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Trialog der Religionen

Stadtrat beschließt weitere Schritte zur Realisierung von Moschee und „Archäologischer Zone und Jüdischem Museum“

In seiner Sitzung vom 28. August hat der Rat der Stadt Köln den Weg zur Realisierung zweier Projekte geebnet, die in der Vergangenheit für nicht nur sachlich geführte Diskussionen gesorgt haben: Zum einen beschloss der Rat eine Bebauungsplanänderung für das Grundstück in Ehrenfeld, auf dem die Türkisch-Islamische Union (DITIB) die neue Zentralmoschee nach Plänen von Paul Böhm errichten wird. Zum anderen wurde ein Planungsbeschluss für die Archäologische Zone und das „Haus und Museum der jüdischen Kultur“ gefasst, der nun weitere Schritte zur Bebauung der brachliegenden Fläche vor dem Kölner Rathaus durch das Büro Wandel Hoefer Lorch + Hirsch ermöglicht.

Bau der Gemeinde

Schon bald dürfte sich an der Kreuzung Venloer Straße/Innere Kanalstraße reges Bautreiben einstellen. Durch den Ratsbeschluss, der das vorangegangene Votum von Bezirksvertretung und Stadtentwicklungsausschuss zur Änderung des Bebauungsplans bestätigt, ist es der DITIB nun möglich, den Bau der Zentralmoschee zu beantragen und ihn in nächster Zeit auch zu beginnen. Dann nehmen die Planungen des Architekten Paul Böhm, der den Wettbewerb gemeinsam mit seinem nicht zuletzt durch zahlreiche Kirchenbauten berühmt gewordenen Vater Gottfried Böhm im Jahr 2006 gewinnen konnte, endlich fassbare Gestalt an.

Der Entwurf sieht eine von zwei 55 Meter hohen Minaretten flankierte Kuppel vor, die sich mit ihren Beton- und Glasflächen über den Gebetsraum der Moschee wölbt. Die Minarette wurden in Überarbeitungen des Wettbewerbsbeitrags in ihrer formalen Gestalt abstrahiert – eine von Kritikern gemahnte Höhenreduzierung fand jedoch in Anbetracht der hoch aufgeschossenen Nachbarschaft nicht statt. Allerdings wird die Baugrube nicht ganz so tief werden müssen, wie anfangs geplant: Der Verzicht auf zwei von drei Untergeschossen reduziert die Bruttogeschossfläche zwar erheblich, doch wird er dem Passanten nicht weiter auffallen. Wenn alles läuft wie geplant, wird er sich bereits 2010 ein Urteil über die Architektur des muslimischen Gotteshauses bilden können.

Kontur des Viertels

Nicht ganz so schnell dürfte der Bau der Archäologischen Zone und des „Hauses und Museums der jüdischen Kultur“ abgeschlossen sein. Doch stellt auch hier das Jahr 2010 ein entscheidendes dar: Die mit dem Museum eng, ja untrennbar verknüpfte Archäologische Zone soll dann als zentrales Projekt der „Regionale 2010“ weitgehend zugänglich sein.

Nun bedeutet der „Planungsbeschluss“ des Stadtrates zwar noch keine endgültige Bestätigung des Bauvorhabens, das mit seiner das jüdische Museum aufnehmenden Hülle die Grabungen der Archäologischen Zone einhaust – dazu ist ein noch zu fassender „Baubeschluss“ notwendig. Doch ist damit immerhin ein wichtiger weiterer Schritt auf dem Weg zu einer Realisierung getan. Nun geht es darum, den Wettbewerbsentwurf mit Blick auf die Anregungen der Jury zu überarbeiten. Der Architekt Wolfgang Lorch benennt die wichtigsten Änderungen am Baukörper mit der Bereitstellung von mehr Platz für die Eingangssituation des Wallraf-Richartz-Museums: Dem Platz zur Rathauslaube, der einer historischen Kontur folgt, wird im Süden des Neubaus eine lineare Platzsituation an die Seite gestellt. Diese wird durch einen vergrößerten Abstand zwischen den beiden Museen und eine daraus resultierende Weiträumigkeit der Zugänge erreicht.

Nach Eingang des Planungsauftrags kann, so Wolfgang Lorch, in drei bis vier Monaten mit einem Variantenvorentwurf gerechnet werden. Die Zeichen stehen gut, dass sich die Architekten nicht durch das Hin und Her der Stadtoberen, beispielsweise bei der Frage nach Alternativstandorten, irritieren lassen und einen angemessenen Entwurf für dieses so wichtige städtebauliche Feld erarbeiten.

Exempel der Stadt

Mit der Realisierung dieser beiden Bauvorhaben – eines explizit der Religion gewidmeten und eines das Leben eines Kulturkreises darstellenden – böte sich in Köln jenseits aller kleinkariert politischen und ideologischen Debatten die Chance, ein Signal zu setzen, das über das Gebaute in das kollektive Gehör dringen könnte: Das Signal eines toleranten Nebeneinanders der Kulturen im Mikrokosmos der Stadt, das im Makrokosmos nur allzu oft unmöglich zu sein scheint.

Rainer Schützeichel

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Ansicht der Moschee, von der Inneren Kanalstraße aus gesehen

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Die Fotomontage zeigt den Wettbewerbsentwurf zu ‚Archäologischer Zone und Jüdischem Museum‘ der Architekten Wandel Hoefer Lorch + Hirsch

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Das neue Museum als Stifter des Ortes

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