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Hört die Signale

Zum aktuellen Stand der Entwicklung der geplanten Erweiterung des Kölnischen Stadtmuseums.

Am 5. März schien alles klar zu sein im Konrad-Adenauer-Saal des historischen Rathauses zu Köln: Die Stadt und mit ihr der tagende Stadtentwicklungsausschuss zeigten sich geschockt von der Tatsache, dass das Stadtarchiv der Domstadt zwei Tage zuvor eingestürzt war. So wurden die anderen Punkte der Tagesordnung mit der gebotenen Ernsthaftigkeit abgearbeitet, standen aber im Zeichen der Vorfälle in der Severinstraße, wo zu diesem Zeitpunkt immer noch unklar war, wie viele Opfer sich unter den Trümmermassen befanden. TOP 4.2 war schließlich die Vorstellung der Ergebnisse des Werkstattverfahrens zur geplanten Erweiterung des Kölnischen Stadtmuseums.

Bernd Streitberger stellte in seiner Funktion als Dezernent für Stadtentwicklung, Planen und Bauen alle vier Beiträge in rascher Folge vor. Dabei betonte er, dass der Entwurf des Berliner Büros raumzeit dem Oberbürgermeister, als „oberstem Dienstherrn, dem die weitere Entscheidung“ obliege vorgelegt und zur Realisierung empfohlen würde.

Transformation der Mauer

raumzeit hatten sich Köln zuletzt einen Namen durch ihren Beitrag zum Wettbewerb zur Archäolgischen Zone gemacht, der dabei den dritten Rang belegte. Für die Erweiterung des Stadtmuseums sehen die Berliner einen streng linearen Baukörper vor, der die Traufhöhe der alten Wache aufnimmt und sich entlang der Zeughausstraße im Westen an das Ensemble aus Zeughaus und alter Wache angliedert. Diese Lage und die Traufhöhe waren Vorgaben des Werkstattverfahrens, in das auch das nach wie vor ungenannte Stifterpaar involviert war. Der vom Kölner Architekten Hanspeter Kottmaier bereits im letzten Jahr vorgelegte und von Stiftern favorisierte Entwurf, war dabei Grundlage des Werkstattverfahrens.

Zwischen der alten Stadtmauer und der Zeughausstraße entwickeln raumzeit einen Baukörper der nach Norden und Süden das Thema der Mauer transformiert: kleine Öffnungen durchbrechen eine ansonsten geschlossene Werksteinfassade in rhythmisierten Abständen. Nach West und Ost öffnet sich der Bau jedoch mit großzügigen Fenstern zur Stadt. Vor allem durch eine Auskragung im ersten Obergeschoss über die alter Mauer hinweg nimmt der Neubau Bezug zum kölschen Fixpunkt schlechthin auf – den Dom. Diese Auskragung fasst den entstehenden Freiraum zwischen Burgmauer und Neubau zusätzlich und gibt dem hier entstehenden Museumsgarten einen räumlichen Abschluss.

Drei Baukörper und ein Shared-Space

Zeughaus, alte Wache und die Museumserweiterung werden durch verglaste Gänge miteinander verbunden, die alte Wache soll als zentraler Haupteingang des Ensembles dienen. So werden kurze Wege zu allen Exponaten gangbar, die sowohl den Besuchern Freiheiten in der Wahl ihres Weges durch das Museum lassen, als auch den Ausstellungsmachern verschiedene Konfigurationen der Wegeführung innerhalb unterschiedlicher Ausstellungskonzeptionen ermöglichen. Im Bereich des neuen Hofes zwischen alter Wache und Neubau soll die Erweiterung ein Café beherbergen, das sowohl als Museumscafé als auch als öffentlichkeitswirksames Element den Standort für Spaziergänger attraktiv machen soll.

Denn die Freiraumplanung vor dem Museum entlang der Zeughausstraße ist ein weiterer elementarer Teil der Neuplanung. Der Autoverkehr soll komplett in die Burgmauer verlegt werden, die damit die Autospuren in beide Richtungen aufnehmen würde – und dies von ihren Kapazitäten her, laut Bernd Streitberger, auch leisten kann. Für die Zeughausstraße, so der Dezernent, könnte ein Shared-Space angedacht werden. Also eine Lösung, bei der sich alle Verkehrsteilnehmer, egal ob Auto-, Zwei- oder Dreiradfahrer und Fußgänger einen nicht weiter in Fahrbahn und Gehweg differenzierten Straßenraum teilen. In Zusammenspiel mit den ebenfalls angedachten neuen Baumplanzungen und dem Museumscafé könnte so an dieser Stelle ein höchst reizvoller Stadtraum entstehen.

