Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Ausdrucksmittel Zeichenstift

Gottfried Böhm zum 90. Geburtstag

Als Böhm in einem Interview 2007 nach seinem Rat für junge Architekten gefragt wurde, fiel die Antwort recht lakonisch aus: „Gute Architektur machen.“ Das ist ihm selbst in den über 60 Jahren seines Schaffens als Architekt auch meistens gelungen. 1986 erhielt er als bisher einziger Deutsche den Pritzker Preis.

„Als Sohn, Enkel, Ehemann und Vater von Architekten hat Gottfried Böhm gute Gründe, das Befruchtende traditioneller Wege und Mittel in der Architektur wie auch in jeder Kunst anzuerkennen“, hieß es in der Laudatio. Schon der Großvater besaß ein Baugeschäft, der Vater Dominikus prägte in den 20er- und 30er-Jahren den katholischen Kirchenbau im Übergang zur Moderne. Beim Studium an der TU München bei Döllgast, Abel und Vorhoelzer, lernte Gottfried Böhm die Architektin Elisabeth Haggenmüller kennen, sie heirateten 1948. Drei von vier Söhnen des Ehepaares, Stefan, Peter und Paul, sind ebenfalls Architekten geworden. Das Gebäude, das Dominikus 1932 in Marienburg für die Familie errichtete, wird heute als Büro genutzt. Auch der vierte Sohn, Markus, ist als Künstler in das kreative familiäre Schaffen integriert. Das Deckengemälde im Berliner Peek & Cloppenburg-Haus stammt von ihm.

Wie sein Vater baute auch Gottfried Böhm katholische Kirchen, 69 an der Zahl. Sein erstes eigenständiges Werk war 1950 die St. Kolumba-Kapelle, die heute im Bauverbund mit dem Diözesanmuseum Kolumba von Peter Zumthor steht. Auf Studienreise in den USA traf Böhm Walter Gropius und Ludwig Mies van der Rohe. Mies erzählte ihm, er sei in Köln gewesen und habe dort eine Kapelle gesehen, über die er sich begeistert äußerte. „Und da war das meine erste Kapelle, und das war das natürlich toll für mich,“ erinnerte sich Böhm in dem Interview 2007.

Felsengebirge aus Beton

Böhm verwandte hier schon seine speziell entwickelte „Gewebedecke“ aus leichten, hängenden Betonschalen, die große Strecken überbrücken können. In diese Phase gehört auch zum Beispiel St. Anna in Neu-Ehrenfeld. Ein trauriges Schicksal erlitt St. Ursula in Hürth Kalscheuren, die im Zuge des Sparkonzeptes des Erzbistums 2006 profaniert und an die Bernd Reiter Gruppe verkauft wurde. „Für Menschen, die das Besondere suchen zum Wohnen und/oder Arbeiten“ wird sie jetzt in den Immobilienanzeigen für 680.000 Euro zum Weiterverkauf angeboten. In den 60er Jahren entwickelte Böhm die typischen asymmetrischen Faltdecken aus Beton, die von außen wie Felsengebirge wirken, wie in St. Gertrud in der Krefelder Straße und Christi Auferstehung in Lindenthal. Besonders eindrucksvoll zeigt sich diese Konstruktion in der Wallfahrtskirche von Neviges (Velbert), die als sein wichtigstes Werk gilt.

In den 70ern endete die Hochkonjunktur im Kirchenbau, kommunale Aufgaben traten in den Vordergrund. Im Bereich der Stadtplanung entwickelte Böhm die Idee des „eingehausten Stadtraumes,“ beispielhaft anzusehen im Bensberger Rathaus. Gemeinschaft stiftende Großbauten waren schon seine Kirchen, die Siedlungen und Platzanlagen, Passagen und Hallen zielen darauf, sozialen Raum neu zu schaffen und Zusammenhänge mit der Umgebung herzustellen. Das Züblin-Haus in Stuttgart wird der Prototyp des überdachten öffentlichen oder halböffentlichen Raums mit Brücken und Galerien. Der Hof unter einer Glasdach-Pyramide wurde Vorbild für viele spätere Bürogebäude. Auch das Maritim Hotel in Köln – in Zusammenarbeit mit KSP – wiederholt den Typus. Weitere Interpretationen des Themas Passagen zeigen die WDR Arkaden, das Rathaus Kalk und das Stadthaus in Deutz. Auf 95% schätzt Böhm den Anteil nicht realisierter Projekte, darunter auch sein Entwurf für eine gläserne, begehbare Kuppel auf dem Berliner Reichstag von 1985 – die Idee immerhin findet sich im umgesetzten Bau ja wieder.

Der Bildhauer im Architekten

Ein spezieller Charakter macht viele „Böhms“ als solche erkennbar, auch wenn sie stets stark kontextbezogen sind. Dieser besteht in einem hohen Maß aus Skulpturalität, Bildhaftigkeit und Raumqualität. Hier lässt sich eine kausale Verbindung zwischen dieser Erscheinung und Böhms doppelter Ausbildung als Architekt und Bildhauer vorstellen. Doch der gelehrte Diskurs und das wortreiche Selbstreflektieren ist seine Sache nicht. Böhm schafft Behausungen, die behüten wollen, keine Gedankengebäude. Mit den Fingern denkt man manchmal besser als mit dem Kopf, sagte er im Interview 2007 in seiner schlichten, treffenden Ausdrucksweise. In vielen einzigartigen Kohle- und Bleistiftzeichnungen hat er seine Vorstellungen zu Papier gebracht und mit der Kraft seiner Bilder Menschen überzeugt. Architektur soll für ihn das ausdrücken, was drinnen passiert. „Ich hoffe, dass die Formen und die Räume, die ich gemacht habe, mehr Sinn haben und nicht nur so willkürlich formalistisch sind. Ich hoffe, dass man das nachempfindet.“

Als „alter Knopf“, wie er sich bezeichnet, „schwebt“ er durch die Büros seiner Söhne und freut sich, dass er gebraucht wird und immer noch nachdenken muss. Das aktuelle Großprojekt ist die Moschee in Ehrenfeld von Paul Böhm, deren Fertigstellung für September 2011 geplant ist.

Am 23. Januar wird Gottfried Böhm 90 Jahre alt. koelnarchitektur.de gratuliert dazu herzlich und wünscht alles Gute!!!

Ira Scheibe

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Weiterführende Links:

Weitere Infos: Interview 2007 zur documenta 12 mit

Rem Koolhaas und Hans Ulrich Obrist >>aufgezeichnet durch ARCH+

Gottfried Böhm