Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Der Kran, der eine Brücke ist.

Tragwerk und Statik der „Kranhäuser“ im Rheinauhafen.

Schon jetzt im Rohbau und in den computersimulierten Ansichten verblüffen die Kranhäuser mit ihren sehr großflächigen „Auslegern“ gegenüber den schmal erscheinenden Aussteifungsflächen der unteren Geschosse. Was hält hier wie, mag sich mancher Spaziergänger fragen. Solange das Kranhaus seine gläserne Hülle noch nicht angelegt hat, lässt sich die Konstruktion anschaulich nachverfolgen.

Hauptkern und „Kranarm“

Ein Rückgrat des Gebäudes bilden die vier Aufzugsschächte im Hauptkern. Sie sind zu einem stabilen Kasten verbunden. Acht Stockwerke wächst das Gebäude recht unspektakulär hinauf, bis sich plötzlich auf einer Höhe von 40 m zwei fünfgeschossige Gebäuderiegel weit in die Luft Richtung Rhein schieben.

Diese Riegel ruhen zunächst vom Hauptkern aus gesehen auf einem 32 m überspannenden Brückentragwerk: in jedem Riegel verlaufen im Fundament drei Spannbetonträger, die drei Meter hoch und bis zu einem Meter breit sind. Ein Bündel von bis zu neun Stahlstangen mit je 10 cm Durchmesser durchläuft parabelförmig die einzelnen Träger. Mittels hydraulischer Pressen werden sie „unter Druck gesetzt“, bzw. vorgespannt. In Verbindung mit den darüber und darunter liegenden Decken bilden sie eine tragende Brücke. Die 20.000 t schweren darauf ruhenden Geschosse drücken die vorgespannten Träger gleichsam wieder in ihren ebenen Ausgangszustand zurück, so dass ein „Durchhängen“ der oberen sechs Ebenen vermieden wird. Als Auflager für die 32 m frei tragende Brücke dient auf der einen Seite der über alle 17 Obergeschosse durchgehende Hauptkern des Gebäudes. Die Tragkonstruktion für das in 40 m Höhe liegende verschalte Sockelgeschoss wird am fertigen Gebäude teilweise an der vertikalen, ebenfalls verschalten Stützwand ablesbar sein.

Brücken bauen

Bis hierhin stimmt die Analogie zum Kran mit seinem senkrechten Körper und darauf lastenden Tragarm. Diese Vorstellung eins zu eins in Architektur umzusetzen, ist bei den hier angestrebten Bauvolumina statisch nicht machbar. Bauvorschriften verlangen außerdem ein zweites Treppenhaus – von jeden Punkt einer Arbeitsstätte aus muss nach 40 Metern ein gesicherter Fluchtweg erreichbar sein. In der Mitte zwischen den beiden Gebäuderiegeln, 32 m vom Hauptkern entfernt, steht ein zweites Aufzugs- und Treppenhaus und dient als Auflager für die Abfangebene.

Rheinseitig sind die Brückenträger in eine 1,80 m dicke Querwand eingespannt, die sich in einer Achse mit der Rückwand des freistehenden Aufzugschachtes befindet. Sie erwächst pyramidenförmig abgestuft über drei Geschosse. Insgesamt 64 vorgespannte Stahlstangen versteifen die Wand horizontal und vertikal. Hier werden die Druck- und Schubkräfte der anderen Brückenhälfte konzentriert und in die Stütze abgeleitet. Auch die Last der Gebäudeteile, die weitere 16 m Richtung Rhein reichen, wird hier abgeführt. Die Gesamtlänge der auskragenden Geschosse beträgt 48 m.

Wie sein Pendant im Hauptkern besteht auch der frei aufragende Aufzug- und Treppenschacht aus mittels Wandscheiben miteinander versteiften Einzelstützen. Allein in diesem Stützenpaar werden 125 t Stahl verbaut, soviel wie normalerweise in siebzehn Einfamilienhäusern.

Wind und Wasser

Nicht nur das Nettogewicht der auflastenden Geschosse, auch die in dieser Höhe entstehende Windlast wird in das Stützenpaar abgeleitet und erzeugt dort große Schub- und Torsionsbelastungen. Die Steifigkeit des Gebäudes hält ebenfalls der Belastung bei Erbeben Stand. Mit Hilfe von Modelltests ist ein Bewegungsspielraum von acht Zentimetern an der äußeren Kante zum Rhein hin festgestellt worden. Wenn also mal den Mitarbeitern der Boden unter den Füßen schwankt, kann es durchaus am Wetter liegen.

Unter der Brücke der Kranhäuser durchquert die Tiefgarage die Untergeschosse. Die Gründungen der Gebäude wurden schon im Jahr 2002 im Zusammenhang mit dieser Baumaßnahme errichtet. Ein unterirdischer Betonwald von 64 Pfählen, in 16 m tiefe Bohrlöcher gegossen und mit einer speziellen Oberflächenverfestigung versehen, sichert die Gebäudefundamente in Rheinnähe. Auch der erste Meter der Deckenplatte wurde bereits in dieser Phase gegossen.

Als dann 2006 die Bauarbeiten an dem ansteigenden Gebäude begannen, mussten diese Fundamente aufwendig aufgefrischt werden. Die Bodenplatte sollte auf ihre endgültige Dicke von 2,70 m anwachsen. Dazu wurde die Fugenfläche gesäubert und aufgeraut und die Verbindungen mit den Betonstahleinlagen aus den Pfählen hergestellt.

Das gesamte Untergeschoss ist zum Schutz gegen Hochwasser als eine „Weiße Wanne“ ausgebildet, das heißt, es ist mit wasserundurchlässigem Beton ummantelt. Die Erdgeschosseingänge können druckwasserfest verschlossen werden.

