Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Abstraktion der Form

Abstrahierte Minarette im aktuellen Entwurf der DITIB-Zentralmoschee

Kleiner sollten sie werden, die Minarette der DITIB-Zentralmoschee. Dies hatte zumindest die Mehrzahl der Kölner CDU-Mitglieder auf ihrem Parteitag im August gefordert – entgegen der Politik des Oberbürgermeisters Fritz Schramma macht sich die Basis der Partei für eine Überarbeitung des Entwurfs und damit implizit auch für dessen Verkleinerung stark. Viel mehr als ein medienwirksames Strohfeuer bedeutet diese Forderung jedoch nicht, denn zum einen unterstützt die Parteispitze weiterhin den bisherigen Entwurf, zum anderen ist das Votum der CDU im Kölner Stadtrat kaum von Gewicht – dort haben andere die Mehrheit.

Proportionale Stimmigkeit

Der Architekt Paul Böhm überarbeitete aufgrund der anhaltenden öffentlichen Diskussion, die nicht nur bei den Christdemokraten stattfindet, seine bisherigen Pläne für die Moschee. Am 22. August präsentierte Böhm eine veränderte Fassung des Entwurfs: Er habe sich nach Prüfung von Alternativen, in denen die Minarette auf eine Höhe von weniger als 50 Metern reduziert wurden, für die Beibehaltung der ursprünglichen Höhe von rund 55 Metern entschieden. Gute Architektur sei schließlich nicht durch Kompromisse zu erreichen – zudem stimme bei einer Höhenreduzierung das Verhältnis der Minarette zum Gesamtbaukörper nicht mehr.

Betrachtet man das städtebauliche Umfeld des Gotteshauses, so ließe eine Verringerung der Höhe es in der Tat „putzig“ erscheinen, um den Juryvorsitzenden des Moscheewettbewerbs Max Bächer zu zitieren. Denn ganz abgesehen vom Fernsehturm Colonius, der mit seiner Höhe die gerne ins Feld geführten Domspitzen bei Weitem überragt, liegt auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein rund 100 Meter hohes Verwaltungsgebäude in direkter Nachbarschaft zur geplanten Moschee. Im Vergleich zu dessen Höhe duckten sich die Minarette bei weiterer Verkleinerung nahezu weg.

Variation des Ausdrucks

An den Minaretten entzünden sich jedoch stets aufs Neue die Bedenken der Kritiker des Moscheebaus. Die aktuelle Überarbeitung des Entwurfs variiert nun deren formale Ausprägung: So flankieren zwei schalenartig abgerundete Minarette die knapp 35 Meter hohe Kuppel, aus deren Schalenkonstruktion sie sich „organisch“ entwickeln. Dieser reduzierte gestalterische Eingriff verändert den Ausdruck des Gebäudes insofern, als dass die bisher zitierte „klassisch-osmanische“ Architektur und deren Symbolik in abstrakter Form neu interpretiert werden. Die Minarette fügen sich in ihrer aktuellen Ausprägung sehr viel besser in die „moderne“ Abstraktion der Kuppel als die bisherigen, eher klassisch motivierten.

Im Übrigen blieb der Entwurf unverändert – die Überarbeitung beschränkte sich auf die Frage der Höhe und resultierte in einer formalen Verbesserung der Architektur. So wurde auch eine von Kritikern geforderte Reduzierung der Gewerbeflächen nicht in Betracht gezogen, da sich Bau und Unterhaltung der Moschee aus den Mieteinnahmen der Lokale finanzieren sollen.

Moderierte Debatte

Die DITIB reagierte mit der Einrichtung eines Beirates auf die erwähnte öffentliche Diskussion. Insgesamt 34 Vertreter, unter anderem aus politischen Parteien – darunter OB Fritz Schramma – und der Stadt sollen nun regelmäßig über den Planungsstand der Moschee informiert werden und als Mittler zur Öffentlichkeit fungieren: Der Beirat soll den Einblick in die Planungen sicherstellen und damit eine Diskussion kompetent leiten.

Er folgt so der Idee einer kritischen Instanz, die eine Kommunikation nach innen und nach außen gewährleistet. Dass sich dessen Mitglieder dabei angesichts der nicht immer sachlich geführten Debatte auf politisch heiklem Terrain befinden, dürfte ihre Arbeit nicht erleichtern. Der Wille der DITIB zur Kommunikation – und zur Diskussion von Ängsten und Vorurteilen, die sich in der Ablehnung eines repräsentativen, nichtchristlichen Sakralbaus kanalisieren – dürfte mit der Einrichtung des Beirates aber zum Ausdruck gebracht worden sein. Stellen sich die Vertreter neben der Repräsentation nun tatsächlich auch dem konstruktiven Gespräch, ist der Prozess des Moscheenbaus ein gutes Stück vorangekommen.

Rainer Schützeichel

Lesen Sie auch zum Thema:

Wer baut, der bleibt.

koelnarchitektur.de präsentiert die Wettbewerbsergebnisse und begleitet den derzeitigen Entstehungsprozess und dessen öffentliche Debatte vor allem vor dem Hintergrund der architektonischen Relevanz.

moschee abstraktion der minarette 02

Im aktuellen Entwurf des Architekten Paul Böhm ist die formale Ausprägung der Minarette abstrahiert

Foto: DITIB

moschee abstraktion der minarette 01

Modellansicht mit Blick in Richtung der Inneren Kanalstraße

Foto: DITIB

moschee höhenvergleich

Alter Entwurf, gleiche Höhe: Moderate Höhe im Vergleich zur umliegenden Bebauung

Grafik: Architekturbüro Böhm/DITIB

2 Kommentare

Die bislang eher traditionelle Form der Minarette neu zu interpretieren ist sicherlich der bessere Ansatz, eine Höhenanpassung ist meiner Ansicht nach Unsinn.
Die im Modell dargestellte Art der Abstraktion halte ich jedoch für eher misslungen.
Zu beachten gilt meiner Ansicht nach ein allgemeines Maßverhältnis, wie es z. B. Sinan in seinen Moscheebauten verwendet hat (z. B. 4/3/2).
Das eine europäische Mosche auch einen europäischen Duktus erhalten soll, finde ich selbstverständlich und angemessen.

Erstaunlich mit welcher energie hier in köln über dieses thema gestritten wird und mit welcher aufmerksamkeit die medien dieses verfolgen. Die derzeitige planung in deutz, keine hochhäuser sondern „provinziell“zu bauen inressiert keinen kölner.
Ex animo scurrilis