Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Der Fleißige

Eine Schau zeigt das umfangreiche Lebenswerk Friedrich Wilhelm Kraemers – der Kölner Architekt Kaspar Kraemer erinnert sich an seinen Vater.

Fabriken, Bürogebäude, Schulen und jede Menge Privathäuser. Er hat wohl ganz Braunschweig gebaut. Und das Umland noch mit. Diesen Eindruck bekommt der Besucher der Ausstellung „Gesetz und Freiheit“ über das Lebenswerk des Architekten Friedrich Wilhelm Kraemer. Im vergangenen Jahr wäre er 100 Jahre alt geworden, deshalb hat die Technische Universität Braunschweig eine Schau zusammengestellt, die nun im Düsseldorfer Haus der Architekten zu sehen ist. „Mein Vater hat selbst mal gesagt, er habe zu viel gearbeitet in seinem Leben“, erzählt der Kölner Architekt Kaspar Kraemer, „für die Familie war da nicht viel Zeit.“ Aus ganz kleinen Verhältnissen hat sich der 1907 in Halberstadt geborene Friedrich Wilhelm Kraemer hochgearbeitet, mit 23 Jahren macht er seine Diplomarbeit; seine Dissertation schreibt er als Kriegsverwundeter im Lazarett. „Er war unheimlich fleißig, ehrgeizig und anspruchsvoll, wilhelminisch geprägt, aber genau das war die Grundlage für seinen Erfolg“, sagt Kraemer über seinen Vater, „und so wurde er zum bedeutendsten Architekten in Braunschweig und bekam auch die bedeutendsten Bauaufgaben.“

Umfangreiches Werk

Direkt nach dem Krieg wird Friedrich Wilhelm Kraemer zum städtischen Oberbaurat von Braunschweig ernannt, ist für den Wiederaufbau der Stadt verantwortlich. Aber schon kurz darauf gibt er diesen Job auf, zugunsten einer Professur für Gebäudelehre und Entwerfen an der Technischen Hochschule Braunschweig. „Die Hochschule hat meinem Vater sehr viel Spaß gemacht“, erinnert sich Kaspar Kraemer, „aber zusammen mit seinem Büro war es auch eine unglaubliche Doppelbelastung.“ Wer in der thematisch unterteilten Ausstellung die vielen Fotos und Zeichnungen von Kraemers Gebäuden, aber auch die akribische Vorbereitung seiner Vorlesungen betrachtet, kann diese Aussage nur zu gut nachvollziehen. Und dabei werden nur wenige Ausschnitte seines Werkes gezeigt, denn, so sagt Kaspar Kraemer: „Mein Vater hat immer nur nach vorne geschaut, deshalb gibt es auch kein Archiv.“ Die liebevoll zusammengetragenen Erinnerungsstücke werden in der Schau im Werkstattcharakter auf sechs Stellwänden präsentiert. Es sind ganz normale Entwurfs- und Planungszeichnungen und einfache Schwarz-Weiß-Fotos, die hier gezeigt werden – mit Charme vermitteln sie die lichte Schlichtheit von Kraemers Architektur, geben Einblick in die tägliche Architektenarbeit der damaligen Zeit, aber auch in das Privatleben des vierfachen Vaters.

Architekturerbe

So ist auf einem Foto des Braunschweiger Hauses der Familie Kraemer eine Säule im Garten zu entdecken. Sie stammt aus dem von Carl Theodor Ottmer geplanten klassizistischen Bahnhofsgebäude in Braunschweig. „Als die Rotunde nach dem Krieg abgebrochen wurde, hat sich mein Vater die Säule gesichert, solche Spolien haben ihm Freude gemacht – das habe ich wohl von ihm geerbt“, erzählt Kaspar Kraemer und blickt dabei schmunzelnd auf die Erinnerungsstücke in seinem Büro. Aber noch anderes hat der Sohn vom Vater geerbt: den Architekturstil. Als Begründer der „Braunschweiger Schule“ bildete für Friedrich Wilhelm Kraemer eine übergeordnete Struktur die Grundlage für jegliche Architektur, subjektive Willkür oder freie Gestaltung kamen bei ihm nicht vor. Kraemer entwickelte eine Proportionslehre, aufbauend auf dem Raster als architektonischer Basis – und so entstanden viele Gebäude mit einer ganz klaren Form und ohne jegliche dekorative Elemente, wie zum Beispiel das elegante NWDR-Funkhaus in Hannover, das Warenhaus Flebbe in Braunschweig, das erste Gebäude in Deutschland mit einer Vorhangfassade, die DKV-Verwaltung in Köln und fünf Bankgebäude in Düsseldorf. Der Sohn arbeitet heute in dieser Tradition weiter, „man wächst da so rein“, erklärt Kaspar Kraemer, „mein Vater hat mich nie spürbar gepusht, aber er wollte schon sein Wissen weitergeben und mich in einer bestimmten Richtung haben.“ Und was, wenn der Sohn doch eher wie Frank Gehry entworfen hätte? Für die Antwort auf diese Frage zitiert Kaspar Kraemer seinen Vater: „Über Architektur, die nicht seiner Klarheit entsprach, hat er immer nur gesagt: ‚Das Eisenbahnunglück ist gerade passiert.'“

Vera Lisakowski

Haus der Architekten

Zollhof 1

Düsseldorf-Medienhafen

Öffnungszeiten: Mo. – Fr. 8.00 – 17.00 Uhr

Bis 25.11. 2008, Eintritt frei

Gesetz und Freiheit – Homepage der Ausstellung

Informationen der Architektenkammer NRW zur Ausstellung

kraemer aknw 01

Mit Fotos, Erinnerungsstücken und Zeichnungen erinnert die Ausstellung an Friedrich Wilhelm Kraemer.

Foto: Vera Lisakowski

kraemer aknw 02

Der Kölner Architekt Kaspar Kraemer.

Foto: Vera Lisakowski

kraemer aknw 03

Die schlichte Ausstellungsarchitektur unterstützt den Werkstattcharakter der Schau.

Foto: Vera Lisakowski

kraemer aknw 04

Fotos und Entwurfszeichungen zum Umbau der Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel.

Foto: Vera Lisakowski

kraemer aknw 05

Die Stadtsparkasse Düsseldorf, 1959 – 1964 gebaut von Friedrich Wilhelm Kraemer.

Foto: Heinrich Heidersberger, Düsseldorf 1964 © arturimages