Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Initiative für die Initiativen

Im Rahmen der BDA-NRW-Veranstaltungsreihe „Wer plant die Stadt“ fand in Köln ein Workshop und ein BDA-Montagsgespräch zum Thema Bürgerbeteiligung statt.

Das Problem ist bekannt: Die Stadt beschließt Planungen, im besten Fall wird ein Wettbewerb ausgeschrieben, ein Büro wird mit der Planung beauftragt, es wird gebaut und am Ende sind die Menschen, in deren Viertel geplant wurde, unzufrieden. Ihre Belange wurden nicht oder nur unzureichend berücksichtigt. Statt der dringend nötigen Kita gibt es einen Supermarkt, an Stelle des Spielplatzes und der Grünflächen stehen nun Altglascontainer und Parkflächen zur Verfügung, dort wo alle auf neue Wohnbauten und Nachbarn gehofft hatte entstehen Bürobauten, die für ein trostloses Ambiente nach Feierabend sorgen und statt der versprochenen flanierenden Menschen vom Rendering der Planung rauscht an Wochenenden nur noch der Wind durch die neuen Straßen zwischen den repräsentativen Glaskisten.

Solche oder ähnliche Szenarien finden sich in Köln ebenso wie in München, Berlin, Frankfurt oder Hamburg. Eines scheint vielen klar: Die betroffenen Bürger wurden nur unzureichend und zu spät an den Planungen beteiligt. Um eine spätere Unzufriedenheit allzu vieler zu verhindern greifen immer mehr Städte auf integrative Planungsstrategien zurück. In Köln finden Werkstattverfahren zur Messe-City Deutz oder dem Breslauer Platz statt, im Rahmen des aktuellen Masterplan-Verfahrens gab und gibt es öffentliche Veranstaltungen, in denen Bürger und Fachleute ihre Bedenken äußern können (die nächste in dieser Woche am 6. November).

Städtebau geht alle an

Die Partizipation der Bürger am Stadtbau rückte auch der BDA-Köln mit seiner Veranstaltung „Städtebau geht alle an“ in den Fokus. Unter dem Schirm des Nordrhein-Westfälischen BDA und der für den Oktober ausgerufenen landesweiten Reihe „Wer plant die Stadt“ fanden im Kölner Haus der Architektur (HDA) zwei Workshop-Abende statt, die in einem Montagsgespräch im Kino des Kölner Domforums mündeten. Zu den Workshops lud der BDA vor allem Kölner Bürgerinitiativen und Aktionsbündnisse ein. Unter anderem fanden sich so die Leitbildgruppe, die Sozialistische Selbsthilfe Mülheim, die IG Braunsfelder Bürger oder die Bürgerinitiative Alter Markt / Heumarkt / Rheingarten an den beiden Abenden im nach wie vor latent provisorischen Kölner HDA am Josef-Haubrich-Hof ein.

Beeindruckend tat sich dabei erneut die Initiativgemeinschaft der Braunsfelder Bürger hervor, die mit einer dauerhaften und engagierten Leistung diverse Belange in die künftige Planung ihres Veedels einbringen konnten. Durch die drohende Bebauung des Marktplatzes in Braunsfeld formierte sich diese Initiative bereits 1999. Unter anderem durch ihr professionelles Vorgehen mit der Vorlage eines eigenen Bürgerplans, der mit der Hilfe des Kölner Architekten Reinhard Angelis erarbeitet wurde, und der fachlich fundierten Vehemenz mit der man durch alle Instanzen für die eigene Sache Werbung machte, kann sich die IG heute eine erweiterte Bürgerbeteiligung für große städtebauliche Rahmenplanungen als Erfolg zu gute schreiben.

Fünf Fragen auf dem Weg der Klärung

Fünf Fragen stellte Andreas Fritzen als Moderator und Kölner BDA-Mitglied in den Mittelpunkt der beiden Abende: Wie kann das Engagement Kölner Bürger effektiver genutzt werden? Welche Synergien zwischen den Gruppen und einzelnen Personen sind denkbar? Welche Planungsverfahren haben erfolgreich bürgerschaftliches Engagement berücksichtigt? Wie kann Köln zusätzliche engagierte Bürger und Stifter gewinnen? Welche Rolle kann der BDA und das HDA bei der Förderung bürgerschaftlichen Engagements spielen?

Nicht auf alle wurden dabei Antworten gefunden. Dieser Fakt wurde jedoch von keinem der Beteiligten als Enttäuschung angesehen. Im Gegenteil: „Wenn wir uns am Ende des Workshops alle kennengelernt haben, ist schon einiges erreicht“, so Fritzen. Und in der Tat könnte mit dieser Initiativveranstaltung des Kölner BDA einiges für die Belange der Bürgerinitiativen der Domstadt getan worden sein. Im Haus der Architektur könnten in Zusammenarbeit mit den Partnern koelnarchitektur.de und BDA die Fäden für weitere partizipatorische Planungen zusammenlaufen. So können sich die Initiativen und Bündnisse untereinander austauschen, von positiven wie negativen Erfahrungen der jeweils anderen für das eigene weitere Vorgehen lernen und gezielter kooperative Mitglieder der Verwaltung ansprechen.

Bremser in der Verwaltung

Zwei Mitglieder dieser scheinbar so raren Spezies auf Ebene der Verwaltung saßen zum Abschluss auf dem Podium des BDA-Montagsgesprächs am 27. Oktober im Kölner Domforum: Jürger Klipper von der CDU-Fraktion und Bernd Streitberger, der Beigeordnete des Dezernats für Stadtentwicklung, Planen und Bauen der Stadt Köln. Zumindest von diesen beiden Kölner Verantwortungsträgern war eine prinzipielle Bereitschaft für eine stärkere Bürgerbeteiligung in der künftigen Planung zu vernehmen. So könnten die Erfahrungen der Stadt im Rahmen des Verfahrens in Braunsfeld auch für aktuelle Vorgänge in anderen Bereichen genutzt werden. Die Hoffnung, dass sich dieses Ziel in der Realität umsetzen lässt wollte keiner der Beteiligten aufgeben, doch, so der Geschäftsführer des BDA-Köln Christian Wendling, „die entscheidenderen Probleme in der Umsetzung solcher Forderungen finden sich eher in der mittleren Verwaltungsebene“ und selten an höchster Stelle. So wäre es der Stadt und ihren Bürgern zu wünschen, dass sich auch in diesen Gremien herumspricht, dass die Bürger im Zweifel einfach das beste für sich wollen – und damit auch für die Stadt, in der sie leben. Mit der nötigen fundierten Moderation könnten so in Zukunft Projekte entstehen, die alle Beteiligten deutlich befriedigter hinterlassen, als das heute der Fall ist.

David Kasparek

stadthaus

Wer trifft wo welche Entscheidung?

bürger

Wie nimmt die Öffentlichkeit an diesen Entscheidungen anteil?

brücke

Wo führt Bürgerbeteiligung hin? Wohin würde eine Planung ohne die Einbindung von Bürgerinnen und Bürgern führen?

indivisuum

Was kann das Individuum für die Masse tun?

achterbahn

Welche Folgen hat fehlende partizipatorische Planung? Kann trotz Bürgerbeteiliung Funktionierendes entstehen – oder gerade wegen ihr?