Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

plan05: Wohnen im Stollwerck

‚Einziehen! Selbst ausbauen! Drin bleiben!‘ titelte der Schauplatz 1980.

Ein Blick auf demokratische Stadtentwicklung – gestern und morgen.

„Ich weiß noch janz jenau wie alles ahnfing, wie dä janze Schmu un Klüngel losjing. Sick dämm ess einijes he passiert.“ So lauten die ersten Zeilen des Stollwerck-Lieds von BAP.

Gestern

Genau genommen begann es 1969, als der BDA ins Amerikahaus lud, um die Möglichkeiten der Demokratisierung von Stadtentwicklung zu diskutieren. Das weist das Findbuch des KölnArchiv e.V. aus, in dem die Materialien zur Geschichte der Stollwerck-Besetzung verzeichnet sind. Heute lagern die Bestände im Historischen Archiv der Stadt Köln und harren der Aufarbeitung – worauf Martin Stankowski in seiner Eröffnungsrede zur Veranstaltungsreihe „Schatz – 25 Jahre nach Stollwerck“ eindrücklich hinwies.

Als eine Konsequenz der Diskussionsveranstaltung des BDA im März 1969 trat das Kölner Stadtforum auf den Plan, in dem sich zum Beispiel Stephan Goerner und Erich Schneider-Wesseling für neue Formen des urbanen Wohnens engagierten. Aus diesem Zusammenschluss wiederum ging die Bürgerinitiative Südliche Altstadt hervor, die 1980 mit der verlassenen Stollwerck-Fabrik ein konkretes Projekt zum Thema „Kollektives Wohnen und Arbeiten“ in Angriff nahm.

Heute

Ein Vierteljahrhundert später blicken viele Anwesende, die sich damals für den Erhalt der Fabrik eingesetzt hatten, auf die Dokumentation dieser bewegten Zeit. Stephan Goerner hat historisches Bildmaterial zu einer Art Fototapete verarbeitet, die (wehmütig?) vor Augen führt: Aktionsbereitschaft und gesellschaftlicher Konsens, Frisuren und Industriearchitektur – alles Geschichte.

Eine Wohnzimmerenklave im Ausstellungsraum des Stadtarchivs lädt ein zur Betrachtung von Videogesprächen, die Rudi Frings und Sebastian Hauser zusammengestellt haben. Den Alltag in der besetzten Fabrik zeigen großformatige Fotos von Gernot Huber. An die legendäre Musterwohnung, die Bodo Marciniak im Stollwerck errichtete, sowie an Varianten aus dem Musterwohnungswettbewerb erinnert die Collage „Wohnen in der Fabrik“ auf dem Boden. Schwarze Linien zeichnen den realisierten Einbau nach, geklebte Grundrisse in Weiß und Grau die Alternativen.

Es endete am 6. Juli 1980. Nach sechs Wochen, in denen rund 100 Personen die Stollwerck-Fabrik besetzt hielten, wurde das Gelände freiwillig geräumt. Nach und nach fielen die Fabrikbauten, 1986/87 auch der „Palazzo Schoko“, das alternative Kulturzentrum im ehemaligen Maschinensaal. Das kreative und soziale Experiment Stollwerck sei „an inneren Widersprüchen“ gescheitert, konstatiert Martin Stankowski.

Morgen

Auf die Frage, wer aus der Szene der Besetzer und Unterstützer heute noch im Kollektiv lebe, antwortet er: „Ich glaube keiner mehr.“ Was also ist – außer dem Archivmaterial – aus der damaligen Zeit übrig geblieben? Den Aufruf, alte Fragen neu zu stellen, und aus der heutigen Zeit neue Antworten zu geben, legt zumindest die AG SCHATZ nahe.

Das Findbuch zum Thema „Protest in Köln“ ist für 10 Euro im Historischen Archiv erhältlich.

Petra Metzger

Besichtigung:

Historisches Archiv der Stadt Köln, Severinstraße 222-228

Montag bis Freitag 9.00–16.30 Uhr, Mittwoch 9.00–19.30 Uhr

Finissage:

Am Samstag, den 05. November 2005, lädt die Archivgemeinschaft ab 19.00 Uhr zur Abschlussveranstaltung ein. Im Rahmen der Langen Nacht der Museen wird die Finissage mit einer Versteigerung von Reliquien und Devotionalien aus dem SCHATZ der Stollwerckbesetzung begangen.

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Erinnerungsbilder an die Stollwerck-Besetzung aus dem Bestand von Stephan Goerner

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Bewegte Zeiten: Die Südstadt als Sanierungsfall

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Einblicke in den Archivschatz – heute im Historischen Archiv der Stadt Köln

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Wie man sich den Schatz erschließt: Blick in das Findbuch