Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Wer plant wie Rumpelstilzchen?

Was der Vorsatz ‚heute back ich, morgen brau ich, übermorgen hol ich der Königin ihr Kind‘ mit komplexen Planungsprozessen zu tun hat, erläuterte der Psychologe Dietrich Dörner i…

„Dass Köln eine Architekturstadt ist, wusste ich noch gar nicht – die Stadt Köln ist in letzter Zeit ja nicht durch Architektur aufgefallen, sondern eher durch das Gegenteil davon“, stichelt Dietrich Dörner gleich zu Beginn seines Vortrags mit Blick auf den Untertitel von koelnarchitektur.de, die die Veranstaltungsreihe „Wissenswerte“ von BOS Köln und Steelcase unterstützen. Und obwohl der Titel seines Vortrags „Die Logik des Misslingens“ in manchen Fällen auch auf die Architektur in Köln bezogen werden könnte, geht es Dörner doch ganz allgemein um das „Management von Komplexität“, er zeigt Mechanismen auf, die in komplexen Handlungsabläufen immer wieder zum Scheitern führen.

Wie komplex ist eine Matratze?

Dörner beginnt aber simpel: mit einer Federkernmatratze. Sie sei ein komplexes System, erklärt er, wenn auch eines der einfachen Sorte. Keine der Federn in der Matratze kann einzeln bewegt werden, genauso wenig, wie jemand in echten komplexen Systemen isoliert handeln kann. Reale Systeme hätten allerdings deutlich mehr Variablen als die Federkernmatratze Federn. Zudem würde sich in der Realität eine Eigendynamik entwickeln und die Auswirkungen des Handelns würden nicht so schnell sichtbar wie beim Zusammendrücken einer Feder. „Ein reales komplexes System muss man sich also als riesige Sprungfedermatratze mit eigendynamischen Federn vorstellen – und das im Nebel“, fasst Dietrich Dörner zusammen.

Wer rettet die Schokoladenfabrik?

Solche Systeme zu beherrschen, fällt den meisten Menschen schwer, vor allem, weil komplexe Systeme lange Leerlaufzeiten haben. „Die Leute lieben es, wenn ein schneller Erfolg sichtbar wird, wie beim Drücken eines Lichtschalters“, erklärt Dörner. Handlungsweisen wie diese erforscht der Professor Emeritus der Otto-Friedrich-Universität Bamberg in Experimenten mit Simulationssoftware. Die Probanden müssen eine Schokoladenfabrik in Wien vor der Pleite retten, Waldbrände in Schweden bekämpfen oder einem afrikanischen Stamm Entwicklungshilfe leisten. Dabei will er herausfinden, wie kontrolliert Menschen ihre Ziele bestimmen, Informationen sammeln und Prognosen erstellen. „Die Leute lieben es, unkontrolliert zu handeln“, fasst Dörner seine Untersuchungen kurz zusammen, „es ist schön, wenn man die Effekte seines Handelns nicht wahrnimmt. Das weiß jeder Politiker.“

Was plant Rumpelstilzchen?

Dabei wird auch vermieden, auf sich ändernde Bedingungen einzugehen, oder von vorneherein Variablen einzuplanen. Das bezeichnet Dörner als „Rumpelstilzchenplanung“: „Heute back ich, morgen brau ich, übermorgen hol ich der Königin ihr Kind“ sei eine lineare Planung, bei der Rumpelstilzchen davon ausgeht, auf jeden Fall den letzten Schritt ausführen zu können, auch wenn vielleicht der Ofen besetzt sein sollte und er gar nicht dazu kommt, zu backen. Dörner überträgt dieses Modell auch auf spektakuläres Scheitern in der Realität: „Die Wirtschaftskrise ist eine gigantische Rumpelstilzchenplanung“, stellt er fest, „man kontrolliert nichts mehr, weil ja alles gut läuft.“

Wem helfen Dumme?

Und das ist auch einer der Hauptgründe für das Scheitern: „Methodismus“ nennt Dörner die Verhaltensweise bei der man immer das weiter macht, was in der Vergangenheit erfolgreich war, ohne auf sich eventuell verändernde Bedingungen einzugehen. Den anderen Hauptgrund sieht er in der „Affirmativen Wahrnehmung“, bei der man sich als Informationsgrundlage nur Tatsachen zusammenträgt, die in das eigene Weltbild passen oder die geplante Handlung bestätigen. Bei dieser Art der Informationssammlung helfen dumme Mitarbeiter: „Sie werden von Leitern ohne Selbstvertrauen bevorzugt“, so Dörner, „das gibt den etwas Klügeren das Gefühl der Überlegenheit.“

Wie ist die Lösung?

Ein Patentrezept für Problemlösungen in komplexen Systemen hat aber auch der Wissenschaftler nicht. „Man muss jedes Problem anders angehen“, fordert er die Zuhörer auf – und desillusioniert: „Denken macht nur Spaß, wenn man Sudoku spielt. Da gibt es eine Lösung und die findet man auch.“

Und wenn man in komplexen Systemen die Lösung nicht findet? Scheitert? Da wartet der Psychologe mit positivem Denken und einer gehörigen Portion Sarkasmus auf und kommentiert: „In Baugruben rutschende Gebäude sind ja auch eine Art von Nachwuchsförderung.“

Vera Lisakowski

Der Vortrag von Prof. Psychologe Dietrich Dörner fand im Rahmen der BOS und Steelcase Veranstaltungsreihe WISSENS WERTE Impulse für neugierige Architekten und Planer statt.

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Der Psychologe Dietrich Dörner.

2 Kommentare

Das war ein guter und anregender Vortrag, das Buch ist für Planer jeder Art sehr zu empfehlen – und zeigt, dass es kein Patentrezept gibt. Man muss sich eben immer wieder neu den Komplexitäten stellen und immer wieder neue Wege finden. Doch gibt Dörner schon Hinweise, wie diese immer neuen Wege zu finden sind. Da kann man ja nur gespannt sein, ob Prof. Grigerenzer mit den Bauchentscheidungen einen Beitrag leisten kann – meines Erachtens widersprechen sich die beiden Wissenschaftler – aber wir werden ja im Herbst sehen und hören.

Danke für diese gute Initiative.

Sehr schön, wie Prof.Dörner aufgezeigt hat, wie wir Menschen denken und planen. Gut, wenn man daraus lernt sowohl bei wichtigen Entscheidungen auch mal quer zu denken und vor allem Querdenker als wertvolle Zeitgenossen schätzen zu lernen und nicht als „Querulanten“ abzustempeln.