Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Im Stile der Medici und der Strozzi

Die Serie „Baustile im Stadtbild“ stellt Kölner Wohnarchitektur aus verschiedenen Epochen vor.
Baustile im Stadtbild 3: Neorenaissance und Neobarock als weitere Spielarten der Ep…

Es war keine romantische Italien-Sehnsucht, die Fabrikanten, Unternehmer und Finanziers des 19. Jahrhunderts Neuauflagen italienischer Stadtpalazzi der Renaissance bauen ließ. Sie waren vielmehr fasziniert vom Machtwillen ihrer Wahlverwandten, wie ihn die einflussreichen Bankiers- und Adelsfamilien etwa der Strozzi und der Medici demonstrierten.

Die Neorenaissance prägte sich aus als strenger Historismus: Eine möglichst reine und richtige Wiedergabe der historischen Vorbilder war gewollt, und so wurde es am Hansaring 43 im Jahr 1888 auch umgesetzt: Bilden an den italienischen Palazzi Rustikaquader das unterste Geschoss, so ist hier das Souterrain mit Streifen aus Basaltlava rustikal gestaltet. Das Quaderwerk des ersten Stockes ordnet dieses noch der unfeineren Sockelebene zu, wenn auch die helle Farbe schon in die Beletage weist. Hier sind die Fenster elegant übergiebelt, im darüberliegenden Geschoss wurden die ebenfalls für die Renaissance typischen Rundbogenfenster gewählt. Ein Erker mit Balustrade, plastisch ausgeformte Säulchen und ein mit Minerva und Mars bekrönter Rundgiebel betonen die Eingangsachse.

Ein Attikageschoss, ein niedriges oberes Stockwerk mit kleinen rechteckigen Fenstern, Ziergirlanden und Wappen liegt unter einem abschließenden Konsolgesims. Auch der Klötzchenfries am Rundgiebel, der Rosettenfries über dem zweiten Stock und die Verzierungen am Erker unterhalb der Balustrade sind klassische Renaissanceformen. An der Fassade ist ablesbar, dass es sich um ein herrschaftliches Einfamilienhaus handelt. Im niedrigen Obergeschoss befinden sich die minderwertigeren Räume für die Dienstboten, während bei Mietshäusern alle Stockwerke als Vollgeschosse ausgebildet sind.

Dass die Ringe heute im Rechtsrheinischen liegen könnten, ist schwer vorstellbar und doch war um 1860 die Stadterweiterung nach Osten ein Vorschlag, um der Enge in der Kölner Altstadt zu begegnen. Schließlich konnte die Stadt 1880 nach jahrelangem Ringen den preußischen Militärbehörden die eigene mittelalterliche Stadtmauer abkaufen. Nach Plänen von Karl Henrici und Josef Stübben wurden auf diesem Gelände und auf vorgelagerten Kappesfeldern die Ringe und die Neustadt angelegt. Daraus wurden Wohngebiete für gut Betuchte, oder für „ernste Leute“, wie sie zu der Zeit noch genannt wurden.

Neben den einzelnen Unterstilen des Historismus herrschte bei der Ringstraßenbebauung am ehesten ein fröhlicher Eklektizismus, oder wie ein zeitgenössisches Spottgedicht es ausdrückt: „Gotisch, Griechisch, Renaissance / Das ist ihnen alles aans.“ Elemente aus unterschiedlichen Epochen wurden frei kombiniert und überwucherten die Flächen. An den Fassaden klebten überall „zopfige Schnecken“, schimpften schon die Zeitgenossen. Doch erst in jüngerer Vergangenheit bemüht man sich um eine neue, komplexere Sicht auf den Historismus, um ihn als mehr als bloße Nachahmung zu begreifen.

Zahlreiche Beispiele in Köln zeugen davon, dass diese Art zu bauen sich noch bis ins 20. Jahrhundert hinein ungebrochen fortsetzte. Weitere reine Neorenaissance-Bauten sind etwa die Hahnenburg in Buchheim und das Haus Machabäerstraße 56. Am Farina Haus in der Altstadt und am Oberlandesgericht am Reichensperger Platz lassen sich dagegen Beispiele für den Neobarock bewundern – eine weitere Spielart des Historismus.

Ira Scheibe

Historismus

Bauten ab etwa 1850 kennzeichnete ein Rückgriff auf historische Formen, weshalb diese Epoche Historismus genannt wird. Die Neorenaissance entstand im Zusammenhang mit Handels­häusern und Banken, aber auch an Gebäuden für die Schönen Künste finden sich Beispiele. Der Neo­barock als Reminiszenz an den Absolutismus als Höhepunkt weltlich-monarchischer Macht zeigte sich vor allem an staatlichen Bauten. Das Dekor wurde dynamischer, die Konstruktion raumgreifender. Neorokoko trat seltener im Bauwesen als in der Innenausstattung hervor. Wegen des zeitlichen Zusammenfalls mit der Industrialisierung bezeichnet man den Historismus auch als Gründerzeitarchitektur.

Erschienen in der Sonderbeilage „Wohnen & Leben“ der Kölner Zeitungsgruppe (Kölner Stadt-Anzeiger, Kölnische Rundschau) am Wochenende des 28./29. März

Das Einfamilienhaus am Hansaring 43 ist ein Beispiel aus der Neorenaissance.

Fotografin: Stefanie Biel

Fotografin: Stefanie Biel