Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Familiensache

Der Kölner Architekt Gottfried Böhm feiert seinen 89. Geburtstag und ein umfangreiches Lebenswerk – zusammen mit dem Museum für Angewandte Kunst.

Es ist ein sonniger Tag. Die Mauer im rechten Bildrand wirft einen tiefdunklen Schatten auf die flache Treppe die sich den Hügel hinaufzieht. Auch der Arkadengang des geschwungenen Gebäudes auf der linken Seite liegt in tiefem Schwarz. Dahinter aber erhebt sich ein asymmetrisches Gebilde, ein Wechselspiel schwarzer Kohlestriche und weißer Flächen. Jeder Architekturstudent im ersten Semester erkennt eine solche Kohlezeichnung, genauso wie das gezackte Gebilde: Beides stammt von Gottfried Böhm, die Zeichnung zeigt sein Meisterwerk – den Mariendom in Neviges. Doch wer sind die beiden Figuren im rechten Bildrand, die den Mariendom betrachten? Ein kleiner, rundlicher Mann mit Stock, daneben ein dünner, größerer. Sie stehen auch vor dem Rathaus in Bensberg, in der Kirche Christi Auferstehung in Köln oder im Hans-Otto-Theater in Potsdam. Der dünnere ist der Architekt, Gottfried Böhm, der sich in der Tradition alter Meister in seinen Werken verewigt, der rundliche sein Vater, Dominikus Böhm, in dessen Geist er nach wie vor entwirft.

Wie der Vater so der Sohn

„Mein Vater war schon sehr Vorbild für mich“, erzählt Gottfried Böhm über den legendären Kirchenbaumeister, „aber er war auch ein Hinderungsgrund für mich, überhaupt Architekt zu werden. Er war ja ein sehr guter Architekt, da habe ich gedacht, das schaffst du nie.“ Er hat es geschafft. Als bislang einziger Deutscher wurde er mit dem Pritzker-Prize ausgezeichnet, hat sich immer wieder verändert und so ein vielfältiges Lebenswerk geschaffen. Einen Überblick über dieses Lebenswerk gibt jetzt die Ausstellung „Felsen aus Beton und Glas“ im Museum für Angewandte Kunst – wo es schon eine Ausstellung über den Vater gab. Und auch hier ist der Vater präsent, nicht nur in der Architektur und in den Zeichnungen, auch als Skulptur. Erstmals werden in der Schau bildhauerische Werke Gottfried Böhms aus seinem Privatbesitz gezeigt, wie die Büste seines Vaters, die normalerweise über das Besprechungszimmer wacht. „Ich wollte ursprünglich Bildhauer werden. Die Bildhauerakademie war ganz nah bei der Hochschule, da habe ich dann zusätzlich ein bisschen Architektur studiert. Dort habe ich dann auch meine spätere Frau kennen gelernt, das war dann noch ein Grund mehr“, berichtet der Architekt schmunzelnd.

Der Bildhauer im Architekten

Der Bildhauer Böhm ist allerdings auch in seiner Architektur präsent, besonders natürlich in den polygonalen Betonbauten, die er in den 1960er Jahren der vorherrschenden Rasterarchitektur entgegenstellt. „Es ist heute schwer zu rekonstruieren, warum ich angefangen habe, so zu bauen“, sagt Böhm, „aber eigentlich ist das Vieleckige durch die Faltwerkkonstruktionen entstanden, die ich gemacht habe. Ich habe mir gedacht, dass es schön wäre, wenn die Faltwerkdecken auch in die Wände übergehen würden.“ Diese gefalteten Wände stehen so sehr für den Architekten Böhm, dass sofort klar wird, was die raumhohen, schräg gestellten Wände in der großen Halle des Museums für Angewandte Kunst bedeuten: Sie sind ein stilisiertes Faltwerk. Entworfen hat sie – wie die gesamte Ausstellungsarchitektur – ebenfalls Gottfried Böhm. Er hat auch die Hängung der in drei Teile gegliederten Ausstellung überwacht und Leihgaben aus seinem Büro zur Verfügung gestellt, so dass die aus dem Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt stammende Schau nun viele der in und um Köln entstandenen Bauten zeigt. Aus den zahlreichen Zeichnungen, Plänen, Fotos und Modellen entsteht ein sehr persönlicher Blick auf das Werk, das von der Kritik zumeist gelobt wurde.

