Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

plan05: Gezüchtete Räume

Sind Gelatine und Götterspeise die Zukunft der Architektur? Ein Vortrag von Zbigniew Oksiuta im Forum des Museum Ludwig.

Die Zukunft der Architektur steckt in einer Blase. Ein handgroßes, verschrumpeltes Gebilde aus getrockneter Gelatine, das Zbigniew Oksiuta am Dienstagabend seinen Gästen präsentierte. Gemeinsam mit Hans-Henning Steinbiß, Professor am Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung in Köln, referierte der polnische Künstler im Foyer des Museum Ludwig über biologisch gezüchtete Baumaterialien, das Leben unter Wasser und die Wohnräume von morgen.

Breeding Spaces

„Breeding Spaces“ heißt der schmale Buchband, den Oksiuta 2004 auf den Markt brachte und der von seinen interdisziplinären Forschungsprojekten aus Kunst, Architektur und Naturwissenschaft berichtet. Übersetzt bedeutet das so viel wie „gezüchtete Räume“, neue Wohnwelten also, die in Zusammenarbeit mit der Natur entstehen und, das musste auch der Künstler zugeben, viel Vorstellungskraft erfordern: „Mit Funktionalität haben meine Ideen erst einmal nichts zu tun.“

Schwerelose Architektur

Seit Jahren beschäftigt sich Oksiuta, Jahrgang 1951, mit alternativen Wohnräumen. In Projekten wie „Spatium Gelatum“ oder eben „Breeding Spaces“, die er bereits bei plan03, bei ArchiLab 2004 in Orléans und im selben Jahr bei der Architektur-Biennale in Venedig präsentierte, beschäftigte er sich mit der Erschaffung architektonischer Räume unter Schwerelosigkeit. In Zusammenarbeit mit der Industrie und Wissenschaft ließ er Methoden zur Gestaltung architektonischer Formen unter Wasser prüfen, im Besonderen die Übergangsphasen von flüssiger zu fester Materie und das Phänomen der Erstarrung, wie es beispielsweise bei getrockneter Gelatine zu beobachten ist.

Baumaterialien der Zukunft

Sind biologische Polymere also die Baumaterialien der Zukunft? Der Biologieprofessor hält es für möglich: „Die Architektur wird immer mehr von der Wissenschaft als von der Kunst beeinflusst sein“, prophezeite Steinbiß, der mit Oksiuta zusammenarbeitet und versucht, in Experimenten die Ideen des Künstlers zu prüfen.

Raumfahrer testen „ideale Wohnwelten“

In einem kurzen Film gab der Künstler, der in Polen Architektur studierte und seit Anfang der 1980er Jahre in Köln lebt, einen Eindruck von seiner Arbeit. Raumfahrer, die unter Wasser die Schwerelosigkeit simulieren, die Zusammensetzung von Götterspeise und der klassische Aufbau einer Zelle, die Oksiuta als „ideale Wohnwelt“ bezeichnete, waren hier zu sehen.

Leben in einer Gelatineblase

Dass eines Tages wirklich einmal biologische Baumaterialien gezielt gezüchtet werden oder gar sich mit dem Gebäude, das sie bilden, verändern, hält Steinbiß für möglich. „Theoretisch ist eine getrocknete Gelatineblase bewohnbar“, sagte der Professor – selbst bei starken Regengüssen. Allerdings musste der Biologe auch Nachteile zugeben: „Bei Dauerregen wird es anfangen zu stinken.“ Die Zukunft der Architektur könnte also lebensecht und verzehrbar, biologisch abbaubar und auch noch zu züchten sein – wie, das bleibt zunächst offen.

Annika Wind

Das Buch von Zbigniew Oksiuta ist utner https://www.buchhandlung-walther-koenig.de/ bestellbar.

Letzter Termin:

„Raum und Performance“ von Christopher Dell am 29.09.2005 um 19:00 Uhr

im plan05-meetingpoint Museum Ludwig

formblau

Die Zukunft der Architektur? Ein Gebilde aus getrockneter Gelatine, Teil des Projektes ‚Spatium Gelatum‘ von Zbigniew Oksiuta.

Foto: www.oksiuta.de