Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Die Überschreitung von Grenzen

Ein Porträt über den Kölner Architekturfotografen Stefan Schilling.

„Das Wetter ist nicht nur schlecht sondern vor allem wechselhaft!“ Und Stefan Schilling muss darauf reagieren. Denn Licht und Zeit spielen für ihn als Architekturfotografen eine vielseitige und wichtige Rolle. So bevorzugt Schilling einen hellen zeitlosen Himmel, der ein Gebäude in ein weiches schattenarmes Licht taucht und damit den Oberflächen Kontur aber auch Ruhe verleiht. Glasfassaden etwa lassen sich so fotografisch in ihrem Spannungsfeld zwischen Spiegelung und Transparenz, Fläche und Raum am deutlichsten darstellen.

Licht-Bild

Das Licht und seine Schatten zeichnen Architektur und gestalten den Raum. Die ‚Photo-graphie‘ ‚schreibt‘ mit dem ‚Licht‘ und dessen Farbspektrum das Abbild der Architektur in ein ‚Lichtbild‘. Dabei spricht die Farbe ihre ganz eigene Sprache wie beispielsweise bei der Blauen Stunde: „Trotz der teils kitschigen Wirkung gibt es aber auch gute Gründe für die Dämmerungsaufnahme. Die oft gewünschte Transparenz von Gebäuden, die Leichtigkeit und Durchlässigkeit lassen sich erst darstellen, wenn die Lichtverhältnisse innen und außen gleichberechtigt sind. Außerdem ist die Blaue Stunde der Gipfel der Inszenierung, und darum geht’s in der Architektur und ihrer Fotografie. Es gibt Gebäude, die meines Erachtens von Architekten und Lichtgestaltern so konzipiert sind, dass sie genau für diese Inszenierung gedacht sind. Vor allem in der Nacht ist eine Stadt wie eine überwältigende Bühne, die man betritt.“

Nach seiner Geburt in Hannover wächst Stefan Schilling in Neviges – im Schatten der Wallfahrtskirche von Gottfried Böhm – auf. Schon früh interessiert er sich für die wichtigsten fotografischen Strömungen und deren Vertreter. In seiner kleinen Dunkelkammer arbeitet er zunächst an Fotogrammen bis er mit seinem ersten Vergrößerer Fotografien belichten kann. 1985 beginnt Schilling dann an der Fachhochschule für Gestaltung in Bielefeld Fotografie zu studieren. „Mein vordergründiges Interesse galt damals noch nicht der Architekturfotografie wie ich sie jetzt betreibe, sondern eher einem größeren Zusammenhang von Architektur, der von Menschen gestalteten und kultivierten Stadtlandschaft.“

Architektur-Landschaft

Hierzu gehört auch die innerstädtische Landschaftsarchitektur eines Zoologischen Gartens. Aufwändig geplante und weiträumig angelegte Gehege suggerieren dem Besucher eine Illusion von Exotik und freier Wildbahn – so auch bei dem neuen Kölner Elefantenpark. Als langjähriger Fotograf des verantwortlichen Büros Oxen + Römer Architekten erhält Stefan Schilling 2004 den Auftrag, das Elefantenhaus mit Außengehege fotografisch zu dokumentieren. „Der ursprüngliche Gedanke der Architekten war es, den Bruch zwischen dem gebauten Lebensraum und der eigentlichen Architektur stärker hervortreten zu lassen. Doch in Übereinkunft mit dem Bauherrn und Betreiber wurden Landschaften von einem Illusionsmaler ebenso auf die Betonwände gemalt. Dieser Form der Künstlichkeit, in der für mich auch ein leiser Humor steckt, kann man durchaus etwas abgewinnen. Besonders vor der Kulisse der Hochhäuser hinter dem Zoo entsteht eine ganz eigene architektonische Situation.“ Die Tiere haben die Arbeit für Schilling aber auch zu einer Herausforderung gemacht. Viele Inszenierungen und Einstellungen waren wegen der Unberechenbarkeit der Elefanten und den besonderen Gegebenheiten des Zoos nur schwer oder gar nicht möglich.

