Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Immer vor Ort. Nie am selben

Interview: Architektur
mit Dr. Ursula Kleefisch-Jobst, Geschäftsführende Kuratorin des M:AI

Dr. Ursula Kleefisch-Jobst, Geschäftsführende Kuratorin des M:AI, im Gespräch mit koelnarchitektur.de über Denkpausen, alternative Austellungskonzepte mobile Museen und Laboratorien und mit der Antwort auf die Frage: „was kann man sich denn bei Ihnen angucken?“

Natalie Bräuninger: Immer wieder sieht man den Schriftzug M:AI. Können Sie mir kurz erläutert, was das M:AI eigentlich ist?

Dr. Kleefisch-Jobst: Das M:AI heißt „Museum für Architektur und Ingenieurkunst in Nordrhein-Westfalen“, es nennt sich zwar Museum, aber wir betätigen uns nicht in dem klassischen Dreiklang eines Museums: sammeln, bewahren und ausstellen, verankert an einem spezifischen Ort. Wir sammeln nicht, wir bewahren nicht, wir haben keinen festen Ausstellungsort, aber wir präsentieren Architekturthemen in Ausstellungen!

Das M:AI gibt es seit 2005, zunächst mit einem etwas anderen Konzept, insofern ist es noch eine junge Institution, die im Land noch gar nicht so präsent ist. Die allermeisten Leute sagen erst einmal: „Bitte, was ist das M:AI?“ Ich bin am M:AI jetzt seit Mai 2008 und halte es in den nächsten Jahren für unsere wichtigste Aufgabe, das M:AI in NRW zu verankern.

40700autostart=TRUE] „Mit einem Museum haben wir nicht viel gemeinsam …“

Wo waren Sie denn vorher tätig?

Dr. Kleefisch-Jobst: Ich war vorher 8 Jahre am Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt. Das ist natürlich das absolute Kontrastprogramm. Das DAM ist eine renommierte Adresse, die sich mit einem spezifischen Ort verbindet: dem Museumsgebäude von Oswald Mathias Ungers am Schaumainkai in Frankfurt. Das M:AI ist genau das Gegenteil: ein mobiles Museum. Aber genau das finde ich das Spannende an dieser Aufgabe!

Welche Vorteile aber auch Nachteile birgt dieses Konzept?

Dr. Kleefisch-Jobst: Aufgabe des M:AI wird es sein, historische und aktuelle Themen der Architektur im Format Ausstellungen zu präsentieren, allerdings immer an unterschiedlichen Orten. Für mich ist das besonders spannend, weil es uns die Möglichkeit gibt, Themen mit den passenden Orten zu verbinden. Sonst haben Sie ja im Museum auf der einen Seite das Haus und auf der anderen die Ausstellung. Wir haben jetzt die ganz große Chance, das Thema und den Ausstellungsort zusammenzubringen. Es gibt Stimmen, die sagen „Architektur ist nicht ausstellbar.“ Wir wollen versuchen, diese Kluft zu schließen, indem wir den Ausstellungsort zum 1:1-Ausstellungsobjekt machen. Wie jetzt z. B. bei der 60er Jahre Ausstellung „ Architektur im Aufbruch“ in der Liebfrauenkirche in Duisburg. Die Kirche ist ein sehr zeittypisches Gebäude aus den frühen 1960er Jahren. Der Besucher erlebt also ein Bauwerk aus der Zeit, die ihm die Ausstellung näher bringen soll. Dadurch ist Architektur besser erlebbar!

40701autostart=TRUE] „Architektur ist ausstellbar!“

Das Konzept bringt aber auch den Nachteil mit sich, dass viele Leute fragen, „was und wo ist das M:AI?“ Sie rufen bei uns an und fragen „was kann man sich denn bei Ihnen angucken?“ Daraus ergibt sich für uns die Frage: Kann man auf Dauer eine Kulturinstitution etablieren, die nicht an einen Ort gebunden ist?

Natürlich ist auch die Präsentation einer Ausstellung an einem nicht musealen Orten sehr aufwendig. Wenn Sie eine Ausstellung in einem Museum machen, haben sie dort neben erfahrenen Kurator, einen festen Mitarbeiterstab, der sich mit den Tücken des Ausstellungsortes bestens auskennt. Sie haben in der Regel eine Ausstellungsfläche mit allen technischen Voraussetzungen, entsprechenden Lichtverhältnissen und klimatischen Bedingungen, die die Präsentation von Originalen ermöglicht. Unsere Ausstellungsorte haben diese Bedingungen gar nicht. Deshalb gibt es bei der 60er Jahre Ausstellung auch viele Reproduktionen von originalen Plänen und Zeichnungen, Fotografien, Modelle, die aber zum überwiegenden Teil Nachbauten sind, also nur ganz wenige Originale. Zudem ist der Aufbau relativ kompliziert und aufwändig, da die gesamte Infrastruktur mitgebracht werden muss.

M:AI – Immer vor Ort. Nie am selben. Ein Museum für Architektur ganz ohne Architektur –wie kann man das M:AI „greifen“?

