Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

plan05: Liebesentzug

Zwölf junge Leute verlassen während der plan-Woche ihre Wohnung, um zu erfahren, wie es sich ohne festen Wohnsitz lebt.

Was ihnen bleibt, muss in eine Umhängetasche passen. Diese enthält Schlafsack, Isomatte, Hygieneset, Stadtplan und, neben persönlichen Accessoires, vermutlich auch eine zweite Garnitur Unterwäsche.

„Liebesentzug“ nennt der Landschaftsarchitekt Jörg Rekittke das von ihm initiierte Projekt und bezieht sich damit auf den etymologischen Zusammenhang von Wohnen und Lieben.

Das Experiment befragt das Idealmodell des urbanen Menschen, dessen wichtigste Eigenschaft (oder genauer Eigenschaftslosigkeit) seine mentale und physische Flexibilität ist. Das bedeutet auch Ortsunabhängigkeit und kann nomadisches Wohnen bedeuten. „Wie viel Liebe“, fragt die Projektankündigung, „kann entzogen werden, bevor das Nichtwohnen beginnt“. „Denn“, so Rekittke, „es geht nicht um Obdachlosigkeit.“ Es geht darum, zu erfahren, wie viel Behausung notwendig ist, um ganz „normal“ leben, arbeiten und lieben zu können.

Obdachlosigkeit light

Für die zwölf, in der Mehrzahl übrigens weibliche Studenten, steht zur Zeit aber vermutlich der Wetterbericht im Vordergrund sowie die Frage, wo sie die nächste Nacht verbringen werden. Das Ganze hat für sie den Charme einer Interrail-Aktion. Bei einem Treffen nach fünf Tagen ist die Stimmung gelöst, beiläufig aber ständig wird von allen fotografiert soviel die Speicherchips fassen. „Super Leute“, freut sich Rekittke, „um die muss man sich keine Sorgen machen.“ In der Intensität des improvisierten Lebens bei dem das Gespräch mit Fremden wichtig ist, um einen Schlafplatz zu sichern, passiert, wie eine Teilnehmerin sagt, „an einem Tag mehr, als bei meinen Eltern in einem ganzen Monat“. Auf die künstliche Verringerung zivilisatorischer Geborgenheit können sich die Probanden leichter einlassen: sie sind jung, ihr Horizont ist offen und sie genießen ihre Beweglichkeit. Flexibilität ist für sie nicht die drohende Forderung, die sie im Elendsernstfall sein kann. Was sie als Zwischenresümee schon verraten, ist, dass die Organisation des Notwendigen kaum Energie lässt für Arbeit, kulturelle Aktivität oder andere Dinge, die wir als die sinnvollen ansehen. Dabei verfügen sie trotz aller Beschränkung über Handies und Kreditkarten, über einen Spind im Museum Ludwig und bei Gruppentreffen haben sie auch die Wärme des Rudels. Ein Wärter des Museum Ludwig, der den Start der Aktion am vorigen Freitagabend verfolgte, nannte es „Obdachlosigkeit light“. Er selbst erzählte einiges von seiner Vergangenheit als Berber und gab gleich Tipps, wie auf der Straße Ärger zu vermeiden ist.

Siedeln ohne Grund und Boden

Wer das Projekt als Gedankenexperiment verfolgt, freut sich über die Metaperspektive. Dieses Architekturprojekt, das einmal nicht ein Bauwerk in den Mittelpunkt stellt, lotet spielerisch ein Wohnminimum aus. Darin ist es auf eine fröhliche Weise aktuell. Nach den Wachstumsjahren und inmitten der Bestandssicherungspanik eines historisch immer noch unvergleichbaren Wohlstands, wird die Frage spannend, wie man mit weniger zurechtkommt. Schon gibt es einen Bestseller mit dem Titel „Die Kunst des stilvollen Verarmens“. Ähnliche werden ohne Zweifel folgen. So erwarten wir Anregungen mit Titeln wie: „Arbeitslos und trotzdem sexy“, „Lebensqualität ohne Rente“ oder „Siedeln ohne Grund und Boden“.

Erlebnisberichte

Am Freitag den 30.09., 20 Uhr wird die Aktion mit den Erlebnisberichten und Reflexionen der Teilnehmer im meetingpoint des Museum Ludwig beendet. Dann wird es zwölf Versionen über die Grenzen des Wohnens geben. Im Hintergrund wird ein Beamer eine Auswahl der unzähligen Fotos von der Aktion projizieren. Unbedingt hingehen!

Axel Joerss

Abschlussveranstaltung mit Erlebnisberichten:

30.09., 20 Uhr, meetingpoint, Museum Ludwig

Liebesentzug - das Briefing

Liebesentzug! Jörg Rekittke erklärt das Spiel.

Teilnehmergruppe

Gute Stimmung beim Empfang des Notwendigsten.

Spinde

Die Spinde der Teilnehmer.

Liebe

Links im Spind ist ein kleiner Raum für etwas Liebe.