Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

»Unendliche Trauer«

Ein Plädoyer gegen die Zerstörung von Zeugnissen der für Köln prägenden Architektur der 50er und 60er Jahre.

Am 13. April entscheidet der Stadrrat in einer Sondersitzung über die Zukunft des Schauspielhauses und ob ein Bürgerbegehren am 11. Juni die Kölner Bürger zur Urne ruft.

koelnarchitektur.de zeigt zwei mögliche Sichtweisen auf das Thema. Der erste Kommentar stammt von der ehemaligen Kölner Stadtkonservatorin Prof. Dr. Hiltrud Kier zum geplanten Abriss des Kölner Schauspielhauses.

Zunächst einmal ist die beschlossene Sanierung des Opernhauses uneingeschränkt zu be¬grüßen. Bereits jetzt ist das Haus im Inneren wieder voll erlebbar, nachdem das schöne Foyer von den störenden Einbauten befreit wurde. So wird allen bewusst, warum dieser Bau zusammen mit Werner Ruhnaus Gelsenkirchener Theater als der beste Theaterbau Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg gilt.

Ruhnaus Theater wurde rechtzeitig zum Europäischen Kulturstadtjahr 2010 glänzend restauriert und auch die Kölner Oper wird endlich instand gesetzt. Übrigens: Vor mehr als zwanzig Jahren wurde die Renovierung schon als dringend empfunden und dafür umgerechnet etwa 50 Millionen Euro berechnet.

In die Freude über diese Renovierung und grundsätzliche Rettung des Opernhauses, das lange vom Abbruch bedroht schien, mischt sich allerdings die unendliche Trauer über den geplanten Abriss des Schauspielhauses und der Opernterrassen.

Wie städtebaulich sensibel und qualitätvoll das gesamte Ensemble von großem Opernhaus, kleinerem Schauspielhaus und niedrigen Opernterrassen mit den beiden Plätzen entworfen und gestaltet ist, hat Peter Zumthor, Architekt des Museum Kolumba, sehr eindrucksvoll in seinem Beitrag zur Aktion »Liebe Deine Stadt« von Merlin Bauer formuliert. Zumthor hat ganz klar – trotz all der Vernachlässigung dieser Bauten – die Qualität der Architektur von Wilhelm Riphahn und Hans Menne gesehen.Insbesondere auch die subtile Abstufung der Größenverhältnisse und die städtebauliche Qualität des gesamten Opernquartiers.

Um für den Abbruch des Schauspielhauses eine Mehrheit zu bekommen, wurde und wird ständig von »Hinterhof-Situation« geredet. Damit kann allerdings wohl nur der Gammelzun stand des Platzes gemeint sein, den die an die Seite gerückte Plastik »Sappho« von Antoine Bourdelle seit langem nur noch betrau¬ern kann: zerbrochene Bodenplatten, die Aufstellung von Müllcontainern, das Parken von Autos.

Der an Stelle der filigranen Opernterrassen jetzt geplante völlig überdimensionierte Neu¬bau am Offenbachplatz vermittelt in dem bisher gezeigten Modell nur eine städtebauliche Horrorvison. Und er wirft unter anderem die Frage auf, wie es denn mit dem von der Stadt eigentlich beschlossenen Höhenkonzept aussieht und ob dies nicht auch als Einstieg in eine Höherzonung des gesamten übrigen Bereiches gedacht ist, in dem dann das ursprünglich als Dominante gedachte Opernhaus versinken wird.

Köln hatte seit den 20er Jahren Straßendurchbrüche angedacht, die durch konkrete Pla¬nungen der 30er und 40er Jahre und dann durch den Neuaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg nicht immer optimal verwirklicht wurden. Der schönste Platz dieses Neuaufbaus von Köln ist der Offenbachplatz. Ganz bewusst im Zentrum der Stadt entstand ein neuer Theaterkomplex mit Opernhaus und Restaurant Opernterrassen (1954 -1957) sowie Schauspielhaus (1960 -1962) nach Entwürfen von Riphahn und Menne.

Die klare kubische Erscheinungsform mit gezielt eingesetzten zarten Schmuckelementen kennzeichnet insbe¬sondere das Opernhaus, dessen Baumassen durch markante Abschrägung der Turmaufbauten aufgelockert werden. Die im rechten Winkel zum Opernhaus stehenden Opernterrassen scheinen bewusst so angeordnet, dass die Gäste den freien Blick auf die Nord-Süd-Fahrt haben und, wie schon beim alten Opern-Café am Habsburgerring/Ecke Aachener Straße so sehr beliebt, den Autoverkehr beobachten kön¬nen. Riphahn hat zu Recht ausdrücklich dafür plädiert, dass die Nord-Süd-Fahrt an dieser Stelle oberirdisch verläuft und nicht, wie nördlich und südlich anschließend, untertunnelt wird. Teil des Offenbachplatzes ist auch das gegenüberliegende Geschäfts- und Wohnhaus von Wilhelm Riphahn.

Das gesamte Ensemble von Opernhaus, Opernterrassen, Schauspielhaus sowie Wohn- und Geschäftshaus wurde bereits in den 80er Jahren unter Denkmalschutz gestellt. Nach NRW-Denkmalschutzgesetz geschieht dies durch Unterschutzstellung der einzelnen Bauten, wobei in den Begründungen jeweils auf den Zusam¬menhang hingewiesen wird. Eine Ensemble-Unterschutzstellung kennt das Gesetz leider nicht.

Dr. Hiltrud Kier

Der Kommentar von Dr. Hiltrud Kier erschien erstmals in der StadtRevue SR 2/2010