Beton, Ziegel, Glas

„An pauschale Kritik, wie ‚immer diese Betondinger‘ kann ich mich nicht erinnern“, rekapituliert Böhm, „nur meine Mutter hat mal vorsichtig Kritik geübt: Als ich mal wieder etwas in Beton gebaut hatte, hat sie gesagt ’schau doch mal, ein Ziegel ist doch auch etwas sehr Schönes‘. Danach habe ich dann Christi Auferstehung gebaut, dort habe ich neben Beton auch Ziegel verwendet.“ Doch egal welches Material Böhm für seine Gebäude verwendet, ob Ziegel, Beton oder dann später viel Glas, eines haben seine Entwürfe gemein: Mögen sie sich in Material oder Form noch so sehr von der umgebenden Bebauung unterscheiden, den Ort gar dominieren, sie fügen sich auch immer ein, so dass sich ein harmonisches Gesamtbild ergibt. Ob der Mariendom in Neviges, der die hügelige Landschaft des Bergischen Landes widerspiegelt, das Rathaus in Bensberg, das in Beton die Formen der alten Burg nachbildet oder selbst die Glaspyramide der Stadtbibliothek in Ulm, in deren Form sich die Giebeldächer der Altstadt finden. Böhm geht es aber nicht nur darum, sich in die Umgebung einzufügen, er holt sie auch in seine Bauten. Zur Perfektion bringt er diesen „eingehausten Stadtraum“ in der Züblin-Hauptverwaltung in Stuttgart. Ausgerechnet für die Bauunternehmung, die viele seiner Betonbauten umgesetzt hat, baut er eine riesige gläserne Halle zwischen zwei Bürotrakten aus Betonfertigteilen.

Wie die Väter so die Söhne

Gottfried Böhm hat in den 60 Jahren seiner Berufstätigkeit immer wieder überrascht, sich nie gängigen Architekturtrends angepasst – und er ist seinem Grundsatz treu geblieben: „Schön zu bauen, gut zu bauen, dass die Allgemeinheit sich daran freuen kann.“ Mehr Worte braucht er nicht, um sein Leitmotiv zu beschreiben. Er hat eben nie viele Worte um seine Arbeit gemacht. Aber nun ist er doch glücklich über die Ausstellung, die sein Werk zeigt. Und darüber, dass drei seiner Söhne sich für den Beruf des Architekten entschieden haben. Und was sagt einer der Söhne über den Vater? „Er ist schon sehr Vorbild, wie auch sein Vater Vorbild für ihn war“, sagt Peter Böhm. „Das heißt nicht, dass wir ihn kopieren, aber wir versuchen den Geist weiterzutragen, der schon bei meinem Großvater sichtbar war.“ Bleibt abzuwarten, wann die nächste Ausstellung aus der Architektendynastie Böhm zu sehen ist.

Vera Lisakowski

Museum für Angewandte Kunst

Bis 26. April 2009

Dienstag bis Sonntag, 11 bis 17 Uhr

Schwärmerei über den Mariendom in Neviges:

boehm zeichnung neviges

Zeichnung von Gottfried Böhm: Der Mariendom in Neviges, rechts im Bild Vater und Sohn Böhm.

Rechte: Archiv des Deutschen Architekturmuseums (DAM)

boehm skulptur dominikus

Die Büste von Gottfried Böhm zeigt seinen Vater Dominikus.

Foto: Vera Lisakowski

boehm neviges modell

Modell des Mariendoms in Neviges.

Foto: Vera Lisakowski

boehm neviges rechte ropp

Der Pilgerweg zum Mariendom in Neviges.

Foto: Arved van der Ropp, Kirchanschöring

boehm ausstellung

Die schräg gestellten Wände in der Ausstellung erinnern an ein Faltwerk.

Foto: Vera Lisakowski

boehm melaten rechte ropp

Die Kirche Christi Auferstehung, gebaut aus Beton und Ziegel.

Rechte: Arved van der Ropp, Kirchanschöring

boehm ulm modell

Modell der Stadtbibliothek in Ulm.

Foto: Vera Lisakowski

boehm zueblin modell

Modell der Züblin-Hauptverwaltung mit gläsernem Mitteltrakt.

Foto: Vera Lisakowski