Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

“Wohnen on the Job”

TRIOTOP und Zwitschermaschine in Vogelsang

Im Haus der Architektur berichteten Architekt Richard Angelis und Investor Anton Bausinger am Mittwoch, den 07.12., über das Projekt „Wohnen on the Job“. Besonderes Augenmerk lag dabei auf der Beschreibung der sogenannten Zwitschermaschine, einem Loftgebäude mit einer flexiblen Gebäudestruktur, die vielfältige Kombinationen von Wohn- und Arbeitsstruktur ermöglichen soll.

Der Hintergrund

Auf dem zehn Hektar großen Gelände des Hoch- und Tiefbauunternehmens Friedrich Wassermann am Girlitzweg in Köln-Vogelsang soll der Gewerbe- und Landschaftspark TRIOTOP entstehen. Das Gelände mit stillgelegter Kiesgrube steht teilweise unter Landschaftsschutz. Anton Bausinger, der das Familienunternehmen Wassermann bereits in der vierten Generation führt, will dem Firmengelände, der „vernarbten Landschaftswunde“ einen neuen Charakter geben. Ein lebendiges kleines Dorf soll entstehen, in dem die Menschen nicht nur arbeiten, sondern auch wohnen und leben. Ein VEP-Plan liegt vor, legales Wohnen ist an diesem Gewerbestandort möglich.

Die Zwitschermaschine – was soll das sein?

Das Loftgebäude Zwitschermaschine wird das Herzstück des neuen Gewerbe- und Landschaftsparks TRIOTOP. Die Zwitschermaschine funktioniert als Nahtstelle, als Übergang von den Bürobauten und der bebauten Fläche hin zum Grünen, zum Park.

Die Zwitschermaschine soll, so Angelis, die „Überlappung der Gegensätze ausformulieren“, die Energie der Antipoden Stadt – Natur positiv nutzen. Dies erfordere ein situationsgerechtes Bauwerk, das zu einem „lebendigen, leistungsfähigen Standort mit Eigendynamik“ passe. Eine Grafik von Paul Klee gab der Zwitschermaschine ihren Namen: auf dieser Grafik, die Klee „Zwitschermaschine“ genannt hat, sitzen Spatzen auf Linien (Telegraphenleitungen? Notenlinien?) wild durcheinander und bilden trotzdem eine Gemeinschaft.

Gebäudestruktur der Zwitschermaschine

Die Zwitschermaschine besteht aus Modulen, die unterschiedlich miteinander kombiniert werden können, so dass beispielsweise eine Kettenbildung durch das Gebäude entsteht. Die kleinste Einheit besteht dabei aus einem Quader mit 25m² Grundfläche und einer Raumhöhe von drei Metern. Diese Einheit ist der Basis-Baustein für eine beliebige Abfolge von Räumen – ob horizontal oder vertikal erweitert, bestimmt der Nutzer. In den Obergeschossen werden die Wohneinheiten immer mehr zunehmen. Im obersten Geschoss befinden sich die Wohneinheiten mit Dachterrasse, die unteren Stockwerke haben zur Parkseite hin vorgelagerte Balkone. Es gibt in dem gesamten Gebäude eine Vielzahl von Treppen, die die einzelnen Einheiten miteinander verbinden. Die ungewöhnliche Vielzahl der Treppen soll die Aneignung des Raumes durch dreidimensionale Bewegung unterstützen – es soll eben nicht nur Fläche angeboten werden sondern ganz explizit Raumvolumen. Das Gebäude wird als Organismus verstanden. Im Erdgeschoss wird es mehrere Durchgänge geben. Diese durchgesteckten Einheiten sind für jedermann zugänglich und verbinden das Gewerbegebiet mit dem Park.

Fassade der Zwitschermaschine:

Die Fassade zur Gewerbefläche hin wird eine netzartige Struktur haben, dabei aber ein stabiles Element sein, das quasi als Filter von Stadt zur Natur fungiert. Die Innenseite, die Seite des Loftgebäudes zum Park wiederum, ist sehr offen – sie soll soviel Park, soviel Natur wie nur irgend möglich in das Gebäude hereinlassen. In der Zwitschermaschine selbst soll durch ungewöhnliche Fensterformen und den daraus resultierenden Lichteinfällen ein neues Raumerlebnis erfahrbar werden. Der Blick kann sich immer wieder anders auf die Landschaft und das „Draußen“ einstellen, er wird nicht gerichtet.