Erstaunen über die Ähnlichkeit zwischen Vorgabe und Ergebnis

Auch die Entwürfe von Schneider + Schumacher, die die Mauer zu einem Teil des Gebäudes machen und mit vielen schiefen Ebenen arbeiten, Töpfer + Bertuleit, deren Beitrag sich durch schießschartenartige Öffnungen zur Mauer hin auszeichnet, Ortner + Ortner Baukunst die einen wahrlich wehrhaften Entwurf mit einer dichten Folge von massigen Baukörpern vorlegten und Penkhues Architekten aus Kassel stellte Streitberger in extremer Kürze vor.

Wirklich bedenklich erscheint nun jedoch die aktuelle Entwicklung, die das Projekt von Seiten der Stifter nimmt. Auch sie haben die Arbeiten für weitere Beratungen nach dem Werkstattverfahren mitgenommen, so Streitberger in der Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses vom 5. März. Diese Beratungen scheinen bei den Gönnern des Projekts zu der Erkenntnis geführt zu haben, dass der ausgewählte Entwurf von raumzeit dem von Hanspeter Kottmaier „zu achtzig Prozent ähnelt“ und sie deshalb weiterhin diesen für die Realisierung präferieren würden. Bis Ende April, so erwartet man von Seiten der Stifter, soll ein unterschriftsreifer Vertrag über den Museumsbau vorliegen. Die Berliner Architekten von raumzeit, die sich im bisherigen Verlauf des Verfahrens an die Vorgaben der Diskretion hielten, erfuhren vom Abbruch der Verhandlungen zwischen ihnen und der Stiftungsinitiative erst durch die hiesige Presse. Das Büro selber erlebte zuvor sowohl das Stifterehepaar als Menschen voll gutem Willen, das Werkstattverfahren unter Einbindung aller Beteiligten empfand man als zielführend und vielversprechend. Und so ist aus Berlin der Versuch der Stadt, eine Ideenkonkurrenz für diesen wichtigen Stadtraum herbeizuführen, durchaus begrüßt worden – zum Wohle der Domstadt hofft man nun an der Spree, dass dies auch umgesetzt wird.

Wo bleibt das „Bekenntnis zur Kultur“?

Die Stadt sieht sich nun mit einem weiteren Problem konfrontiert: Wie geht man einer solchen Forderung um, die scheinbar um jeden Preis gängige Wettbewerbs- und Vergabepraktiken außer Kraft gesetzt sehen möchte? Nimmt man eine Schenkung von geschätzten acht Millionen Euro an, wenn man als Stadt selber weitere sechs Millionen investieren muss? In Anbetracht der Tatsache, dass es sich hierbei ausdrücklich nicht um ein Privatvorhaben handelt, sondern die Belange der Öffentlichkeit betreffend der Stadtraum für die nächsten Jahre und Jahrzehnte verändert wird, wünscht man der Stadt an dieser Stelle ausreichend Rückgrat, um dieses Projekt souverän zu vollenden. Eine weiteres Prestigeobjekt, bei dem die Führung der Stand richtungslos umhereiert kann sich weder die Stadt noch deren Führung leisten. Der Ruf ist ohnehin ruiniert, wie ein jüngst veröffentlichter Brief zeigt. Unterzeichner sind unter anderem Udo Kittelmann, der Direktor der Berliner Nationalgalerie und ehemaliger Direktor des Kölnischen Kunstvereins, René Böll, Sohn von Heinrich Böll, Architekten wie Johannes Schilling oder Walter von Lom, zahlreiche Galeristen, Künstler wie Rosemarie Trockel oder der DJ und Autor Hans Nieswandt. Tenor des Schreibens ist die Forderung, aus dem Einsturz des Stadtarchivs Lehren und Konsequenzen zu ziehen, um damit „den Kölner Bürgern die Möglichkeit zu geben, wieder Vertrauen in die Stadt und ihre kulturelle Bedeutung zu geben.“ „Ein Bekenntnis zur Kultur“ wird hier eingefordert , dass die Stadt schon zu oft schuldig geblieben ist und nun auch im Fall der Erweiterung des Stadtmuseums schuldig zu bleiben droht.

David Kasparek

Zur Homepage des Architekturbüros raumzeit

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