Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Formen der Macht

Baustile im Stadtbild, Folge 8: Kölner Nazi-Architektur

Die Serie „Baustile im Stadtbild“ stellt Kölner Wohnarchitektur aus verschiedenen Epochen vor.

Rund 30 Millionen Kubikmeter Schutt – das ist die architektonische Hinterlassenschaft der Nazionalsozialisten in Köln. Die Pläne der Nazis hatten anders ausgesehen. Köln als Gauhauptstadt stand zwar an Wichtigkeit hinter den „Führerstädten“ Berlin, München, Linz, Nürnberg und Hamburg zurück. Wegen der für 1940 in Köln geplanten Internationalen Verkehrsausstellung aber erhielt die Stadt doch einen Sonderstatus. Clemens Klotz, der bereits das Seebad Prora auf Rügen und die Ordensburgen Vogelsang und Crössinsee entworfen hatte, wurde 1937 mit Planungen beauftragt. Zwischen Rudolfplatz und Heumarkt sollte auf einer Breite von 68 Metern ein Durchbruch entstehen, in Deutz am Rheinufer ein gigantisches Gauforum und neue Blockbebauungen mit drei „Kraft durch Freude“-Hochhauskomplexen.

Die Arbeiten an der Trasse begannen 1939, und selbst nach den ersten Bombenangriffen ging der Abriss weiter. Zynischerweise spielten die Zerstörungen den Planern in die Hände: „Beim Neumarkt haben die Bomben zufälligerweise gerade all diejenigen Häuser wegrasiert, die auch für die Ost-West-Achse freigemacht werden sollten“, frohlockte im September 1944 ein Planer aus dem Berliner Ministerium für Raumordnung. „Durchgeführt“ – ein Lieblingswort Hitlers – wurde aber nur das Stück der heutigen Hahnenstraße und der Einriss der Platzwände am Neumarkt und Heumarkt.

Zweckbau in moderner Gestalt

Eines der erhaltenen Bauwerke der Zeit ist der Großmarkt in Raderberg. Im Vorgriff auf die Neugestaltung des Heumarktes wurde er auf das Areal eines jüdischen Friedhofes verlegt, der im Jahr zuvor von der Gemeinde aufgegeben worden war. Parabelförmig wölbt sich die dünne Dachschale über die in enger Folge stehenden Binder, die der Fassade einen gleichmäßigen Rhythmus geben. In ihrem unteren Drittel sind schmale Fenster in die Kompartimente eingeschnitten. Drei symmetrisch angebrachte Tore öffnen die Halle. Eine Uhr des Kunstschmieds Carl Wyland betont die Mitte der Fassade. Auch die zwei stufig übereinander sitzenden Scheddächer haben gewölbte Schalen. Durch ihre senkrecht stehenden, lamellenartigen Fenster fällt Nordlicht in die Halle, während das Dach im südlichen Bereich geschlossen ist. Die eingeschossigen Flankenbauten betonen den Schwung der Konstruktion. Ein stützenloses Tonnengewölbe überspannt eine 132 Meter lange und 57 Meter breite Halle, die an ihrem Scheitelpunkt 21,5 Meter hoch ist. Darunter liegt ein gewölbter Kühlkeller. Der Architekt Theodor Teichen konzipierte mit dem Ingenieur Ulrich Finsterwalder eine Eisenbeton-Schalenbauweise nach dem Zeiss-Dywidag-System, das einen besonders niedrigen Eisenverbrauch ermöglicht.

Propagandabauten

Was hier erstaunt, ist die Anwendung funktionaler und moderner Elemente, die beim Wohnungsbau vehement bekämpft worden waren. Stand das Neue Bauen anfangs für einen gesellschaftlichen Wandel in Richtung Offenheit, Egalität und Demokratie, so war der moderne Stil schon um 1930 immer mehr zu einer Formensprache neben anderen geworden. Die Nazis bemäntelten ihre Industrie- und Verkehrsbauten mit dem Formrepertoire der Moderne, die die Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft symbolisieren sollte. In dieser Reihe stehen auch die Umkleidekabinen im Müngersdorfer Stadion, der Flugplatz Butzweilerhof und die Rodenkirchener Autobahnbrücke. Die Erwerbslosensiedlung Vogelsang und die Finnensiedlung in Höhenhaus sind Kölner Beispiele für den Wohnungsbau der Nazizeit.

Ira Scheibe

Der Nationalsozialismus

brachte keinen eigenen Architekturstil hervor, sondern die Nazis nutzten bestehende Stile systematisch für ihre Propagandazwecke. Prachtbauten und Kultstätten war ein ins Gigantomanische gesteigerter Neoklassizismus vorbehalten. Wohnbauten, Heime der Hitlerjugend, Schulen und Kasernen frönten im Heimatstil der Lust am Nostalgischen. Zweckbauten hüllten sich in die Gestalt der Moderne. Doch nicht alles war Parteiarchitektur: Weniger die Weisung von oben dominierte das private Bauwesen der 30er und 40er Jahre, als vielmehr der Wunsch der Bauherren nach einer beruhigenden, anheimelnden Architektur in solider handwerklicher Fertigung.

Erschienen in der Sonderbeilage „Wohnen & Leben“ der Kölner Zeitungsgruppe (Kölner Stadt-Anzeiger, Kölnische Rundschau) am Wochenende des 13./14. Juni 2009.

Alle bisher in der Serie „Baustile im Stadtbild“ erschienen Beiträge:

>>>Alte Steine Neue Steine

Der Großmarkt in Raderberg.

Fotografin: Stefanie Biel

Eine parabelförmige dünne Dachschale und Scheddächer sind die bestimmenden funktionalen und modernen Elemente.

Fotografin: Stefanie Biel

1 Kommentar

Also meines Wissens sind die Abelbauten vor dem Müngersdorfer Stadion (wie auch die Messehallen) aus den 1920er Jahren und nicht aus dem „Dritten Reich“….