Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Frage 1: Ist die Zeit der Hochhäuser abgelaufen?

koelnarchitektur.de: Ist am Anfang des dritten Jahrtausends die Hochzeit von Hochhäusern vorbei oder haben die Utopien der Moderne das Zeug zur Wiederauferstehung? Oder anders gefr…

koelnarchitektur.de: Ist am Anfang des dritten Jahrtausends die Hochzeit von Hochhäusern vorbei oder haben die Utopien der Moderne das Zeug zur Wiederauferstehung? Oder anders gefragt: Die Einen fasziniert das Hochhaus als technisch-ästhetische Innovation, die Anderen lehnen es als unnötiges Imponiergehabe ab. Was sehen Sie in diesem Bautyp?

Falk Jaeger:

Die Dinosaurier der Architektur sind noch nicht ausgestorben. Sie leben dort auf, wo Gesellschaften Nachholbedarf an Selbstdarstellung haben, in Moskau, am Persischen Golf, in Fernost. Europa hat das kostbare Erbe der „Europäischen Stadt“ zu verteidigen. Deren Ästhetik, Logik und Struktur wird vom Hochhaus, zumindest vom Wolkenkratzer, zerstört. London z.B. hat durch Fosters „Gurke“ nicht gewonnen.

Die technisch-innovative Herausforderung als Legitimation von Hochhäusern ist Unsinn. Das haben sie mit Atomkraftwerken und Jagdbombern gemein.

Christoph Ingenhoven:

Für die europäischen Metropolen eine sinnvolle, gezielt anzuwendende Sonderform. Für viele europäische Mittelstädte entbehrlich, für fast alle wirklich großen Städte der Welt unentbehrlich.

Fritz Balthaus:

Die Unterscheidung Hochhaus oder kein Hochhaus scheint bei mir wenig interessante Antworten zu generieren, denke aber dass der Phallokratievorwurf und dessen Psychologie einfach durch sind. Großen Menschen unterstellt man auch nicht automatisch größenwahnsinnig zu sein. Bezüglich der Höhe von Häusern sollte der kulturelle Kontext den Ausschlag geben. Einem ehemaligen Ministranten und Messdiener bleibt der Dom das Größte. Drinnen, während der Hochämter hat man im übrigen auch immer vermieden kleine und große Messdiener nebeneinander zu stellen. Den Kleinen und Aufragenden wurden liturgisch unterschiedliche Plätze zugewiesen, damit sie sich während der Messe nicht zu nahe kommen und ein schlechtes Bild abgeben. So ist zu sehen, dass Hochämter und Hochbauämter voneinander lernen können.

Barbara Schock-Werner:

Ich sehe das Hochhaus sehr viel gelassener als Bautyp, der als Bürohaus auf einem sehr beengten, sehr teuren Baugrund durchaus seinen Sinn hat. Das Hochhaus als Imponiergebäude hat seinen Sinn verloren, ist nicht mehr zeitgemäß. Häuser von 400 m Höhe finde ich menschenverachtend.

Christiane Thalgott:

Ein Hochhaus kann sowohl ein städtebauliches Zeichen am wichtigen, richtigen Ort sein als auch ein funktionell vernünftiger Haustyp bei bestimmten räumlichen Bedingungen. Aber natürlich kann es ebenso Zeichen für Imponiergehabe sein und am falschen Ort das Stadtbild stören.

Nur eine städtebauliche und stadtstrukturelle Auseinandersetzung mit der jeweiligen Stadt und dem spezifischen Ort kann die Grundlage für eine richtige Entscheidung sein.

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jaeger neu (Image/Foto)

‚Die technisch-innovative Herausforderung als Legitimation von Hochhäusern ist Unsinn. Das haben sie mit Atomkraftwerken und Jagdbombern gemein.‘

Prof. Falk Jaeger

Publizist

geboren 1950. Studium Architektur und Kunstgeschichte in Braunschweig, Stuttgart und Tübingen. Promotion zum Dr.-Ing. TU Hannover, apl. Professor für Architekturtheorie und -kritik an der TU Dresden. Freier Publizist, Kurator und Architekturkritiker für Tages- und Fachpresse, Hörfunk und Fernsehen. Lebt in Berlin.