Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

plan06 – eine Nachlese

Der plan-Parcours: 41 Projekte, verteilt im Kölner Stadtraum, beschäftigten sich mittelbar oder unmittelbar mit dem Thema Wohnen.

Der Flanör hat’s schwör

Sicher, so mit frei flottierender Aufmerksamkeit durch die Metropole zu streifen, ist schön, kann aber auch bedrohlich sein. Denn wer ohne Auftrag unterwegs ist, fällt leicht in eines dieser Löcher, die da heißen: „Sinnverlust“ oder: „Was mach ich hier überhaupt?“

Gut, wenn man dann über seriöse Anlässe verfügt. plan06 zum dritten und abschließenden Mal unter der Überschrift Wohnen, bot genau das, nämlich 41 (42 wären als Bilanz des Themas sicher noch witziger gewesen) Gründe durch die Stadt zu streifen und dort Sinn zu tanken oder wenigstens zu nippen.

Das Wetter war weitgehend freundlich, die Projekte architektonischen Mehrwerts waren im Bereich um den „meetingpoint“ am Brüsseler-Platz vielfach fußläufig erreichbar, die Stimmung durchaus gehoben. Es war ein wenig wie ein Tag des offenen Ateliers: Man flanierte so von einem Veranstaltungsort zum nächsten, ließ sich inspirieren, sammelte Impulse und wenn es besonders nett war, lernte man gar wen kennen und ging einen Kaffee trinken. So hatte das ganze denn auch oft eher eine Art Werkstattcharakter als museal fixierter Vollendung.

Der an den Veranstaltungsorten ausliegende plan-Katalog hatte dieses Jahr ein neues, bedeutendes Magazin-Format angenommen. Das ist zwar lesefreundlich, aber der Flaneur konnte es nur noch schwerlich in seiner Tasche unterbringen.

Weniger Kaltakquise, mehr Kunst …

„Die Idee von plan ist, Architektur aus erster Hand und in vielen Fällen auch 1:1 am realisierten Objekt zu zeigen“ – so die ursprüngliche Idee des Veranstalters plan project. Das gilt eingeschränkt noch immer, aber wie es mit Projekten so ist: sie entwickeln eine Eigendynamik und verändern sich.

Eine reine „Architekturmesse“ ist plan längst nicht mehr. Mag sein, dass die Architekturbüros (die eine Gebühr für ihre Teilnahme zahlen) nicht mehr Schlange stehen, um sich zu beteiligen, weil die plan nicht als Verkaufsmesse oder als Akquisebörse funktioniert. Möglicherweise ist der Werbewert für die Büros fraglich. Immer mehr Kunst- und Theorieprojekte bestimmen – durchaus bereichend – das Gesicht der plan-Veranstaltung, viele darunter übrigens gefördert vom Ministerium für Bauen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen.

Der Architekt, der alte Hermetiker …

Ein Vorwurf, der so alt ist wie die Veranstaltung: Inzucht! plan sei eine Veranstaltung von Architekten für Architekten. Der Vorwurf trifft zu, aber – ich stell mich mal doof und frage zudem als Nicht-Architekt – warum ist das so schlimm? Auf einer Briefmarkenmesse ist der Nicht-Philatelist auch eine eher ungewöhnliche Erscheinung. Ich sage daher: Schön, dass die Philatelisten einen Ort haben, an dem sie sich treffen können. Tatsächlich hat eine Architektin formuliert, die plan empfinde sie als ein fabelhaftes Ehemaligentreffen von Architekturstudenten.

Der Maximalanspruch, eine Veranstaltung für alle zu schaffen, ist verfehlt – das würde ein Übermaß an Vermittlung bedeuten, womit die kleine Form der vielen einzelnen Veranstaltungsorte jeweils überfordert wäre.

Der Anspruch allerdings, die Veranstaltung für ein allgemeines Publikum zu öffnen, ohne die Szene auszuschließen, ist lobenswert und richtig. Also eine Veranstaltung die auch für Nichtarchitekten zugänglich und verdaulich ist.

