Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Singende Waschmaschinen und Kunst auf der Gabel

Das Festival ‚Rheindesign‘ zeigt mehr als gestaltete Objekte. Zu sehen sind Gratwanderungen zwischen Alltag und Inszenierung.

Manchmal muss man einfach Platz nehmen. Vor allem wenn es darum geht, sich dort nieder zu lassen, wo man sonst nicht inne hält: Zum Beispiel auf dem Gereonshof, der zwischen den kühlen Großbauten des Gerling-Konzerns nur wenig einladend wirkt. Doch das soll sich vom 21. bis 24. Juni ändern, wenn Professor Johannes Kister anlässlich von „Rheindesign“ 100 rote Stahlstühle anliefern lässt. Eine ganze Stuhlarmee, die geduldig auf Gäste wartet – wozu sonst sollte ein Festival rund ums Thema Gestaltung einladen, als zu neuen Wegen der Betrachtung?

Aktionen und Installationen auf Zeit

Es ist das erste Mal, dass Köln ein Designfestival bekommt, dass wie eine Ausstellung funktionieren soll. Andreas Grosz und Inken Herzig haben festgelegt, wer warum und womit an „Rheindesign“ teilnehmen wird. Gezeigt werden in erster Linie Projekte und Installationen, die eigens für das Festival – und damit nicht für die Ewigkeit – entwickelt werden, so wie die ungeordneten Stuhlreihen auf dem Gereonsplatz. Sie sollen einen ungeliebten Ort beleben, ihn für einige Stunden nutzbar machen. 40 Projekte dieser Art werden vom 20. bis 24. Juni gezeigt.

Einblick in die „Factory“ von Mike Meiré

20 von ihnen sind fünf Wochen vor Festivalbeginn bereits auf der Homepage erklärt. Per Mausklick geht es zum Beispiel ins Atelier von Mike Meiré, der sich mit „Made in Germany“ beteiligen wird. Einer Retrospektive auf die Dinge, die er in 25 Jahre gestaltet hat: Magazine wie „brandeins“, Bücher, Filme, Ausstellungen und Installationen. Auf dem Vulkangelände in Ehrenfeld arbeitet Meiré seit einigen Jahren. In einer „Factory“ in der Lichtstraße, wie der Designer sein Atelier selbst nennt. Ein Ort, an dem Kunst und Design zusammenfließen.

Gutes aus der Molekularküche

„Unser Festival soll die Vielfalt von Design zeigen“, sagt Inken Herzig über ihren Anspruch an die Projekte. Einige sind durchaus alltagstauglich, andere wiederum als Impulse an die Betrachter gedacht. Zu sehen sind Verbindungen zwischen Design und Kunst, Musik, Literatur, Architektur und Wissenschaft. Dass darunter auch das Thema Essen fällt, beweist die „Genuss Schule“, die am 23. Juni in der Hahnenstraße Design auf der Gabel präsentiert, Neues aus der Molekularküche. In der „Designpost“ in Mülheim ist hingegen „Flower Power“ angesagt, denn dort werden unter anderem belgische Gartenkonzepte präsentiert. Zudem können Löwenzahn, Ringelblume, Lavendel und Co. gleich verinnerlicht werden – als essbare Arrangements, strauchfrisch zubereitet.

Design ist schnell – wenn nötig

„Zukunftsdesign im Fließbandtakt“ ist der Titel einer Performance am 23. Juni von „Facts + fiction“ und „Z_punkt – The Foresight Company“, die einen Blick ins Jahr 2030 werfen. Besucher werden hier zu Designern, wenn es heißt, in kürzester Zeit am Rheinaufhafen Produkte oder Dienstleistungen zu entwickeln. Mit gleich mehreren Projekten ist die Köln International School of Design vertreten. Sie wird im Rahmen des Festivals den Designpreis „Klopfer“ verleihen und am 21. Juni den Rudolfplatz zu einem Konzertort machen: Während der Verkehr den Besuchern im Ohr rauscht, summen 20 Waschmaschinen ein komponiertes Hörarrangement.

