grotte‘ unter den Rheinterrassen.

shakespeare seilbahn

Panorama-Finale in der Seilbahn.

Alle Fotos: Vera Lisakowski