Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Menschen, Räume, Ornamente

Zum Buch „Moscheen in Deutschland“ von Wilfried Dechau

In Ehrenfeld ist man gerade dabei, das Grundstück Ecke Venloer Straße/Innere Kanalstraße für den Bau der geplanten DITIB-Zentralmoschee vorzubereiten. Damit rückt nun ein Bauvorhaben in greifbare Nähe, das nicht nur in Köln kontrovers diskutiert wird. Der Populismus, dessen sich diese Diskussion zuweilen annimmt, spiegelt neben einer tiefen, rational nur selten begründeten Skepsis gegenüber dem Moscheenbau vor allem die innergesellschaftliche Brisanz des Themas. Denn sie zeugt von einem ins Wanken geratenen Selbstverständnis der westlichen Kulturen, das in solch prominenten Symbolbauten des „Fremden“ ihren Spiegel und ihr Ventil findet. So ist es angebracht, eine Selbstdiagnose durchzuführen und sich zugleich um ein Verstehen des Anderen – in diesem Fall des Islam – zu bemühen. Wilfried Dechau legt mit dem Buch „Moscheen in Deutschland“ einen anerkennenswerten Beitrag zu beidem vor.

Acht Städte

Dem Fotografen und ehemaligen Chefredakteur der deutschen bauzeitung gelingt es, mit seinen Bildern den Blick in eine den Meisten wohl fremde Welt zu öffnen: in die Gebetsräume von insgesamt acht deutschen Moscheen. Die Aufnahmen entstanden bereits zu Beginn des Jahres 2008 anlässlich der Essener Tagung „Moscheenbau in Deutschland“, wo sie in einer begleitenden Ausstellung gezeigt wurden. Diese wurde inzwischen an mehreren deutschen Orten und auf Vermittlung des Goethe-Instituts auch im Ausland gezeigt, weitere Stationen sind geplant.

Das Konzept der Ausstellung, das nun seine Übertragung auf das Buch gefunden hat, ist so einfach wie überzeugend: Während der acht Wochen, die Dechau zwischen März und April 2008 zur Vorbereitung blieben, besuchte er wöchentlich eine Moschee in einer deutschen Stadt, die er nach bestimmten Kriterien auswählte: So sollten die Bauten zum einen Modellcharakter für eine moderne oder auch traditionale Interpretation des Bautyps haben und zugleich verschiedene Facetten aufzeigen, wie zum Beispiel den repräsentativen Neubau oder die Aneignung und Umnutzung von Industriebauten. Zum anderen sollten sie möglichst über das Bundesgebiet verteilt sein. So finden Moscheen in Pforzheim, Mannheim, Hamburg, Aachen, Penzberg bei München, Wolfsburg, Karlsruhe und Stuttgart ihr Abbild im Buch.

Blick nach innen und außen

Neben den Fotografien finden sich in einem einleitenden Teil des Buches Texte, die sich mit dem Thema „Moscheenbau“ auseinandersetzen und damit den Blick auf den Diskurs weiten, der letztlich zum Entstehen der Bilder beigetragen hat. Unisono verweisen die Autoren darauf, dass die neu entstehenden Moscheen Zeichen einer aktiven Integration der muslimischen Minderheit seien. Denn nur, wer bleiben wolle, errichte Bauten und fordere damit einen legitimen Platz in der Gesellschaft.

Die breite öffentliche Debatte um den Neubau von Moscheen zeigt besonders die innere Befindlichkeit der Mehrheitsgesellschaft. Der Politologe Claus Leggewie fordert in seinem Beitrag eine „Integration durch Konflikt“, denn das Ergebnis friedlich ausgetragener Konflikte sei eine revidierte Positionsbestimmung der beteiligten Parteien nach innen wie nach außen, die für eine Entwicklung moderner Gesellschaften notwendig sei.

Interessant ist die Parallele, die der Kunsthistoriker Christian Welzbacher zwischen neu errichteten Moscheen und der Rekonstruktion zerstörter Bausubstanz zieht: Im zeitgenössischen (europäischen) Moscheenbau unterscheidet er zwischen einer modernen „Euroislam-Architektur“ und einem neuen Historismus, der „weder örtlich noch zeitlich an seinen Kontext gebunden ist“. Letzterer finde seine Vorbilder besonders in der klassischen osmanischen Architektur. Diese Klischees der Historie gründeten in einer mangelnden Vorstellung moderner Alternativen – hier wäre die Vermittlung auch der Architektur gefordert, die Moschee in Penzberg wird mehrmals als Beispiel einer gelungenen Interpretation islamischer Architektur mit modernen Formen genannt. Die Parallele zur Rekonstruktion – aktuelle Beispiele finden sich nicht nur in Dresden und Berlin – sei darin zu erkennen, dass hier wie dort die Vorstellung der Möglichkeit eines zeitgenössischen und kontextuellen Ausdrucks moderner Architektur fehle.

Eindrücke und Stimmungen

Die Fotografien, die sich im zweiten Teil des Buches finden, sind besonders bei den Architekturmotiven rein dokumentarisch und bilden die Moscheen ohne Ästhetisierung in ihrem nur selten beschaulichen städtebaulichen Umfeld ab. Auffallend oft sind die Moscheen an den städtischen Rand gerückt und damit der öffentlichen Wahrnehmung weitgehend entzogen.

Neben den dokumentarischen Bildern zeigt sich die Stärke der für die Architekturfotografie eher untypischen Abbildung der „Nutzer“: Da Dechau die Moscheen auch zum Freitagsgebet besuchte, konnte er das religiöse Leben, dem die Bauten gewidmet sind, direkt abbilden. So gibt es neben der Dokumentation der „nackten“ Architekturen Bildstrecken zur Belebung der Räume sowie Portraits der Imame und Gemeindemitglieder. Der Fotograf legt damit eine lebendige Sammlung der islamischen Kultur in Deutschland vor, die ihren Ausdruck (auch) in den Moscheen ihrer Gemeinden findet.

Rainer Schützeichel

Das Buch ist im Wasmuth-Verlag erschienen: Moscheen in Deutschland/Mosques in Germany, fotografiert von Wilfried Dechau, Texte von Wilfried Dechau, Rüdiger Flöge, Lamya Kaddor, Claus Leggewie und Christian Welzbacher, deutsch/englisch, 132 S., 95 farbige Abb., Hardcover, 22.5 x 22 cm, 24.80 Euro, Tübingen/Berlin 2009, ISBN 978-3-8030-0702-5.

dechau_moschee_cover

Moscheen in Deutschland/Mosques in Germany, fotografiert von Wilfried Dechau, Tübingen/Berlin 2009

dechau_moschee_aachen

Prof. Steinbach und Gernot Kramer, Bilal-Moschee, Aachen 1964-68, Gebetsraum

dechau_moschee_penzberg

Alen Jasarevic, Islamisches Forum, Penzberg 2007, Gebetsraum

dechau_moschee_stuttgart

Islamische Union, Stuttgart, Gebetsraum-Provisorium in der alten Fabrik