Mit Design auf große Rheinfahrt

In vier Suiten des Grand-Hotels „Excelsior“ werden während des Festivals täglich „Kabinettstückchen“ gereicht: literarische, filmische und szenische – von Thomas Mann bis Sofia Coppola – rund um die Mythen des Grand Hotels. Zu Gast sind dafür Autoren, Schauspieler und Fotografen wie John von Düffel, Volker Risch und Freddy Langer. „KölnDesign“, das älteste und größte regionale Kölner Designnetzwerk, verwandelt während des Festivals mehrmals täglich ein Ausflugsboot der Köln-Düsseldorfer Rheinschifffahrt in die schippernde „KölnDesign Bootique“. Während der ein- bis zweistündigen Panoramafahrten wird „Design made in Cologne“ offeriert.

Naherholung im Glaskonstrukt

Wer den Rheinauhafen und seine neuen Bauprojekte einmal erlaufen will, ist bei „ArchiPedes“ richtig, mit dem sich koelnarchitektur.de am Designfestival beteiligt. Barbara Schlei führt am 23. Juni durch Kölns vielseitigste Baustelle und liefert Hintergründe zur „neuen Südstadt“. Kurzzeitig lässt Hausherr Andreas Grosz das „Kap Forum“ in ein Naherholungsgebiet verwandeln. Isabel Hamm, Reinhard Doubrawa und Mark Gutjahr haben einen „picnic“-Bereich geplant. Über schmale Stege geht es durch die Glasfront in den Innenraum des Bauensembles, das wie ein Bühnenbild die gegenüberliegenden Poller Wiesen spiegelt – Kölns beliebteste Picknicklocation am Rhein. Im Innern der künstlichen Freizeitarena stehen dann Literatur, Musik und Film auf dem Programm. Erstmals soll der Sonnenuntergang auch linksrheinisch zu sehen sein – eine Lichtinstallation macht es möglich.

Mit der Seilbahn hoch hinaus

Hinzu kommen eine Wohnzimmer-Suite und ein Kölsch-Kurs für Anfänger in der Seilbahn hoch über dem Rhein. Ein Design-Kiosk in Ehrenfeld, eine Mittsommernachts-Party in der Designpost unter dem Thema „Nachtschattengewächse“ sowie eine Schau belgischer Designer, die das Belgische Haus präsentiert – schließlich ist in diesem Jahr Brüssel die Partnerstadt von „Rheindesign“.

Das Festival-Programm wird täglich aktualisiert und erweitert.

Was „Rheindesign“ von der Veranstaltung „Passagen“ im Januar unterscheidet, erklären Andreas Grosz und Inken Herzig hier

Annika Wind

Die 50er Jahre-Architektur am Gereonshof und der oft vergessene Platz, laden meist nicht zum verweilen. Grund genug, den sonst leeren Platz einmal anzufüllen, zum Beispiel mit 100 roten in alle Richtungen und ohne feste Anordnung verteilten Stahlstühlen anlässlich von ‚Rheindesign‘.

Blick in die ‚Factory‘ von Mike Meiré, die während des Festivals zugänglich ist. Links ist die Skulptur „monument to doubt“ von Steven Gontarsky zu sehen, die erstmals in Köln gezeigt wird.

Design auf der Gabel wird in der ‚vintage genuss schule‘ in der Hahnenstraße gezeigt.

Architektur kann auch erlaufen werden, das zeigt ‚Archipedes‘ von Koelnarchitektur am 23. Juni im Rheinauhafen.

Ein Naherholungsgebiet lassen die Organisatoren ins ‚Kap Forum‘ bauen.

2 Kommentare

Sorry, aber was hat dieser Bericht noch mit Architektur zu tun?
Über wirklich große Bauprojekte in der Stadt (Dominium) (DEG Nebau) (AxA-Neuba) Neubau am Geronshof und wirkliche Architekturthemen wird hier gar nichts mehr berichtet.
Schade, schade, schade…

Lieber Rainer,
einiges hat dieser Bericht mit Architektur zu tun. Architektur ist nämlich nicht „nur bauen“; Auch Nachbardisziplinen fördern und bereichen Baukultur und städtebauliche Qualitätsmaßstäbe. Also, für die die über den Tellerrand schauen wollen ein wichtiger Beitrag. Für alle anderen hier ein paar Links zu den von Ihnen angemahnten Themen:
https://www.koelnarchitektur.de/pages/de/home/aktuell/1702.htm
https://www.koelnarchitektur.de/pages/de/home/aktuell/1442.htm
https://www.koelnarchitektur.de/pages/de/home/aktuell/1680.htm

Viel Vergnügen bei der Lektüre wünscht Barbara Schlei, Redaktion