Zeit-Raum

Auch die Zeit zwischen Fertigstellung und Übergabe eines Baus ist heute ein grundsätzliches Problem für die Architekturfotografie – denn sie wird zunehmend kürzer. Wirtschaftliche Aspekte können bei Großprojekten dazu führen, dass Teile schon bezugsfertig, andere hingegen noch Baustelle sind. Wenn Schilling Räume schon bezogener Bürobauten fotografiert, steht er oftmals großen Widersprüchen gegenüber: „Auf der einen Seite höre ich die Architekten, die glauben, durch Transparenz und Offenheit zeitgemäße und humane Arbeitsbedingungen geschaffen zu haben, und auf der anderen Seite erlebe ich Angestellte, die ihre neuen Bürowelten kalt und unmenschlich finden. Durch individuelle Dekoration versuchen sie, ihren Arbeitsplatz ein Stück in den Bereich des Privaten zu holen.“ Schilling verbringt dann wiederum viel Zeit damit, seine Bildausschnitte zu reinigen, indem er Möbel rückt, Micky-Maus-Uhren von Monitoren räumt oder Pflanzenkübel beiseite rollt.

Noch während des Studiums stellt Schilling sich immer wieder die Frage, ob die Fotografie für ihn jemals zum Beruf werden kann. Sein Bild des Fotografen hat sich von einem „reflektierten und kulturinteressierten, künstlerisch und grafisch ambitionierten Menschen“ zu einer „etwas dümmlichen Figur“, die nur ihren Motiven hinterher rennt, gewandelt. Ihm fehlen klar vorgetragene Positionen und damit die Möglichkeit der Auseinandersetzung. Er unterbricht sein Studium bis neue Impulse durch Studenteninitiativen und Gastdozenten an der Fachhochschule gesetzt werden. Joachim Brohm beispielsweise, heute Rektor der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst, etabliert neben dem rein informativen Journalismus und der kameralosen, künstlerischen Fotografik die Position eines subjektiven fotografischen Blicks auf den Alltag und dessen soziale Zusammenhänge. Dabei finden neben der inhaltlichen Auseinandersetzung auch die Planung und Umsetzung von Ausstellungskonzepten sowie die Gestaltung von Flyern, Katalogen und Büchern ihren Platz in Bielefeld. Das prägt Stefan Schilling sehr und trägt ihn bis heute. Mit einem Buchprojekt über Stadträume schließt er schließlich bei Prof. Jürgen Heinemann sein Studium ab.

Nach dem Diplom macht er sich 1993 als Fotodesigner in Köln selbständig. Neben der Architektur widmet sich seine Fotografie auch der Baustelle und dem Modell. „Die Modellfotografie war zu Beginn ein ernstzunehmender Teil meiner Arbeit, bis man vor lauter Begeisterung für neue technische Präsentationsformen die Simulation der fotografischen Inszenierung eines Modells vorgezogen hat. Erst in den letzten Jahren erhält die Qualität des Modells und dessen Fotografie wieder einen neuen Wert.“ Heute kommen die Aufträge weniger von den Architekten, als von den Investoren, Agenturen und Gesellschaften, die die Objekte finanzieren, bewerben und vermarkten. Professionelle Architekturfotografie steht dann in einem direkten Zusammenhang mit ihrer Verwendung und wird mehr denn je zur „werblichen Fotografie“.

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Stefan Schilling, Jahrgang 1964

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Mühlenkopfschanze, Willingen, 2003, Pahl + Weber-Pahl, Darmstadt

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Haus Kallinowski, Witten, 2005, Edgar Kallinowski, Witten

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Elefantenpark Zoo Köln, 2004, Oxen + Römer und Partner Architekten, Hürth, FSW Landschaftsarchitekten, Düsseldorf

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Elefantenhaus Zoo Köln, 2004, Oxen + Römer und Partner Architekten, Hürth

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DKV AG Köln, H2, Scheidtweiler Straße, 2005, Jan Stoermer Architekten, Hamburg

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Umbau des Hauptsitzes der Dorma AG, Ennepetal, 2004, KSP Engel und Zimmermann Architekten, Köln

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Forum Messe Frankfurt, 2002 KSP Engel und Zimmermann Architekten, Frankfurt

3 Kommentare

alles zu glatt, zu werblich, zu platt und leider sieht man keine eigene Sichtweise