Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Mein guter Freund Frank

Sydney Pollacks filmisches Portrait des Architekten Frank Gehry geht ganz nah ran.

Behutsam zeichnet die Kamera die schwarzen Linien auf dem weißen Papier nach, immer dichter wird das Liniengewirr, bis sich daraus eine Form entwickelt, eigentlich ein Spiel von Formen. Sie werden zu einem Gebäude, kaum erkennbar um welches Gebäude es sich handelt, aber doch ganz eindeutig von Frank Gehry. Diese klar erkennbare Handschrift hat den Architekten berühmt gemacht, seine Gebäude zu Pilgerstätten der Touristen – und ganzen Regionen zu einem wirtschaftlichen Aufschwung verholfen. Dem Phänomen Frank Gehry spürt jetzt der Dokumentarfilm „Sketches of Frank Gehry“ von Sydney Pollack nach.

Normalerweise dreht Sydney Pollack keine Dokumentarfilme. Und Sydney Pollack hat keine Ahnung von Architektur. Genau aus diesem Grund hat Frank Gehry seinen Freund Pollack gefragt, ob er eine Dokumentation über ihn machen möchte. Entstanden ist ein dichtes Portrait, das ohne bewertenden Kommentar auskommt. Über fünf Jahre hat der Regisseur den Architekten begleitet, eine Vielzahl Freunde und Weggefährten, aber auch Kritiker befragt – und sich in die Welt der Architektur einführen lassen.

Vergangenheit und Gegenwart

Gehry erzählt in den Interviews vom Spiel mit seiner Großmutter, mit ihr hat er als Kind aus Holzklötzen ganze Städte gebaut. Mit seinem Vater hat er gezeichnet und eine von der Mutter beauftragte Handschriftenleserin prophezeite ihm einst, dass er ein berühmter Architekt werden würde. Er berichtet von dem Moment, als er begann, so zu bauen, wie er baut; von Selbstzweifeln und finanzieller Not. Aber die Vergangenheit ist nur ein Nebenthema, der Film ist fest in der Gegenwart verankert. Ganz nah geht die Kamera an die Schere, die die Pappe für das Modell zerschneidet, dokumentiert, wie oft sie gefaltet werden muss, bis die ideale Form für die Fassade gefunden ist. Sie zeigt den grübelnden Gehry, der zusammen mit seinen Mitarbeitern unzufrieden das Modell betrachtet, bis er weiß, was ihm nicht gefällt. Bei diesem Werkstattbesuch wird klar, wie der 1929 in Kanada geborene Ararchitekt arbeitet: intuitiv, visuell, ohne Regeln. Er gibt seinen Mitarbeitern knappe Anweisungen, die Verständigung erfolgt fast ohne Worte, das fertige Modell wird wieder zerstört, um die noch bessere Form zu finden. „Falsch ist, wenn etwas zu einfach ist“, kommentiert Gehry selbst seine Arbeitsweise.

Witz und Ironie

Eingeordnet werden Gehrys Arbeit und Persönlichkeit von Weggefährten, darunter der Schauspieler Dennis Hopper, der Musiker Bob Geldorf, der Guggenheim-Chef Thomas Krens oder auch der ehemalige Disney-Chef Michael Eisner. Auch diese Interviews sind nah dran, authentisch, wenn etwa der Künstler und Filmemacher Julian Schnabel im Bademantel Gehrys Arbeitsweise kommentiert und auf die kritische Nachfrage, ob denn die Architektur des Museums in Bilbao nicht mit der Kunst konkurriere, schlicht antwortet: „Dann ist die Kunst vielleicht nicht gut genug“. Und sehr komisch, wenn Gehrys Therapeut erklärt, dass die Leute denken, erst die Therapie habe den Architekten berühmt gemacht und deshalb jetzt viele Architekten zu ihm kämen, um ebenso berühmt zu werden.

Witz bringt auch Pollack selbst in den Film, Gehrys Aussage „ich habe noch nie versucht, mit einer Oberfläche Malerei zu imitieren“, bricht er ironisch, indem er sie mit poetischen Bildern der Materialien von Gehrys Bauten unterlegt, die im Sonnenlicht wirken wie Gemälde.

Handwerkliches Können

Überhaupt hat die Kamera die Architektur verstanden, sie streicht gekonnt an Linien entlang, weist mit dem richtigen Licht auf Besonderheiten hin und fängt die aufregendsten Perspektiven ein. Im Schnitt sind spannende Tempowechsel entstanden, die Musik unterstreicht die ruhige oder dramatische Wirkung der Bauwerke.

Und auch wenn der – inzwischen verstorbene – Architekt Philip Johnson gleich zu Beginn konstatiert, dass es unmöglich sei, Gehrys Architektur im zweidimensionalen Medium Film darzustellen, so ist es Sidney Pollack doch vorbildlich gelungen die Person und den Architekten in Szene zu setzen. So gut, dass Frank am Ende zu einem guten Freund geworden ist, selbst wenn man seine Architektur gar nicht so sehr schätzt.

„Sketches of Frank Gehry“

Filmhaus Kino, täglich 20.00 Uhr

Maybachstr. 111

50670 Köln

www.koelner-filmhaus.de

Filmhomepage

[i]Vera Lisakowski[/i]

Zeichnung von Frank Gehry

Skizze zum National-Nederlanden Building (‚Das Tanzende Haus‘), Prag; Rechte: Kinowelt

Sydney Pollack und Frank Gehry

Zwei befreundete Visionäre: Sydney Pollack und Frank Gehry; Rechte: Kinowelt

Craig Webb und Frank Gehry bei der Arbeit

Frank Gehry mit seinem Design Partner Craig Webb bei der Arbeit; Rechte: Kinowelt

Detailansicht Guggenheim Bilbao

Detailansicht des Guggenheim Museum, Bilbao; Rechte: Kinowelt

Das Guggenheim Museum, Bilbao

Das Guggenheim Museum, Bilbao; Rechte: Kinowelt

Das tanzende Haus, Prag

Das Nationale-Nederlanden Building (‚Das Tanzende Haus‘), Prag; Rechte: Kinowelt