Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Mit gutem Beispiel voran

Doktor Walter Prigge hielt die Laudatio anlässlich der ‚Liebe deine Stadt‘-Auszeichnung für das LVR-Landeshaus am Deutzer Rheinufer.

Seit nun mehr gut zwei Jahren zeichnet die Kampagne „Liebe deine Stadt“ auf den ersten Blick unscheinbare Bauten in Köln aus. Bauten aus den 1950er bis 1970er Jahren deren Qualität in genau dieser Unscheinbarkeit liegt. Im Gegensatz zu manch aktuellem Bau nehmen sich diese Architekturen im Kontext der Stadt zurück. Im Zuge der Verleihungen der riesenhaften Schleifen für solch gut Gebautes wurde nun das Landeshaus des LVR am Deutzer Rheinufer ausgezeichnet. Als Laudator konnte die Initiative „Liebe deine Stadt“ und ihr Initiator Merlin Bauer, Doktor Walter Prigge von der Stiftung Bauhaus Dessau gewinnen.

Nach einigen einleitenden Worten über die Architektengemeinschaft Eckhard Schulze-Fielitz, Ulrich von Altenstadt und Ernst von Rudloff kam Prigge schnell zum Kern seiner Laudatio über den Atriumbau im Rechtsrheinischen: Im Gegensatz zu den anderen Gebäuden, die sich in unmittelbarer Umgebung finden, ist die größte Qualität dieses, ganz in der Tradition der Moderne von Ludwig Mies van der Rohe stehenden, Baus seine Zurückhaltung gegenüber den elementaren städtischen Bezugspunkten.

In rund 700 Metern Entfernung steht am gegenüberliegenden Ufer der Dom und der ist in Köln bekanntlich Dreh- und Angelpunkt aller baulichen Bezüge. Diesem Paradebeispiel der Gotik gelte es sich unterzuordnen. Der viergeschossige und in weiten Teilen aufgeständerte Bau tut dies tatsächlich beispielhaft. In eine parkartige Grünanlage eingebettet und von scheinbar mutwillig darum herum drapierten Bäumen umgeben, gelang es den Architekten mit dem 1959 fertig gestellten Bau eine angenehme Ruhe an diesem Ort zu erzeugen.

Kein Konkurrent zum Dom, sondern ganz im Dienste des Stadtraums

So versucht es diese Architektur erst gar nicht in Konkurrenz zu treten zu dem gewaltigen Gebirge aus Stein, Glas und Stahl am anderen Ende der Hohenzollern-Brücke. Den Dom lässt dieser Bau unangefochten. Ganz im Gegensatz zu den Bauten, die in den Folgejahren in diesem Areal entstanden. Von der Lufthansahauptverwaltung über das Hyatt-Hotel bis hin zum Köln-Triangle scheitern alle neueren Projekte daran, dass sie sich in eine direkte Konkurrenz zur gotischen Kathedrale begeben. Sei es durch ihre Größe, wie beim Triangel oder dem Lufthansahochhaus oder durch ihre expressive Formensprache, wie dem Hotelbau mit all seinen Vor- und Rücksprüngen und seinem abstrusen zinnenartigen Dachabschluss. Diese Bauten, so Prigge, seien Beispiele für das Scheitern ikonographischer Architektur. Ein Schicksal, das der Mann aus Dessau auch auf die just im Bau befindlichen Kranhäuser des Hamburger Büros Bothe Richter Teherani zukommen sieht.

Wie positive Beispiele für eine solch zeichenhafte Architektur aussehen können, sieht Prigge im Peek & Cloppenburg-Kaufhaus von Renzo Piano verwirklicht. Hier sieht er die richtige Ausformung für zeichenhaftes Bauen, in dem „Fassade, Struktur und Raum eins werden“, womit er nicht nur den Bau beschreiben möchte, sondern auch bewusst das Credo der Schweizer Architekten von Herzog & de Meuron zitiert.

Die Stadt, so der Laudator, dürfe sich niemals den Interessen von privaten Investoren beugen. Im Gegenteil: zeichenhafte Bauten seien nur dann zu akzeptieren, wenn sie sich in den Dienst der städtebaulichen Gesamtordnung stellen. Die seit den 1960er Jahren neu entstanden Bauten in Deutz tun dies allesamt nicht, so Prigge. Die einzige Ausnahme bildet hier das Landeshaus, das die Auszeichnungsplakette von „Liebe deine Stadt“ somit völlig zu recht verliehen bekommt.

Wohltuende Zurückhaltung statt angestrengtem Geltungsbedürfnis

Bis zum Ende der angenehmen Veranstaltung blieb jedoch fraglich, warum ausgerechnet der Glasblob über der Nord-Süd-Fahrt das Positiv-Beispiel für ikonische Architektur sein soll. Letztlich außer Frage steht, dass das Landeshaus des Landesverbandes Rheinland eines der schönsten Häuser in der Domstadt ist. In der Tat nimmt es sich im Raum der Stadt wohltuend zurück. Die Größe dieser architektonischen Geste von Schulze-Fielitz, von Altenstadt und von Rudloff wird in aller Tragweite erst heute sichtbar: Als der Bau Ende der 1950er Jahre fertig gestellt wurde, stand er nahezu alleine und frei auf der grünen Wiese.

Zwischen all den laut schreienden Gebäuden, die es heute umgeben, sieht das LVR- Landeshaus anno 2007 so aus, als sei es behutsam in diesen wirren städtischen Raum eingesetzt worden und ist somit der einzige Bau am rechtsrheinischen Ufer zwischen Hohenzollern- und Deutzer-Brücke der anderen architektonischen Highlights der Stadt das Wasser reichen kann – Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet diese Architektur genau das nie im Schilde führte.

David Kasparek

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Der Initiator der Kampagne ‚Liebe deine Stadt‘ Merlin Beuer bei der Eröffnung des Abends

prigge

Dr. Walter Prigge hält die Laudatio auf das LVR- Landeshaus

chill

Angenehme Athmosphäre am Rheinufer

3 Kommentare

Ja, d. Bau stand mal auf d. „Grünen Wiese“. D. Art zu bauen, würde Köln auf den Dom reduz., d. h., nur d. Altvorderen konnten und durften groß und prächtig bauen. Köln bekäme einen musealen Charakter. A. d. Seite des Rh. sollten auch Hochh. i. e. guten Architektur entst. – s. Planung Milano.

Herr Prigge sieht nur das Gebäude und n i c h t die Stadt als Ganzes, die sich hoffentlich nicht nur auf den Dom reduziert. Dies wäre zu wenig um die Zukunft zu gewinnen.

Ein Jahr vor meiner Geburt wurde der Bau erreichtet und hat bis heute nichts von seiner Kraft verloren.
34 Jahre später habe ich dann mein Diplom nach Studium und Tutorium bei Ernst von Rudloff gemacht.
Ich freue mich, dass diese zurückhaltende und immer noch zeitlose Architektur im wilden und oft prätenziösen Kontext der Gegenwart gewürdigt wird.

Herzlichen Glückwunsch
Ralf Breuer Architekt