Kran aus Glas

Noch ist der Eindruck bestimmt von Beton und Baustelle. Die Baulogistik stellt eine ganz besondere Herausforderung dar: die Stabilität des Gebäudes während der unterschiedlichen Bauzustände zu gewährleisten, erfordert hoch komplexe Abstimmungen zwischen Tragwerksplanung und dem ausführenden Unternehmen. Schon nach Aufbringen einer Teilvorspannung im Rohbau schwebt das selbsttragende Fundament in 40 m Höhe und kann als Lagerstätte für die noch zu errichtenden Geschosse dienen. Das Lehrgerüst wird abgesenkt und wartet jetzt nur noch auf die Anbringung der Fassade der Gebäudeunterseite.

Die „liegenden“ Fassaden und die darunter befindlichen Sockel bestehen aus Aluminiumblechkassetten. Ansonsten ist das Kranhaus rundum verglast, so auch der freistehende Treppen- und Aufzugschacht. In unmittelbarer Nachbarschaft zum Fluss ergeben sich vielfältige Licht- und Spiegeleffekte. Leuchtpaneele sollen Hauptkern und auskragende Geschosse rahmen und so die Kranform der Gebäude betonen. Man darf gespannt sein auf den Anblick der neuen gläsernen Kräne – die eigentlich Brücken sind.

Ira Scheibe

Ab dem achten Geschoss wächst das Kranhaus nicht mehr nur in die Höhe. 48 Meter streckt sich der Ausleger Richtung Rhein.

Foto: AWD Ingenieurgesellschaft mbH

Kranhaus Mitte im fertigen Bauzustand. Kranhaus Nord mit Loggien vor den Eigentumswohnungen.

Grafik: BRT Architekten

Arbeitsplatz mit Aussicht.

Foto: AWD Ingenieurgesellschaft mbH

Betonvorspannung für den 9. Stock.

Foto: AWD Ingenieurgesellschaft mbH

Ein Bündel von bis zu neun Stahlstangen mit je 10 cm Durchmesser durchläuft parabelförmig die einzelnen Träger.

Foto: AWD Ingenieurgesellschaft mbH

Panoramablick Rheinauhafen

Grafik: BRT Architekten

10 Kommentare

UPDATE: bin noch letztens dran vorbeigefahren,die untere abteilung des einen krankhauses hat schon glasfassaden,was gut aussieht.wenn es vollendet ist,werden die kranhäuser sicherlich einer der schönsten gebäuden kölns sein,neben dem lvr turm etc. Wie hoch sollen die eigentlich genau werden? 60m?

schade, die kranh. werden vorerst die letzten großstädtischen (metropole) gebäude in köln sein-unter schramma und streitgerger geht es diesbezüglich ab in die provinz-s.unesco diktat deutz o. neue lufthansa verwaltung.

Ein toller Bau. Warum denn nur drei Stück davon? Mit diesen wunderschönen Galgen könnte man das Rheinufer bis nach Bonn vollmachen.

ich frage mich täglich was das erscheinungsbild der „kranhäuser“ noch mit der filigranität eines krans zu tun hat. gerade im vergleich mit den noch in großer anzahl im rheinauhafen vorhandenen baukräne erkennt man den fehlenden zusammenhang…

Ich stimme meinem Vorgänger zu, und finde die „Kran“-Metapher reichlich platt und aus dem Ruder geraten. Angemessene Proportion und Bezug auf die Kölner Stadtsilhouette fehlen.

Ich finde es sehr gut, dass auch einmal über das Tragwerk berichtet wird und wie wichtig es für das Gelingen des Gebäudes ist, aber warum nennt man die Ingenieure nicht. Bei der Beschreibung des Entwurfs wurden die Architekten nie vergessen.

Eine der größten Bausünden in Köln nach dem Krieg! Der Dom hat schon jetzt jede Maßstäblichkeit verloren; die angrenzenden Bauten wie Siebengebirge etc. sind bereits von den Baumassen verschluckt. Entlarvend ein Blick von der Südbrücke auf das neue Panorama. Der Katzenjammer wird bald folgen!

Dieses Ensemble rückt Köln nicht nur näher an die etablierten Metropolen und lässt diese Stadt gut aussehen, sondern auch die verantwortlichen Architekten und Ingenieure, die mit großem Mut, Verantwortung und Engagement vorgehen müssen bzw. mussten um diese Landmarke zu verwirklichen.
–Chapeau–

Köln – wie schön bist du geworden.

Bauherren – Architekten – ausführende Firmen haben ein Wunder vollbracht.
Sie sind die wahren Künstler der heutigen Zeit. – Wie toll, dass es solche Menschen gibt. Sie haben wirklich großartig am „Bau der ganzen Welt“ ihr Stückchen mitgearbeitet.

Die Kranhäuser, ihre Tiefgarage, die Wege dazu, haben ein neues „Vierdell“ entstehen lassen, dass den meisten Menschen tiefe Freude bereitet und sie dankbar staunen läßt.

Wenn man von den Poller Wiesen diese neue Welt sieht wird einem das Herz warm.

Kölle hat so viele schöne einzelne Gegenden, die Gradlinigkeit, Sauberkeit, Reinheit der drei Kranhäuser und ihr Umfeld bereichern Köln so sehr.

Die „alten Römer“ wären so stolz dauf das neu geschaffene Wunderwerk.

Als ich in einem Kleinbus mit meinen Hockeykindern durch die dortige Tiefgarage von ca. 2.000 m fuhr, gab es von den Kleinen spontan rieigen Beifall. Kinder erkennen mit ihrem reinen Herzen was schön & toll ist.