Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Pferdestall, Schwimmbad & Co

In der Geschichte der christlichen Kirche – aber auch aller anderen Religionen – hat es immer wieder Umnutzungen gegeben. Die Gründe waren unterschiedlich: Kriege, wirtschaftliche Gründe, Aufhebung von Klöstern – vor allem die Folgen der Säkularisation nach 1803. Den meisten Beispielen ist aber eines gemein: Wären sie nicht umgenutzt worden, egal ob für andere Religionen oder zu profanen Zwecken, wären sie heute wohl nicht mehr erhalten.

Kirche zu Moschee

Bekanntestes historisches Beispiel für eine umgenutzte Kirche ist sicher die Hagia Sophia in Istanbul. 537 wurde die Haupt- und Krönungskirche des Byzantinischen Reiches im damaligen Konstantinopel fertig gestellt und ist bis heute eines der beeindruckendsten Bauwerke der damaligen Zeit. Die neue Bauform der Kuppelbasilika stellt eine Zusammenfassung der Vorstellungen dar, die bis dahin im Kirchenbau Gestalt angenommen hatten. Zudem eine Bauform, die die Umwandlung in eine Moschee leicht machte. Als die Osmanen 1453 Konstantinopel eroberten wurden seitlich vier Minarette gebaut und die Kirche als Moschee genutzt. Seit 1934 ist die Hagia Sophia Museum.

Moschee zu Kirche

Den umgekehrten Weg ging die Mezquita in Córdoba, allerdings gingen die Christen weniger sorgsam mit dem Ursprungsbau um, als die Muslime bei der Hagia Sophia. 748 begann man mit dem Bau der Moschee, die immer wieder erweitert und so zur größten Moschee auf europäischem Boden wurde. Mehr als 1000 Säulen aus Jaspis, Onyx, Marmor und Granit tragen Doppelbögen und erzeugen so einen einzigartig dichten Raumeindruck. Im Jahr 1236 wurde das Gebäude zur christlichen Kirche geweiht, im 16. Jahrhundert wurde dann inmitten des Säulenwaldes ein Kirchengebäude errichtet, das die perspektivischen Durchblicke zerstörte. Der Kirchturm wurde um das Minarett herum gebaut. Diese Veränderung geschah mit Billigung des Habsburger Kaisers Karl V. (Karl I. von Spanien). Als er das Ergebnis sah soll er gesagt haben: „Ich wusste nicht, um was es sich hier handelte. Denn wenn ich es gewusst hätte, hätte ich nicht erlaubt, dass man Hand an das alte Gebäude legt. Ihr habt getan was möglich war, etwas erbaut, was es andernorts schon gibt, und dafür habt ihr etwas zerstört, was einmalig in der Welt war“. Dieser Ausspruch kann ihm jedoch auch erst später zugeschrieben worden sein.

Wiege der Demokratie

Deutlich einvernehmlicher verlief die Mitnutzung der Frankfurter Paulskirche zu politischen Zwecken: Als nach der Märzrevolution 1848 ein Sitz für das erste demokratisch gewählte gesamtdeutsche Parlament, die Nationalversammlung, gesucht wurde, bot sich die 1833 fertig gestellte Paulskirche als größter und modernster Saal Frankfurts an. Höflich bat man den evangelischen Gemeindevorstand um die Bereitstellung des Saales. Dieser Bitte entsprach der Gemeindevorstand „mit Freuden“. Den kirchlichen Charakter des Gebäudes versuchte man mit Fahnen und Tüchern zu verstecken und zum Winter hin wurden sogar eine hochmoderne Fußbodenheizung und Gaslicht eingebaut. Das Gebäude wurde allerdings nur etwas länger als ein Jahr als Parlamentssitz genutzt – dann waren die revolutionären Bestrebungen gescheitert. Ab 1852 nutzten die evangelischen Christen die Paulskirche wieder. Nach der vollständigen Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wurde sie von Rudolf Schwarz wieder aufgebaut und ist seitdem als „Haus aller Deutschen“ ein nationales Denkmal.

Schwimmen gegen den Untergang

Die russische Revolution war der Grund für die Umnutzung der größten lutherischen Kirche Russlands. Die 1838 von Alexander Brüllow fertig gestellte Petrikirche in St. Petersburg wurde nach der Oktoberrevolution 1917 verstaatlicht und am Heiligen Abend des Jahres 1937 endgültig geschlossen. Die wertvolle Innenausstattung wurde zu einem großen Teil in Museen gebracht und die Kirche zunächst als Lagerraum genutzt. Später entschied man sich, in das Mittelschiff ein Schwimmbecken einzubauen – die Kirche war ab 1962 ein öffentliches Schwimmbad. Im Juni 1993 wurde das Gebäude der Petrikirche der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Russland zurückgegeben. Hier werden heute wieder Gottesdienste gefeiert und die Petrikirche ist zugleich Bischofssitz.

Revolution und Rettung

Für den noch immer unvollendeten Kölner Dom war die Französische Revolution möglicherweise sogar die Rettung. 1794 zogen die französischen Revolutionstruppen in Köln ein, das Domkapitel floh mit dem Domschatz nach Arnsberg. Zwei Jahre später wurde der Gottesdienst eingestellt, der Dom unter anderem als Lagerraum und Pferdestall genutzt. Erst aus der Besatzungszeit erwuchs eine neue Begeisterung für die mittelalterliche Schönheit und Größe Kölns, man sehnte nach über 200 Jahren Stillstand die Vollendung des Baus herbei – hierbei ging es weniger um die Fertigstellung eines Gotteshauses als um ein nationales Symbol der Deutschen. 1842 wurde dann endlich weitergebaut, im Jahr 1880, nach 632 Jahren, war die Kölner Kathedrale vollendet.

Deutschlands schönstes Museum

Die Säkularisation im Jahr 1802 brachte für das Kölner Cäcilienstift eine neue Nutzung als Bürgerhospital, es diente als Kranken- und Armenhaus sowie als „Irrenanstalt“. Die einstige Stiftskirche St. Cäcilien nutzte man als Krankenhauskirche. Nach dem Zweiten Weltkrieg sollte das Bürgerhospital nicht wieder aufgebaut werden, daher entschied man, die halb zerstörte Cäcilienkirche in ein Museum umzuwandeln. Die Sammlung des Kölner Domkapitulars Alexander Schnütgen (1843-1918) wurde so gekonnt in dem 1956 eröffneten Museum präsentiert, dass der erste Bundespräsident Theodor Heuss begeistert formulierte, es verdiene Deutschlands schönstes Museum genannt zu werden.

Vera Lisakowski

kirchen hagia aussen

Die Hagia Sophia in Istanbul

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Der beeindruckende Innenraum der Hagia Sophia

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Säulen der Mezquita in Córdoba

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Kölner Dom: Die kreuzförmige Basilika mit fünfschiffigem Lang- und dreischiffigem Querhaus.

Foto: Rudolf Barten/Stadt Köln

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Die Mittelachse des Langhauses mit Blick in den Hochchor des Kölner Doms.

Foto: Rudolf Barten/Stadt Köln

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Portal von St. Cäcilien mit dem Eingang zum Museum Schnütgen.

Foto: Andreas Lechtape, Münster/Museum Schnütgen

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Das Mittelschiff und der Chor von St. Cäcilien.

Foto: Museum Schnütgen