Die grüne Oase: kein leeres Versprechen

Mit den Begrünungsmaßnahmen wurde bereits begonnen, Investor Anton Bausinger legt den Park an. Eine „organisch geformte Strandidylle“ soll entstehen, nach dem Vorbild der Landschaft an der Nordseeküste. Nicht zuletzt erhoffen sich die Bauherren dadurch auch eine gewisse Glaubwürdigkeit ihres Projektes: es wird nicht mit dem Bau der Zwitschermaschine begonnen und potentielle Mieter mit einem künftigen Blick ins Grüne gelockt, der noch jahrelang auch sich warten lassen kann – sondern der Park ist schon da.

Wer soll hier einziehen? Und wann?

Potentielle Mieter unterschiedlichster Art sind vorstellbar:

Die Goldschmiedin oder Modedesignerin, die einen keinen Laden mit Verkaufsfläche betreibt, von dem aus sie in ihre Werkstatt gelangt. Innerhalb der Woche bewohnt sie eine kleine Wohnung darüber, am Wochenende ist sie in ihrem Häuschen in der Eifel.

Der Anwalt mit Büro in der Zwitschermaschine, der zusammen mit seiner Lebensgefährtin eine großzügige Dachgeschosswohnung bewohnt. Ein Werkstattbetreiber, dessen Zulieferer nebenan arbeitet. Anfang 2006 wird mit dem Rohbau der Zwitschermaschine begonnen. Dieser soll im Juli 2006 abgeschlossen sein. Innenausbau und Flächengestaltung werden dann in Absprache mit den künftigen Mietern erfolgen. Im Spätherbst 2006 sollen die ersten Mieter die Zwitschermaschine beziehen können.

Infrastruktur

Autofahrer sind gut angebunden durch Militärring und Autobahnnähe. Die Infrastruktur für die Fußgänger allerdings ist schlecht, die nächste Straßenbahnhaltestelle einen Kilometer weit entfernt. Innerhalb des „Dorfes“ selbst gibt es keine Einkaufsmöglichkeiten, die nächsten Geschäfte sind ebenfalls einen Kilometer entfernt. Eine Basisversorgung am Standort selbst wird allerdings angestrebt, zumindest Mittagstisch und das Bierchen nach Feierabend.

Realistische Vision?

In zehn bis fünfzehn Jahren soll in Vogelsang ein belebtes „Dorf mit vielen Funktionen“ entstanden sein. Kein reines Gewerbeviertel, dass nach Büroschluss tot ist – sondern vielmehr ein Viertel, in dem zu Geschäftszeiten und nach Büroschluss und am Wochenende eine völlig andere Atmosphäre herrscht. Um das zu realisieren, sollen z. B. gastronomische Betriebe etabliert werden, womöglich in Verbindung mit einem Catering-Service, um eine Unabhängigkeit vom Standort zu garantieren. Theoretisch könnten 47% der Gesamtfläche als Wohnfläche genutzt werden. Für den ersten Bauabschnitt sind zehn bis fünfzehn Wohneinheiten vorgesehen

Aber reicht das aus, um einen Anziehungspunkt zu schaffen, um ein Gewerbegebiet zu beleben? Hier baut Angelis auf das „synergetische Zusammenwirken verschiedener Aspekte“: Geschäfte und Dienstleister, Firmen und Mieter, die in einer gegenseitigen Wechselwirkung stehen und Angebote und Arbeits- und Lebensqualität am Standort beeinflussen und positiv prägen. Die kommenden Jahre werden zeigen, inwieweit sich dies bestätigt.

Britta Weißbrod

TRITOP

untitled

Lageplan der Gesamtsituation

Foto: Reinhard Angelis

Büro für Architektur und Gestaltung

untitled

Foto: Reinhard Angelis

Büro für Architektur und Gestaltung

untitled

Foto: Reinhard Angelis

Büro für Architektur und Gestaltung

untitled

Foto: Reinhard Angelis

Büro für Architektur und Gestaltung

untitled

Foto: Reinhard Angelis

Büro für Architektur und Gestaltung