Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Wurzeln und Werk im Rheinland

Chargesheimer: Ein außergewöhnlichen Künstler aus Köln – eine Retrospektive im Kölner Museum Ludwig.

Chargesheimer wird 1924 als Karl Heinz Hargesheimer in Köln geboren. Seine Mutter erkennt schon früh seine künstlerische Begabung und fördert die Neigung ihres einzigen Kindes. Zwei Jahre nach der Geburt des künftigen Fotografen eröffnet der damalige Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer die Kölner Werkschulen in der Südstadt. Das „rote Haus“ am Ubierring 40, ein rotes Backsteingebäude, wird 1942 auch die Lehrstätte für Chargesheimer in den Fächern Grafik und Fotografie.

„Das böse Auge“

Chargesheimer beschränkt sein Arbeitsfeld nach seinem Studium nicht auf die Fotografie alleine, sondern arbeitet auch als Bühnenbildner und Theaterregisseur, als „Lichtgrafiker“ und Konstrukteur kinetischer Skulpturen. Seine fotografischen Werke finden den Weg zu wichtigen deutschen Ausstellungen und werden in Bildbänden veröffentlicht, die heute einen unbezahlbaren Wert haben. Fotografien seiner Heimatstadt Köln in der Nachkriegszeit sind zunächst Schwerpunkte seiner Buchpublikationen. Sein ehrlicher und unverschönter Blick fängt die Stadt am Rhein auf eine bisher nicht gekannte Art ein, die in der damaligen Zeit für Furore sorgt – er wird von der Presse „das böse Auge“ genannt. Bis heute nicht übertroffen sind seine Köln-Bücher „Unter Krahnenbäumen“ und „Cologne Intime“. National berühmt wird Chargesheimer 1957 mit dem damals skandalösen Portrait von Konrad Adenauer, das auf dem Titelblatt des „Spiegels“ abgebildet wird. Es ist eines von seinen zahlreichen ungeschönten Portraits, die Gesichter zeigen mit all ihren Unebenheiten und Falten; Gesichter die ihren Charakter offenbaren. Hervorragende Portraits macht er von Jazz-Musikern, wie Louis Armstrong, die er nicht nur durch seine Vorliebe zum Jazz bewundert, sondern weil diese berühmten Musiker sie selbst geblieben sind und seiner Meinung nach mit Würde auf der Bühne stehen.

Leben – ein Mythos

So umfangreich die Arbeiten und Werke Chargesheimers sind, so undurchsichtig ist der lückenhafter Lebenslauf des des Querdenkers und Bohemiens. Er wird von Zeitgzeugen als „schillernde Persönlichkeit“ beschrieben, die Presse beschreibt ihn als „ruhelosen wuchernd kreativen Geist“ und er selbst hat wohl schon zu Lebzeiten an seinem Ruf als Legende gearbeitet. Gerne erzählt er über die Vergangenheit, einige Phasen seines Lebens scheint er aber komplett auszublenden und niemand weiß, was er in diesen Zeiten tat oder wo er war. Überschattet werden die bewundernden Erzählungen über diesen besonderen Menschen mit seinem dubiosen Tod in der Silvesternacht zum Jahr 1972. Es wird vermutet, dass Chargesheimer seine Geniezeit mit 47 enden sah und der Selbstmord seine Konsequenz daraus war, der Zeit nach seiner Schaffenszeit zu entgehen.

Fotografien im Museum Ludwig

Seine facettenreiche Arbeit, nicht nur im Zusammenhang mit der Kölner Kulturgeschichte nach 1945, sondern Fotografien aus allen Schaffensperioden Chargesheimers werden in der Ausstellung umfassend präsentiert, ebenso seine „Lichtgrafiken“. Kinetische Skulpturen bleiben auch nicht länger ein Wort ohne dazugehöriges Bild. In einem Film gewinnt man einen Einblick in seine Arbeit als Bühnenbildner und Theaterregisseur und lernt den Künstler in Interviews kennen.

Der Besucher muss jedoch über die lieblose und überladene Präsentation seitens des Museums hinweg sehen, um sich von den Fotografien in den Bann der Bewunderung ziehen zu lassen.

Martina Schulz

Redaktion A:JUGEND

Chargesheimer – Bohemien aus Köln

Eine Ausstellung im Museum Ludwig Köln vom 29. September 2007 bis zum 06. Januar 2008

Anläßlich der großen Retrospektive im Kölner Museum Ludwig ist jetzt der erste umfassende Katalog über Leben und Werk des „Multitalents“ „Chargesheimer 1924 – 1971 Bohemien aus Köln“ im Greven Verlag, Köln erschienen.

Chargesheimers Blick vom Autobahnzubringer Köln-Deutz, Köln, um 1956

Chargesheimer, Vorbereitung zur Prozession / Unter Krahnenbäumen, Köln, um 1950

Chargesheimer‚ Blick von der Klappergasse Richtung Dom, Köln, um 1956