Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Wie ist Ihnen mein Entwurf bekommen?

Pfefferkuchenhäuser für Architekten

Die Weihnachtszeit bedeutet für den Architekten eine große, aber vermutlich selten genutzte Chance. Wenn er jetzt nach Feierabend noch in die Küche geht und seinen Entwürfen im Pfefferkuchenteig Gestalt gibt, ist das weit mehr als ein bloßer Gag oder eine Freude für die Kinder – denn das ist das Backen von Häusern zweifellos. Und wenn aus Söhnen oder Töchtern von Architekten später wieder Architekten werden, dann kann es auch an einer solchen frühen und nachvollziehbaren Teilhabe an der elterlichen Tätigkeit gelegen haben. Überlegen Sie es sich also gut!

Hier in der Küche kann der Architekt jedenfalls seine Entwürfe ohne Bedenkenträger, ohne Einmischung von Investoren und ohne zeitraubende Detailzeichnungen frei formen.

Spielerische Befreiung

Der Klumpen Teig in der Hand versetzt den Architekten in die Urszene aller schöpferischen Akte, denn genau in dieser Szene sehen die meisten Schöpfungsmythen einen Gott am Werk, wie er aus dem Klumpen formbarer Masse Leben entstehen lässt. Seinen Entwurf modellierend ist der Architekt von allem befreit, was im Alltag aus dem Entwerfen einen langwierigen Anpassungsprozess der ursprünglich poetischen Idee an die Prosa der Erfordernisse macht.

Essbare Häuser machen zudem eine erste, unmittelbare 3-D-Erfahrung möglich. Hier lässt sich auch gleich testen, ob das Charisma eines Entwurfes auch in einem anderen Material erhalten bleibt. Wenn ein Einfamilienhaus noch in der simplifizierenden Oberfläche des Pfefferkuchenteiges gut aussieht, dann spricht das sicher für den Entwurf.

Außerdem macht man bei der Häuserbäckerei eine nicht zu unterschätzende spirituelle Erfahrung. Denn in der Regel plant der Architekt etwas, das über seinen eigenen Zeithorizont hinausreicht. Dadurch wird sein Plan auf symbolischer Ebene überlebensgroß.

Demut und Appetit

Eine Immaterialie zu gestalten und diese anschließend als Materialie zu verzehren, wirkt dagegen wie eine symbolische Abrüstung: Ich esse eine Idee, die über mich hinausreicht, einfach auf, das ist eine symbolische Umkehrung – möglicherweise wirkt sie sogar lebensverlängernd …

Ganz prosaisch spricht aber auch nichts dagegen, das Pfefferkuchenmodell an seinen Kunden zu verschenken. Denn nur hier kann der Architekt fragen: ,Und, wie ist Ihnen mein Entwurf bekommen?’

Axel Joerss

Die Urszene

Mies van der Rohe: Die Einverleibung der klassischen Moderne …

Es muss es nicht beim Pfefferkuchenteig bleiben, andere Fertigbauteile bieten sich geradezu an: Der neue Eingang zum Südturm des Doms, ganz in Dominosteinen.

Sir Norman in 2 ½ -D