Ein Anspruch den die einzelnen Veranstalter ganz unterschiedlich einlösten. koelnarchitektur berichtete ausführlich. Einige Veranstaltungen waren sehr charmant und gut kommuniziert, anderen gelang es nicht immer, eine triftige Verbindung zu den hohen, ambitionierten Ankündigungstexten herzustellen und viele Projekte waren nicht wirklich selbsterklärend. Das war auch nicht schlimm, solange man auf einen freundlichen Vermittler traf, meist den Autor der Ausstellung. Und es war immer schön, wenn er zugegen war und man ins Gespräch kam. Doch Exponate sollten auch für sich stehen können. Ästhetische Anmutung ist mehr als Beiwerk. Kommunikation und Ästhetik sind hier ein und dasselbe.

Konventionsdruck

Das Wohnen – als dem Thema der Architektur und dem Thema von plan06 – ist zunächst etwas ganz Profanes. Der Architektur fällt es generell schwer zu vermitteln, dass sie einen Mehrwert zu bieten hat. Alle Anschlüsse an spekulative Hochdiskurse (und spekulative Wohnformen) müssen bei diesem Thema eine weite Distanz überwinden. Oder, um ein anderes Bild zu bemühen, einen eleganten Spagat hinbekommen.

Die „kritische Befragung der erstaunlich beständigen Konventionalität von Wohnarchitektur“, wie es im Vorwort zum plan-Magazin heißt, scheitert dabei nicht an der Plausibilität der Befragung, sondern daran, dass man den Gegenentwürfen keine Realität mehr zutraut. Keine Chance profan zu werden.

Das wiederum hängt offensichtlich damit zusammen, dass verfügbares Geld für große unkonventionelle und notwendige Projekte (für Familien, für Alte, für Migranten, aber auch für Singles, die die Teilhabe an Kultur und Geld verloren haben) nicht zirkuliert. Die Hälfte der neuen Architekten ist arbeitslos, die andere Hälfte unterbezahlt und überarbeitet. Heute ist ein junger Architekt stolz, wenn er eine Garage realisiert. Das erzeugt erheblichen Konventionsdruck.

Die Folgenlosigkeit der Eventkultur

Wer clever ist, disponiert um und geht, z.B. in die Kultur. Macht dort Projekte. Und hat doch oft Zweifel an ihre Realisierungschance. Was aber den Theoretiker ehrt, nämlich nicht korrumpierbar durch die Realität zu sein, ist für Architekten ein Problem. Ohne Mittel zur Realisierung seiner Pläne, fühlt er sich von der Welt abgekoppelt. Hier kippt das Spielerische seiner Kunst dann ins Verspielte. Von diesem Verdacht sind einige Projekte auf der plan nicht ganz frei. Das kann man der Veranstaltung nicht vorwerfen, denn das verweist auf ein Problem einer ganz anderen Dimension. Aber man könnte es mal zum Thema machen.

Axel Joerss

plan06 Berichte

plan 06: Ungenutzte Möglichkeiten

plan06: Faktor 10

plan06: Küchenschrein & Hundekomfort

plan06: Tina Hauser – Golden Platforms

plan06: Ein Blick

plan 06: Us & Them – Architektur und Lebensstil

plan06: TheorieRaumObjekt

plan06: Skulpturales Gemeinschaftswohnen

plan 06: Beatbox

plan 06: Ebertplatz + X

plan 06: „To Make it Home“

plan06: Baumeister Johann Schumacher Preis 2006

plan 06: Sechsmal Baukunst

plan 06: Liebesbeweis unter Freunden

Projekt On Air: Hängematte mit Beschallung

Projekt passato betonato: Hä, wie funktioniert denn der?

Projekt: Dwelling in Motion: Der beruhigende Sound des Ping-Pong-Balls.

Projekt Beatbox: Das also ist Jugendkultur?

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