Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Viele Stege führen nach Rom

Zum Römermuseum in Xanten

Das im August eröffnete RömerMuseum des Kölner Büros Gatermann + Schossig versucht einen unmittelbaren Zugang zum antiken Leben. Das Museum, das sich derzeit am Rande des Archäologischen Parks Xanten findet und von dessen geplanter Erweiterung zukünftig umschlossen werden soll, ergänzt den in den neunziger Jahren errichteten Schutzbau der Thermen und setzt zugleich dessen Ausstellungskonzept in einem historischen Parcours fort.

Interpretation des Gewesenen

Das neue Museum zeichnet, ebenso wie sein Nachbar, die Kubatur des römischen Gebäudes nach, auf dessen Grundmauern es errichtet wurde. Während der Schutzbau der Thermen mit seinen Glaswänden einen ganzen Gebäudekomplex abbildet, zitiert der singuläre Baukörper des Museums das ehemalige Eingangsbauwerk der Anlage, die basilica thermarum. Mit seinen Abmessungen – einer Grundfläche von 70 mal 20 Metern und einer Höhe von 18 Metern – vermittelt es einen Eindruck der Imposanz römischer Kolonialarchitektur, auch wenn seine schimmernde Hülle und das leuchtend rote Dach einen eher unwirklichen Eindruck auf der „grünen Wiese“ der niederrheinischen Ebene machen.

Das Konzept des Archäologischen Parks basiert auf einer Rekonstruktion antiken Lebens, das in der Kulisse rekonstruierter Bauten erzählt wird. Interpretation ist dabei immer Mittler zwischen historischen Zeugnissen und zeitgenössischer Wiederbelebung. Die Antike bleibt in ihrer Realität Annahme eines heutigen Blicks, dessen Erfahrungshorizont sich um viele Jahrhunderte erweitert hat. So kann die Idee, die Bauten von Therme und Basilika zwar in ihrer Kubatur, jedoch in moderner Konstruktion nachzubilden, als Tribut an die notwendige Distanz des Damals und Heute gesehen werden.

Nähe des Entfernten

Verglichen mit dem Thermenschutzbau, der auf seinen horizontalen Stegen eine eher typologische Annäherung an die umfriedeten Reste römischer Badekultur erlaubt, enthebt das Museum den Besucher mit seinem rund 300 Meter umfassenden Ausstellungsparcours der „flachen“ Betrachtung. Der Fortschritt der Zeit wird hier mit einem Fortschritt in die Höhe gleichgesetzt, so dass man sich am Ende des chronologisch organisierten, gezackt verlaufenden Wegs unter dem Dach des Neubaus wiederfindet.

Die freigelegten Reste einer Römerstraße, in deren Grund sich Fuß- und Wagenradspuren erhalten haben, stimmen den Besucher am Eingang des Museums auf den Gang in die Historie ein. Hier scheint Geschichte in greifbare Nähe gerückt zu sein. Diese authentische Greifbarkeit originaler Funde entwickelt sich in der vom Stuttgarter Atelier Brückner inszenierten Ausstellung zu einer Einbindung des Gefundenen in seinen rekonstruierten Alltag, etwa wenn in Vitrinen Werkzeug- und Waffenfunde an lebensgroßen Bildern römischer Soldaten oder fränkischer Krieger auf bedrucktem Glas präsentiert werden.

„Geschichte zum Anfassen“ scheint an einigen Stellen wörtlich übersetzt worden zu sein: Vor allem Kinder nutzen mit anfänglicher Scheu und späterer Begeisterung die Gelegenheit, die rekonstruierte Ausrüstung römischer Legionäre zu schultern oder einen Blick durch Gladiatorenhelme zu wagen. Beschallungen und „Riechboxen“ sprechen weitere Sinne an, um das Eintauchen in die virtuell rekonstruierte Welt der Spätantike zu unterstützen. Auch auf Computeranimationen wurde nicht verzichtet, etwa wenn es galt, historische Bauten in ihrer Entstehung zu zeigen.

Eindrücke des Vielen

Die Zielsetzung des Museums, oftmals trocken vermittelte Geschichte anschaulich zu erzählen, ist offensichtlich. Dabei greift die Ausstellung auf differenzierte Arten der Vermittlung zurück, um die Besucher „mit allen Sinnen“ in die Lebenswelt der Antike zu führen.

Genau diese Vielfalt jedoch ist es, die zugleich den Schwachpunkt der Ausstellung darstellt. Gerade weil sie sich in einer Vielzahl von Medien ausdrückt, die oftmals einen betont zeitgenössischen Ausdruck finden, kommt der Besucher um eine Reizüberflutung nicht umhin. So gehen Highlights der Ausstellung, wie etwa der „Lüttinger Knabe“ oder das römische Floß, in einem multimedialen Lärm unter, der durch die aufgeregte Form des raumgreifenden Stegs noch verstärkt wird. Nirgends, außer vielleicht an den Wänden des Gebäudes, die ihrerseits aber auch wieder Träger bildlichen Inhalts werden, findet das Auge Ruhe. Und so bietet sich in Xanten ein Blick in die Geschichte, der nicht ohne Phänomene der Konsumwelt auskommt: Die Flut der Zeichen wird zum dekorativen Selbstzweck, der nur bedingt auf den Inhalt verweist. Doch vielleicht ist auch das eine Interpretation des zeitgenössischen Blicks auf die Dinge der Geschichte.

Rainer Schützeichel

RömerMuseum Xanten

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RömerMuseum und Schutzbau der Thermen

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Die Idee des Parcours der Thermen setzt sich in dem Weg des benachbarten Museums fort

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Der Eingangsbereich des Museums mit seiner aufgeregten Vielfalt von Exponaten und Wegen

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Boxen kennzeichnen Schnitte und Übergänge im chronologisch angelegten Weg durch die Ausstellung

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Verwirrende Vielfalt und optische Unruhe – das besondere Exponat wird eines von vielen Zeichen

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Originalfunde und deren zeitgenössische Übertragung

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Schnitt durch RömerMuseum und Thermen