Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Anspruch und Wirklichkeit

Die A:JUGEND nimmt studentische Projekte des diesjährigen Forums aktueller Architektur unter die Lupe. Der Bericht eines Streifzuges über die ‚plan08‘.

Zu Beginn der Entdeckungstour erwartet mich eine Enttäuschung auf dem Ebertplatz: Die Inszenierung des seit Jahren Brach liegenden Brunnens bleibt harmlos. Von einer „Öffentlichen Attacke“, wie die Kunsthochschule für Medien in Köln die Projekte ihres Experimentallabors „MinusEins“ bezeichnet, kann hier nicht die Rede sein. Die Frage, ob die Studierenden sich den Titel ihrer Aktion „Watt kütt, datt kütt“ gleichzeitig auch als Credo angenommen haben, drängt sich auf. Die vermeintlich kölsche Mischung aus Fatalismus und Spontanität ist zu spüren – der Start eine halbe Stunde verspätet, die Musik zu leise und das Wasser spritzt nur zurückhaltend. Ob es Konzept ist oder nicht – die kurzzeitige Verwandlung des Brunnens in eine „Quelle zirzensischer Sinnesfreuden“ bleibt leider aus.

Weiter zur nächsten „Öffentlichen Attacke“, insgesamt sind es fünf an der Zahl. Das „Büro für Unabwägbarkeiten“ erforscht eine Brachfläche in Köln Kalk, indem die Studierenden während der plan hier zelten. Ein spannendes Thema, umso ärgerlicher, dass ich die temporäre Bleibe der Studierenden nicht finden kann. Mitten im Nirgendwo zwischen Brombeersträuchern, Ratten und Baustellenzäunen gebe ich auf und entscheide mich für den Rückweg. Ein Hinweisschild, Rauchzeichen oder dergleichen hätten hier gute Dienste geleistet.

Nach der erschreckend menschenleeren Öde geht es nun wieder zurück ins Stadtzentrum. Über den Heumarkt schieben sich die Menschenmassen, hier wird der Weltkindertag gefeiert. Da hat die 3. öffentliche Attacke – die Audioinstallation am Reiterdenkmal von Friedrich Wilhelm III. – leider das Nachsehen: Sie ist schlichtweg nicht zu hören.

Öffentliche Attacken bleiben aus

Die nächste Station wird das VHS-Studienhaus am Neumarkt, der diesjährige meetingpoint der plan. Die erste Attraktion ist hier zweifelsohne der Paternoster. Er ist keine plan-Installation, sondern gehört zum Inventar der VHS. Mit ihm geht es also in den dritten Stock: Hier besichtige ich zunächst die vierte öffentliche Attacke: Zwei koreanische Künstlerinnen zeigen unter dem Namen „Zwischen den Landschaften“ Collagen aus ihrem Leben in Köln und ihrer Heimat Korea. Eine Studentin wählt dafür das Medium Zeichnung, die Zweite zeigt Videoaufnahmen. Beide Arbeiten beeindrucken durch handwerkliche Qualität und spannende Inhalte.

Unter dem Titel „MUF – Mobile Urbane Floßeinheiten“ stellt die RWTH Aachen Studienprojekte aus dem Lehrgebiet „Konstruktives Entwerfen“ vor. Die Studierenden entwickelten schwimmende Funktionseinheiten, welche die Nutzung von innerstädtischen Wasserflächen ermöglichen sollen. Vom Festivalzelt bis zur Rettungsstation – für verschiedenste Funktionen werden innovative Konstruktionen entwickelt, die in Plan und Modell angemessen präsentiert werden.

Im ersten Geschoss hat sich das „Unortkatasteramt“ während der plan-Woche eingerichtet. Die Kölner Kunsthochschule für Medien fordert Kölner und Gäste auf, ihre persönlichen Unorte analog auf einer Kartenwand oder digital im Laptop einzutragen. Spätestens hier wird deutlich, dass das VHS-Gebäude nicht nur wegen des Paternosters und der Dachterrasse als meetingpoint bestens geeignet ist. Da während der plan der VHS-Betrieb wie gewohnt seinen Lauf nimmt, mischen sich Profis und Laien. Für das Unortkataster ein großer Vorteil: Die Diskussion über Kölns Unorte findet nicht nur zwischen Profis mit geschultem Blick statt, sondern der normale Kölner Bürger wird sensibilisiert für Fragen wie: An welchen Orten in Köln fühle ich mich unwohl? Wenn es dem Unortkataster gelingt, dass Kölner Bürger dieser Frage nachgehen, wäre das Projekt als ein voller Erfolg zu werten.