Dr. Kleefisch-Jobst: Das aller Wichtigste ist für mich, dass das M:AI mit seinen Themen und Ausstellungen in Verbindung gebracht wird. Ich möchte jedes Jahr ein Jahresthema setzen. Dieses Jahr ist das die Architektur der 1960er Jahre, nächstes Jahr wird es das Thema Stadtentwicklung sein. Ich denke und hoffe, dass wir Themen treffen, die am Nerv der Zeit sind. Ich hoffe, dass das M:AI sich dadurch einen Namen machen kann, dass es mit den richtigen Themen am richtigen Ort ist.

Wir haben aber auch etwas am Corporate Design verändert. Wir haben unser Zeichen sehr viel plakativer und einfacher gestaltet, damit es eindringlicher wird und einfacher ins Auge fällt. Unser Logo ist fast unsere ganze Adresse.

Und wir haben unseren Internetauftritt umgestaltet. Dort sieht man, wo wir gerade sind, was wir gerade machen. Und ich möchte das Internet auch zukünftig stärker nutzen, schon im Vorfeld Themen zu setzen und zu vertiefen. Wir haben dieses Mal auch keinen begleitenden Katalog zur Ausstellung „Architektur im Aufbruch“ gemacht, aber schon frühzeitig angefangen das Thema auf unserer Webseite zu diskutieren. Viele sagen ja, der Ausstellungskatalog ist das, was bleibt. Der klassische Zweiklang von Ausstellung und Katalog, wie er ja viele Jahrzehnte lang verpflichtend war, den wird es vielleicht nicht mehr geben, da das Internet eine immer wichtigere Rolle spielt.

So unspektakulär wie das Äußere hat sich das M:AI auch in das Architekturleben in NRW geschlichen. Irgendwann war es einfach da. Warum so unspektakulär?

Dr. Kleefisch-Jobst: Mir ist es wichtiger, dass sich das M:AI durch Themen präsentiert, als durch spektakuläre Aktionen. Museen und auch das M:AI haben einen Bildungsauftrag. Wir sollen in erster Linie dem Bürger ihre gebaute Umwelt erklären und das sind nicht zu erst die großen Stararchitekturen und die Architekten aus den Hochglanzmagazinen. Es geht um aktuelle Fragen der Architektur, wie jetzt um den Umgang mit den Bauten der 1960er Jahre. Das ist zugegebenermaßen ein sperriges Thema und mit vielen negativen Betrachtungen behaftet, die wir versuchen aufzubrechen. Wir werden aus Steuermittel finanziert und sind verpflichtet, den Bürgern etwas zurückzugeben, was für sie von Belang is .

Wichtig für die Zukunft der Architekten halte ich ein Netzwerk mit anderen Branchen wie der Bau-, Wohnungs- und Immobilienwirtschaft oder Banken. Was kann das M:AI in diesem Fall leisten?

Dr. Kleefisch-Jobst: Ja, das stimmt. Das war auch die ursprüngliche Idee des M:AI unter der Leitung von Wolfgang Roters. Netzwerke zu knüpfen, sozusagen ein „mobiles Laboratorium“. Das M:AI sollte Ideen rund um das Thema Architektur in NRW unterstützen und mittragen. Seit zehn Jahren gibt es die tolle Initiative Stadtbaukultur im Land, die die vielen Ideen und Initiativen rund um die Baukultur bündelt und unterstützt. So gab es auch immer gewisse Überschneidungen mit dem Aufgabenfeld des M:AI, so dass es seit 2008 zu einer klaren Aufgabentrennung gekommen ist. Das Format, in dem das M:AI sich mit Themen der Architektur beschäftigt, sind Ausstellungen.

Man muss auch aufpassen, dass vor lauter Netzwerk knüpfen, der Inhalt nicht durch die Maschen fällt. Die Fachleute haben ihre Netzwerke, die können sich selber vernetzen.

Ich fühle mich in erster Linie dem Bürger gegenüber verpflichtet, ihm die Architektur näher zu bringen, zu lernen Architektur wahrzunehmen und Qualitäten zu erkennen, damit sich die Bürger wiederum differenziert und mit „Sachverstand“ an der Gestaltung ihrer gebauten Umwelt beteiligen können. Natürlich sprechen wir auch das Fachpublikum an. Wir möchten beiden Zielgruppen gerecht werden. Wenn der Besucher eine Ausstellung verlässt und dann auf der Straße bemerkt „ach, so was Ähnliches habe ich doch in der Ausstellung gesehen“, dann sind wir unserem Ziel schon etwas näher.

40702autostart=TRUE] „Wir haben einen Bildungsauftrag an den Bürger“

Mit Dr. Ursula Kleefisch-Jobst sprach Natalie Bräuninger

Klicken und Hören

* Damit Sie die Antworten nicht nur lesen sondern auch hören können, haben wir einige Aussagen als O-Ton für Sie aufgezeichnet. Klicken Sie jeweils auf um die Aufnahme abzuspielen.

Zur Internetseite des M:AI

 

Dr. Ursula Kleefisch-Jobst,

Geschäftsführende Kuratorin des M:AI

Museum für Architektur und Ingenieurkunst NRW