Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Die Eule der Minerva beginnt erst in der Dämmerung ihren Flug

Das BDA Montagsgespräch am 22.03.2010 widmete sich erneut dem Thema Schauspielhaus.

Dem oft gehörten Vorwurf, die Bürgerinitiative sei arg spät dran, begegnete Thomas Luczak diesmal mit Hegel und dessen Eule der Minerva. Doch ansonsten bot der Abend zu den baulichen Details für die Neuerrichtung und die Sanierung des Schauspielhauses den erwarteten allzu irdischen Schlamassel.

Um Vertrauen geworben

Für Jürgen Steffens von JSWD Architekten, der die Ergebnisse von 120.000 Arbeitsstunden präsentierte, ist das Schauspiel das „wichtigste Gebäude in dieser Stadt.“ Neu für diejenigen, die das Thema regelmäßig verfolgen, war die Präsentation des vertikalen Foyers an der Nordost-Flanke des Hauses, das mit mehreren Bars bestückt ist und Domblicke bietet. An den vorhangähnlichen gläsernen Stabelementen, die die Gebäudehülle bilden sollen, wird noch experimentiert. Der gestalterische Leitfaden ist der der größtmöglichen Transparenz von außen nach innen und von innen nach außen: „Wir nehmen die Stadt in das Gebäude mit hinein.“ Steffens bat die Zuhörer darauf zu vertrauen, dass eine qualitätvolle Architektur entwickelt wird.

Eine Null weniger in Wuppertal

Frank Meidrodt vom Gebäudemanagement der Stadt Wuppertal stellte vor, wie die armen Verwandten in der Provinz mit dem Problem maroder Theaterbauten umgingen. Das Opernhaus wurde mit 25 Millionen Euro grundsaniert, für das Schauspielhaus sind noch einmal 7 Millionen veranschlagt. Während Finanzierungsfreigaben bei der Stadtverwaltung „in 10.000 Euro-Schritten“ eingeholt werden mussten, konnten durch Spenden Teile und Funktionalitäten verwirklicht werden, die ursprünglich nur als Vorrüstung oder für eine spätere Umsetzung vorgesehen waren.

„Opernsanierung wie geplant“

Wegen der „veränderten Geschäftslage“ sehen sich die Vertreter des Bürgerbegehrens „Mut zur Kultur“ legitimiert, die aktuelle Planungslage in Frage zu stellen: „Kein Geld heißt kein Geld,“ so Thomas Luczak, der das mit dem Büro Ziller aus München in Eigeninitiative erarbeitete Sanierungsszenarium vorstellte. Erarbeitet wurden Pläne für eine mögliche gemeinsame Anlieferung beider Häuser und eine Verkleinerung des Zuschauerraumes. Die wichtigste neue These hierbei: auch bei einer Sanierung des Schauspielhauses bleibe die bisher geplante Opernhaussanierung durchführbar. JSWD hatte keine Gelegenheit, das zu kommentieren – genauso wenig die Frage, inwieweit die von Luczak vorgenommenen und vorgestellten Simulationen des Planentwurfs korrekt sind.

Nach jeder Dämmerung ein neuer Tag

Die Podiumsdiskussion zwischen Philippe Chaix vom Atelier d’architecture Chaix & Morel et associés, Georg Quander, Bernd Streitberger, Thomas Luczak und Walter Thiess verdeutlichte noch einmal, dass beide Seiten gute Argumente haben. Um zu klären, wie viele Aufzüge im Neubau geplant sind, hätte man Philippe Chaix allerdings nicht aus Paris anreisen lassen müssen. Dieser ignorierte denn auch charmant die Frage der Moderatorin, um zu unterstreichen, was ihm am Herzen liegt: „dass Köln das beste Schauspielhaus bekommt, das es verdient.“ Man habe vor allem so wenig öffentlichen Raum verbauen wollen wie möglich. Streitberger machte klar, dass er in dem sanierten Komplex keine Nachteile gegenüber einem Neubau sehe: „Aber es ist eben ein ganz anderes Angebot. Eine Sanierung im Bestand geht nur völlig ohne funktionale Verbesserung. Das beschlossene Raumprogramm ist damit im Bestand nicht zu realisiere.“ Quander unterstrich, dass ein Ratsauftrag für Neuplanungen nötig ist, will man die geforderte „Waffengleichheit“ herstellen und für das Bürgerbegehren ein stichhaltiges Sanierungskonzept erstellen.

Um auf die Eule Minervas zurückzukommen, bei Hegel steht sie für die Philosophie, die zwar sehr weise ist, aber immer erst dann Erklärungen finden kann, wenn alles schon vorbei ist. Hoffen wir, dass sich noch irgendein tagaktiveres Symboltier der Sache annimmt. In einer Sondersitzung am 13. April will die Stadt über das Bürgerbegehren «Rettet das Schauspielhaus» beraten.

Ira Scheibe

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Planungen mit rotem Stift am Offenbachplatz

Weiterführende Links

Internetseite des Wettbewerbs:

Architektonischer Realisierungswettbewerb

Bühnen Köln am Offenbachplatz

Internetseite der Initiative

Mut zur Kultur

Internetseite der Kölner Oper

Stellungnahme der Opernintendanz und der Projektleitung Bühnen

Internetseite des Kölner Schauspiels

Offener Brief von Karin Beier

Internetseite der Initiative „Wir wollen unsere Schauspielhaus behalten“

Ihr seid Künstler und wir nicht!

Internetseite

JSWD Architekten

Vertikale Streifen, die an Vorhänge erinnern, strukturieren die Fassade. Dahinter sind die öffentlichen Bereiche verglast. Das Rendering zeigt das vertikal organisierte Foyer an der Nordost-Seite des Hauses, das mit mehreren Bars bestückt ist und Blickbeziehungen zur Stadt öffnet.

Grafik: JSWD Architekten (Köln) und Chaix & Morel et associées (Paris)

JSWD/ Chaix & Morel et associés hatten sich als einzige Wettbewerbsteilenehmer für eine kompakte Bauweise entschieden, die den öffentlichen Raum maximal schont. Hier der Blick aus der Krebsgasse.

Grafik: JSWD Architekten (Köln) und Chaix & Morel et associées (Paris)

2 Kommentare

Nanu, Zensur? Wer entfernt denn die Kommentare? Da fühlt sich wohl jemand auf den Schlips getreten!?

Angesichts der durch den KstA und die Bürgerinitiative dominierte Stimmung gegen den Neubau möchten wir einen gemeinsamen Brief an den KStAA und ggf weitere Aktionen anregen,
bitte unterstützen Sie mit Ihrer Unterschrift/Beiträgen, provisorische Homepage:
https://schauspielhaus.de.tl