Die Nostalgie zieht ein: die Raumerweiterungshalle

Vom Unortkatasteramt geht es nun weiter zur Raumerweiterungshalle. Die Hochschule Wismar ruft mit ihrer Ausstellung das mobile Baumodul der ehemaligen DDR in Erinnerung. Dieses zeichnet sich dadurch aus, dass es bis zu acht mal teleskopartig ausziehbar ist. Es lässt sich also leicht transportieren, außerdem schnell und ohne Unterstützung von Handwerkern aufbauen. Ob als Kino oder Konsumverkaufsstelle – in Plänen und in einem Modell wird gezeigt, wie vielseitig das Modul eingesetzt wurde. Eine posthume Ehrung der Raumerweiterungshalle, welcher bis dato nicht genug Respekt gezollt wurde. Damit ist jetzt zumindest in Köln Schluss. Dennoch wäre es bestimmt spannend gewesen, einen Schritt weiterzugehen und nach der Darstellung dieses mobilen Baumoduls einen Transfer zu leisten: Könnte man die Raumerweiterungshalle heute noch – oder gerade wieder – einsetzten?

Der letzte Programmpunkt ist die noch in ihrer Herstellung befindliche Collage der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft aus Bonn. Architekturstudierende setzen sich in der plan-Woche zum Ziel, eine Wandfläche, bestehend aus vielen quadratischen weißen Flächen, mit Eindrücken zum Belgischen Viertel zu füllen. Aus gegebenem Anlass wird die Collage im Hallmackenreuthers am Brüsseler Platz her- und ausgestellt. Das Viertel wird von den Studierenden täglich auf verschiedene Kriterien untersucht, die Ergebnisse dieser Studien werden anschließend in Form von Bild und Text an die Wand gebracht. Noch sind viele Flächen weiß, und über inhaltliche Qualitäten lässt sich noch nicht urteilen, doch gestalterisch scheint die mit beeindruckenden Handzeichnungen gespickte Collage in jedem Fall eine runde Sache zu werden.

Darüber hinaus präsentiert sich die Fakultät für Architektur der Fachhochschule Köln mit drei verschiedenen Arbeiten. (DieA:JUGENDberichtete)

Im Rahmen des Diplomthemas „WohnRaumStadt“ widmen sich Diplomanden unter der Leitung von Professor Uwe Schröder im Sommersemster 2008 der Fragestellung, wie städtisches Wohnen in der Zukunft aussehen könnte.

Zum vierten Mal sind die Arbeiten des Seminars „Der architektonische Raum“ von Professor Uwe Schröder in den Räumlichkeiten der Fachhochschule zu besichtigen. In diesem Jahr werden Architekturtheorien des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert in abstrakten Betonmodellen dargestellt. Auch die Ergebnisse der Sommerakademie in Bologna aus dem Jahr 2006/2007 sind in diesem Herbst zur plan einem breiten Publikum zugänglich.

Ein Fazit

Es bleibt festzuhalten, dass die studentischen Arbeiten in diesem Jahr einen bunten Überblick über die Vielfältigkeit der architektonischen Lehre an den Hochschulen anbieten. Ihnen liegt die grundsätzliche Frage nach dem Umgang mit öffentlichem Raum zugrunde, sie zeigen allesamt Potentiale auf – doch nicht Allen gelingt es, dem selbst definierten Anspruch gerecht zu werden. Viele Projekte haben gemein, dass sie das Bewusstsein für urbane Situationen schärfen wollen. Laut und leise wird viel kritisiert – doch eigene Aussagen werden leider selten formuliert.

Stephanie Ludwig

Der Paternoster begeistert Groß und Klein

Die Inszenierung des Ebertplatzes war zaghaft – von einer ‚öffentlichen Attacke‘ kann hier keine Rede sein

Die Zeichnungen der koreanischen Künstlerin – leider wurde schon eine Leinwand gestohlen.

Der grüne Teppich leitet die Besucher durch das Haus; hier führt er zur Ausstellung der RWTH Aachen

Analog oder digital – der Besucher kann entscheiden, wie er seine persönlichen Unorte mitteilt.

Noch schmücken viele weiße Quadrate den Raum im Hallmackenreuthers – das wird sich bis zum Ende der Woche ändern