Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Bunt, lebendig und vielfältig

Interview: Architektur
mit Bernd Streitberger, Beigeordneter des Dezernates für Stadtentwicklung, Planen und Bauen der Stadt Köln

Bernd Streitberger, seit 2003 Beigeordneter des Dezernates für Stadtentwicklung, Planen und Bauen der Stadt Köln im Gespräch mit koelnarchitektur.de über

UNESCO Analen und Peinlichkeiten, über schlimme Erfahrungen im struppigen Köln, über frei liegende städtische Nervenenden und das worauf er stolz ist.

Natalie Bräuninger: Herr Streitberger, Wie sehen Sie sich und Ihre Rolle für die Stadt und ihre Baukultur?

Bernd Streitberger: Ich erinnere mich an meinen Dienstantritt vor fast sechs Jahren: Damals war ich sicherlich nicht derjenige, der hier die großen Zukunftsentwürfe für die Stadt entwickeln wollte. Mit dem Wort Visionen habe ich so meine Schwierigkeiten. Aber ich bin derjenige, der in der Lage ist, die sehr frei liegenden Nervenenden in der Stadt miteinander zu verbinden. Mir ist es rückblickend gelungen, dass wir strukturierter arbeiten und dass wir grundlegende Werke wie den städtebaulichen Masterplan und vor allem auch geregelte Verfahren in der Stadt haben. 41133autostart=TRUE] „Die Rolle der Baukultur“

Meine Aufgabe für Baukultur ist es, Dinge zusammen zu führen, aber natürlich auch zu lenken und zu leiten. Aber vor allem ist es mir wichtig, dass die jeweiligen Interessen nachvollziehbar gegeneinander und untereinander abgewogen werden.

Einen Fehler machen zu dürfen und eine Position auch mal zu überdenken– das ist Arbeit und das gehört dazu. Denn die Entwicklung einer Stadt verläuft nie geradlinig, sondern immer in Wellenbewegungen.

Auf welche Projekte in Köln der letzten Zeit sind Sie besonders stolz bzw. erachten Sie für wichtig für die Stadt und was würden Sie im Gegenteil als Bausünden bezeichnen?

Bernd Streitberger: Als Bauherr haben wir in den letzten Jahren insbesondere im Bereich Schulbau hervorragende Werke abgeliefert. Wir haben auf Containerlösungen verzichtet und haben massiv, nachhaltig und wirtschaftlich gebaut!

Zudem bin ich sehr stolz, dass wir in der Stadt eine andere Diskussion über Städtebau und Baukultur haben. Dass ich es geschafft habe, Leute zusammen zu bringen und mitzuarbeiten. Partizipation ist ein ganz großes Stichwort – wir wollen alle Beteiligten ernst nehmen und einbinden. Viele Leute, die mich zum Beispiel bei Bürgerversammlungen erlebt haben, können bestätigen, dass ich ganz gut zuhören kann und vor allem auch dahin gehe, „wo es wehtut“ …

Auch bin ich stolz auf den Rheinboulevard. Beim Thema öffentlicher Raum, welches mir sehr wichtig ist, haben wir leider noch zu wenig vorzuweisen. Durch den Stadtbahnbau kommen wir gar nicht dazu, die Flächen der Stadt zu machen, die gemacht werden müssen. Aber das wird sich in wenigen Jahren ganz grundlegend ändern.

Wenn man sich die aktuellen Entwicklungen in Köln so anschaut (jüdisches Museum, FH-Umzug, Oper, Hochhäuser etc.) könnte man meinen, es funktioniert alles nicht so richtig – sehr lapidar ausgedrückt. Warum ist dies so? Gibt es eine mögliche Erklärung für das „Nicht-Zustande-Kommen“ und „Zerreden“ so vieler Projekte?

Bernd Streitberger: Über diese Frage wundere ich mich ein wenig. Denn diese Diskussionen sind sehr wichtig für die Stadt und wenn es sie nicht gäbe, hätten wir mehr Fehlentwicklungen. Ich fange gerne mal chronologisch an:

Zu den Hochhäusern – wenn wir das nicht diskutiert hätten, wenn wir die bewusste Entscheidung, auf die Hochhäuser zu verzichten, nicht getroffen hätten, dann wären wir in die Analen der Unesco eingegangen. Und das war zu keinem Zeitpunkt mein Ziel. Denn das wäre eine große Peinlichkeit gewesen. Man muss außerdem dazu sagen, dass es keine wirkliche Nachfrage nach Hochhäusern gab, sondern nur den grundsätzlichen Wunsch, Hochhäuser zu bauen. Wer sich mit den Immobilienbedingungen auskennt, weiß, dass Köln kein guter Hochhausstandort ist. Die Mieten wären einfach zu gering für eine gute Qualität.

