Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Kölner Kulturschutt

Aus den Trümmern des Stadtarchivs kann mehr geborgen werden als befürchtet, doch Kölns Kultur im Ganzen droht langsam zu Schutt zu gehen, so lautet das Fazit des letzten, sehr zahl…

Die Veranstalter sparen in ihrer Einführung nicht an deutlichen Worten zu den krisenhaften Zuständen in den gemeinwirtschaftlichen Betrieben Kölns und der „organisierten Unverantwortlichkeit“ der Behörden: Die Bauaufsicht zum U-Bahn-Bau wurde so lange weiter delegiert, bis sich die ausführenden Firmen selbst beaufsichtigten. Mit bekanntem Ergebnis.

Bergung und Zukunft des Archivs

Recht gefasst und tatkräftig wirkt die Leiterin des Historischen Archivs, Dr. Schmidt-Czaia. Sie schildert, wie verschiedene Krisenstäbe die Rettungsmaßnahmen organisieren und was mit den Archivalien passieren soll. Es entsteht der Eindruck, dass zumindest bei der Katastrophenbewältigung vor Ort Leute zusammenarbeiten, die wissen, was sie tun. Das meiste Material ist nicht mit dem Schutt vermengt und kann direkt mit der Hand geborgen werden. Nach Einschätzung von Schmidt-Czaia dauern die Abräumarbeiten noch sechs bis neun Monate. Sie fordert einen Neubau für das geplante Bürgerarchiv im Umfang des bisher geplanten Raumbedarfs in Innenstadtlage und unter Einbeziehung des Magazins.

Viele Kölner Bürger wollen sich tatkräftig engagieren. Dass Schmidt-Czaia ihnen einzig die Mitgliedschaft bei den Freunden des Historischen Archivs anbietet, wirkt bei allem Verständnis für die fachspezifische Problematik der Bergungsarbeiten recht lahm. Depositare und Nachlass- oder Vorlassgeber kritisieren die Informationspolitik des Archivs, es wird der Gedanke geäußert, einen eigenen Verein zu gründen.

„Optimismus ist ein Mangel an Information“

Der Schriftsteller Manfred Osten zitiert dieses Diktum von Karl Krauss: Je mehr man weiß, umso schlimmer erscheint die Lage. Die Podiumsdiskussion dreht sich größtenteils um Defizite der Kölner Kulturpolitik. Andreas Rossmann, Köln-Korrespondent der FAZ, verzeichnet bei der Stadt Köln eine extreme Geringschätzung der eigenen Geschichtsgüter, der Einsturz des Archivs sei eine „maßlose Strafe“ für diese Haltung. Manfred Osten befasst sich mit der Erinnerungskultur: Archive kennzeichnen das Verantwortungsgefühl von Autoritäten gegenüber der Identität einer Gemeinschaft. In unserer Zeit herrsche generell ein schwaches Bewusstsein für die Bedeutung von Herkunft für die Bewältigung von Zukunft.

Nach Meinung der Galeristin Gisela Capitain begreift die Stadt die Bedeutung von Kultur als Standortfaktor nicht mehr. Mittlerweile würde man in der Kunstszene als Kölner so behandelt, als käme man eigentlich aus dem falschen Ort. Helge Malchow vom Verlag Kiepenheuer & Witsch beklagt eine tiefe Kluft zwischen Kulturschaffenden und –verantwortlichen, die von letzteren nicht einmal wahrgenommen würde. Rücktritte dienten der politischen Hygiene, aber hiesige Amtsvertreter könnten nicht einmal intellektuell den Unterschied zwischen persönlicher und politischer Verantwortung fassen. Es ist ihm aber wichtig, nicht in das allgemeine Köln-Geprügel einzustimmen, was zur Folge hätte, dass man der Stadt nichts mehr zutraut.

Prof. Dr. Stefan Polónyi, Tragwerksplaner, sieht die Stadt nicht in der Lage, das Projekt weiterzuführen. Den U-Bahn-Bau hätte man nur bei offener Wasserhaltung durchführen können. Dennoch muss seiner Meinung nach weiter gebaut werden, denn „die Gesellschaft ist immer bereit, für Bequemlichkeiten Kosten und Risiken in Kauf zu nehmen.“ Wirkliche Lösungsansätze sind nicht in Sicht, weder für die Kultur, noch für die U-Bahn.

Ira Scheibe

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Foto: Rheinisches Bildarchiv / Anna C. Wagner

Manfred Osten (l.), Helge Malchow und Stefan Polónyi bei der Podiumsdiskussion

Foto: Christian Wendling

2 Kommentare

MEIN EINZIGER Einfall heute dazu ist „keiner“;

SCHWEIGEN,
Ge-Denken und Nach-Denken,
Trauer-Arbeit.

Endlich spricht es jemand an. Wir haben eine Kluft in der Kölner Kulturlandschaft. Wenn Köln nicht auf seine Kulturschaffenden zugeht, sind bald keine mehr da. Die Kölner Kulturszene kann man dann in Kreuzberg besuchen.