Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Hochglanz-Architektur

Spektakulär ist in der Ausstellung ‚Spectacular City‘ nicht unbedingt die Architektur – wohl aber die Fotos davon: großformatig, hochglänzend und von den Stars der Fotoszene.

Ist ein Einkaufszentrum schön? Eine U-Bahn-Station bemerkenswert? Muss ein Plattenbau im Foto verewigt werden? Die Stars der Fotografieszene meinen: ja. 207 Arbeiten von 29 Künstlern zeigen im Düsseldorfer NRW-Forum schöne und hässliche Architektur, dekorative und abstoßende Baukunst. Insgesamt, so sagt Werner Lippert vom NRW-Forum, seien hier 15 Jahre Fotografie unter dem Thema Stadt versammelt, das beste und spektakulärste, was die Fotografie zu bieten habe.

Bonbon-Kitsch und Plattenbau

Bis zum 6. Mai sind in der Schau „Spectacular City“ beeindruckende Hochglanz-Fotografien von Architektur zu sehen: So zeigt Sze Tsung Leong die Stadtverwaltung von Chongqing als Luftbild, die Bonbonfarben und Mini-Menschen lassen den Betrachter rätseln, ob hier die Realität abgebildet wird oder ob es sich um ein Modell des chinesischen Größenwahns handelt. Mit Pastell-Kitsch arbeitet auch Frank van der Salm: Menschenleer ist das Einkaufszentrum, das er abbildet. Hochmodern und nagelneu muss es sein. Aber wo es steht, ob es tatsächlich ein Einkaufszentrum ist oder ob es überhaupt existiert – diese Interpretation bleibt dem Betrachter überlassen. Ganz sicher existiert der scheußliche Moskauer Plattenbau, den Stéphane Couturier abbildet. Ganz sicher aber existiert er nicht so, wie er hier gezeigt wird: Mit einem Sichtfenster, durch das ein Hauch Landschaft zu erkennen ist.

Realität oder Montage?

Real oder nicht Real – das scheint hier also die Frage zu sein. Die Künstler möchten diese Frage nicht beantworten, nur selten geben die Titel der Fotografien einen Hinweis darauf, was darauf zu sehen ist oder wo es fotografiert wurde. So zum Beispiel bei Thomas Struth, von dem eine Serie von Fotografien aus Peru stammt: Menschenleere Orte, deren sandfarbene Häuser sich in der sandigen Umgebung zu tarnen scheinen. Exemplarisch könnten sie so für alle Orte in den Anden Südamerikas stehen. Auch der Titel „Sao Paolo Sé“ eines Werkes von Andreas Gursky gibt keinen Hinweis auf den tatsächlichen Ort des Geschehens. Gursky stapelt U-Bahn-Gleise an denen sich die Menschen dicht an dicht drängen – eine unrealistische Perspektive, es muss eine Montage sein. Ein ganz anderes Stilmittel setzt Thomas Ruff ein. Unter dem Titel „Nacht“ wird eine Reihe verpixelter, grünlich schillernder Nachtaufnahmen gezeigt, die wirken, als seien sie von einer Überwachungskamera aufgenommen. Wo? Das bleibt Ruffs Geheimnis.

Düsseldorfer Schule

Diese Häufung von Künstlern der Düsseldorfer Schule ist kein Zufall – und so bemerkt auch der Kurator der Ausstellung, Emiliano Gandolfi, den starken Einfluss von Bernd und Hilla Becher auf die heutige Architekturfotografie. „Die Bechers haben es vorgemacht“, stellt er fest, „die Fotografie ändert den Blick auf die Architektur. Früher wurden bestimmte Gebäude nicht als schön angesehen, so zum Beispiel die Zeche Zollverein, und heute ist sie Weltkulturerbe.“ Und doch haben sich die Schüler von ihren Lehrern gelöst, waren die Bechers an der Darstellung der Realität interessiert, versuchen die Fotografen heute, zu zeigen, wie sie die Stadt verstehen – mit allen Mitteln, die ihnen dafür zur Verfügung stehen.

Wahrlich spektakulär

Und so erheben die meist großformatigen und hochglänzenden Fotografien, scharf bis ins letzte Pixel oder kunstvoll unscharf, selbst die scheußlichste Architektur zur Kunst. Absolut sehenswert und wahrlich spektakulär ist diese Ausstellung – mit einem kleinen Wermutstropfen: Manches Mal würde man doch gerne wissen, wo die abgelichteten Gebäude stehen – zum Beispiel das von Geert Goiris fotografierte „Transport-Ministerium“ – und welcher Architekt dafür verantwortlich zeichnet. Aber hier will wohl die Freiheit des Künstlers den Wissensdurst des Architekturinteressierten nicht befriedigen.

Vera Lisakowski

Öffnungszeiten

Dienstag bis Sonntag 11 bis 20 Uhr

Freitag bis 24 Uhr

Eintritt: 5,50 Euro, ermäßigt: 3,50 Euro

Katalog: 47,50 Euro

Homepage des NRW-Forums Kultur und Wirtschaft

spectacular leong

‚New Fengdu, Chongqing Municipality‘ von Sze Tsung Leong

spectacular salm

‚Arcade‘ von Frank van der Salm

spectacular couturier

‚Moskau Monument Nr. 1‘ von Stéphane Couturier

spectacular gursky

‚Sao Paolo Sé‘ von Andreas Gursky, Bildrechte: NAI Rotterdam

spectacular goiris

‚Transport-Ministerium‘ von Geert Goiris, Bildrechte: NAI Rotterdam

1 Kommentar

Kein Kommentar, bloss Information den Wissensdurst wenn nicht zu stillen, so doch zu besänftigen: bei dem abgebildeteten „Transport-Ministerium“ handelt es sich um das Verwaltungsgebäude des Ministeriums für KFZ-Wesen, Abt. Brücken- und Strassenbau, 1976 nach einem Entwurf von Z. Djalagawia und G. Tschachawa“ in Tiflis, der Hauptstadt Georgiens errichtet. Nachzulesen in: Baulig/Mania/Mildenberger/Ziegler: Architekturführer Tbilisi.
Saarbrücken und Kaiserslautern 2004