Zum Thema Oper – es gab ein paar Zeitgenossen, die meinten, die Oper müsse abgerissen werden. Für mich war das undenkbar. Denn ich unterliege der Philosophie, eine Stadt weiter zu bauen. 41132autostart=TRUE] „Philosophie: Stadt weiter bauen!“ Und deswegen haben wir eine intensive Diskussion darüber geführt, mit einem – ich finde – guten Ergebnis. Jetzt sind wir in der Umsetzungsphase und es gibt es das Problem mit den Finanzen. Aber das halte ich für keine dramatisch schwierige Situation. Auch das werden wir lösen. Nach der Erarbeitung verschiedener Alternativen sind wir von den 360 Millionen jetzt runter auf 280-290 Millionen Euro. Aufgrund der Kommunalwahlen gibt es aber noch keine Entscheidung des Rates.

FH-Umzug: Ich wäre ein schlechter Dezernent, wenn ich sagen würde – prima, die FH will umziehen, dann soll sie umziehen! Ich hinterfrage – was ist denn mit dem jetzigen Standort? Welche Ziele und Erwartungen waren damals damit verbunden? So etwas muss man doch diskutieren! Denn das ist eine prägende Entscheidung für Jahrzehnte. Sicherlich, man wird nie eine Lösung finden, die allen gerecht wird. Aber es muss eine Entscheidung sein, unter der sich viele Menschen versammeln können. Das geht doch nicht von jetzt auf gleich … 41131autostart=TRUE] „Planung braucht Zeit!“

Zum Jüdischen Museum – da gibt es einen eindeutigen Beschluss des Rates, das heißt, es wird gebaut. Aber klar ist auch, dass wenn sie eine 60 Jahre lang unbebaute Fläche unmittelbar vor dem Rathaus bebauen wollen, es in jeder Stadt Diskussionen gäbe. Möglicherweise haben wir hier sogar den Diskussionsbedarf unterschätzt oder im Vorfeld zu wenig Aufklärung betrieben.

Wie wird das Projekt jetzt finanziert?

Bernd Streitberger: Das finanziert im Wesentlichen das Land Nordrhein-Westfalen, weil es sich um ein Projekt der Regionale 2010 handelt. Es gibt einen kommunalen Anteil, aber leider fehlt ja der Anteil des Trägervereins. Aber damit ist der Rat dann auch sehr souverän umgegangen, indem er das Projekt ein Stückchen abgespeckt hat. Das wird meiner Meinung nach ein sehr sehr schönes Haus werden!

Wenn wir gerade die Kölner Projekte durchgehen – was gibt es denn Neues vom Dionysoshof?

Bernd Streitberger: Ja, da können Sie wirklich sagen, dass das nicht richtig funktioniert hat. Das war eine wirklich schlimme Erfahrung für mich. Es gab ja 2002 das Werkstattverfahren und Anfang letzten Jahres wurde das Büro Allmann Sattler Wappner mit der Weiterführung beauftragt. Als dann das Angebot des Bundes kam, solche Projekte mit dem Konjunkturpaket I zu unterstützen, haben wir uns gedacht: „Prima, schöner kann es doch gar nicht kommen!“ Was wir nicht bedacht haben ist, dass es Architekten gibt, die sich mit ihrer Arbeit so sehr verbunden fühlen und es als Angriff auf ihre Projekte sehen, wenn man an ihnen etwas verändert. Diese Unstimmigkeiten und Querelen haben dazu geführt, dass die Bewertungskommission beschlossen hat, das Projekt nicht zu fördern.

Das Ministerium will sich nun wohl bemühen, ein solches Programm im nächsten Jahr noch einmal aufzulegen. Wir sind gerade dabei mit Hilfe eines Moderators alle Beteiligten zusammenzuführen und werden auf jeden Fall das Projekt selber weiter entwickeln.

Gehen wir einmal weg aus Köln … Haben Sie so eine Art „Lieblingsarchitekten“ oder auch ein „Lieblingsprojekt“ aus dem Bereich Architektur und Städtebau?

Bernd Streitberger: Die schönste Arbeit, die wir in der Stadt haben, ist Kolumba von Peter Zumthor. Und wenn ich einen Architekten nennen müsste, dann wäre das Zumthor. Wohl wissend, dass wir es uns als Stadt nie leisten könnten, mit ihm zu bauen … Ich habe es als unglaubliches Geschenk an die Stadt empfunden, dass das Gebäude Kolumba hier errichtet worden ist.

41134autostart=TRUE] „Kolumba von Peter Zumthor.“

Eine Lieblingsstadt habe ich eigentlich nicht. Ich stamme ursprünglich ja aus Münster in Westfalen, ich habe es im Grunde ganz gerne übersichtlich und geregelt. Vielleicht ein bisschen weniger struppig als das in Köln ist. Ich maße mir nicht an und glaube nicht daran, dass ich aus dieser Stadt etwas anderes machen kann, als sie ist, aber ein bisschen strukturierter und aufgeräumter wäre schon ganz gut.

Sie sind ja noch mindestens zwei Jahre im Amt – was wünschen Sie sich für die Stadt Köln und ihre Bürger?

Bernd Streitberger: Ich wünsche mir, dass wir auf diesem Weg weiter gehen, und dass dieser Weg in Köln wie auch außerhalb der Stadt erkannt wird. Und dass wir so bunt, so lebendig und so vielfältig bleiben wie wir sind!

Mit Bernd Streitberger sprach Natalie Bräuninger

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* Damit Sie die Antworten nicht nur lesen sondern auch hören können, haben wir einige Aussagen als O-Ton für Sie aufgezeichnet. Klicken Sie jeweils auf um die Aufnahme abzuspielen.

 

Bernd Streitberger, Beigeordneter des Dezernates für Stadtentwicklung, Planen und Bauen der Stadt Köln

6 Kommentare

Wie gesagt, Herr Streitberger wäre sicherlich ein guter „Stadtbaumeister“ für Münster oder Bielefeld. Ein Bürostandort muß entwickelt und nicht zerredet werden. Ist das Hochhaus im Media-Park oder das LVR Hochhaus etwa nicht vermietet? Was ist mit den Kranhäusern im Rheinauhafen!! Ich glaube Herr Streitberger hat mit Hochhäusern grundsätzlich Probleme, egal wo sie stehen. Bitte verlassen Sie die Metropole Köln und gehen zurück in die Kleinstadt Münster!

Bitte Herr Streitberger, es geht hier nicht um die Analen der Unesco,sondern um Köln. Um grosse Unternehmen mit ihren Zentralen in Köln anzusiedeln, aktuell Lanxess –bin mal gespannt wie sich das weiterentwickelt, hoffenlich nicht wieder so ein nichtssagendes Gebäude, wie die neue LH-Zentrale– muß man auch eine gewissen Höhe von Gebäuden zulassen. Grosse Firmen möchten nun mal auch ein bisschen repräsentieren. Köln muß sich auch zu einem Dienstleistungsstandort entwickeln. Gebäude mit cirka 100 mtr als zu hoch für Köln auszuweisen hat mehr mit „grüner“ Ideologie zu tun und ist völliger Blödsinn. Mit Verlaub, mir ist der wirtschaftliche Erfolg Kölns auch im Dienstleistungssektor wichtiger als die Unesco. Der Dom kommt auch ohne Weltkulturerbe aus.

Ein Mann der mit „Visionen so seine Schwierigkeiten hat“ ist in einer modernen Millionenstadt wohl fehl am Platze. Köln ist NICHT Münster! Und der Masterplan, auf dem sich Herr Streitberger so stolz ausruht, scheint mehr und mehr als leere Worthülse in der kölschen Schublade zu verschwinden…

Ich kann mich bezgl. dieses Artikels meinen Vorrednern nur anschließen. Es ist mittlerweile einfach nur ungeheuerlich, wie dieses Land, insbesondere Köln, sich der Meinung seiner alternden und von Erneuerungen abgeschreckten Bevölkerung bezüglich Hochhäusern beugt. Mit dieser Politik werden wir städtebaulich in nicht allzu langer Zeit selbst von den viel belächelten Ost-Block Städten überholt, siehe polnische Städte. Dann stehen die da, weil alles zugebaut ist und können sehen was sie mit ihrem DOM anfangen können. Jede Epoche der Geschichte muss Erbstücke in Form von Architektur hinterlassen. Aus dem Mittelalter der DOM. Nun ist diese Zeit des Mittelalters längst vorbei, man muss die jetzige Epoche dafür nutzen, neue Akzente zu setzen, sei es in Hochhäuser, Living bridges, organische gebäude ( Stichwort, rotierende Etagen mit organsichen Formen). Bitte wacht endlich auf aus eurem mittelalterischem Tiefschlaf. Vielleich sollten wir mal eine Petition starten gegen diese Politik!

Ich frage mich wirklich was dieser Mann seit Jahren in dieser Position in Köln verloren hat. Die damalige Entscheidung im Sinne der Unesco war definitiv das schlechteste was passieren konnte. Köln war, ist und wird auch in Zukunft in vielen Bereichen absolut langweiliger Durchschnitt bleiben.

Aufbruchstimmung im rechtsrheinischen Köln und Weiterentwicklung Kölns zur modernen D i e n s t l e i s t u n g s m e t ro p o l e. Zitat Stadtplanungs-amt Köln. Diesen Satz hat Herr Streit-berger nicht gelesen.