Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

„Die IBA war Klasse“

koelnarchitektur im Gespräch: Ein Interview mit Oliver Wittke, dem neuen Minister für Bauen und Verkehr in NRW.

Oliver Wittke (CDU), Jahrgang 1966, ist seit Ende Juni neuer Minister für Bauen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen. Der Diplom-Geograf hatte fünf Jahre lang als Oberbürgermeister die Amtsgeschäfte in Gelsenkirchen geführt, bis er als jüngster Minister in das Kabinett von Jürgen Rüttgers einzog. Barbara Schlei und Annika Wind sprachen mit ihm über seine Pläne und die Arbeit in seinem „Traumministerium“.

In einem Interview mit dem Radiosender WDR 2 haben Sie gesagt, ihr neuer Arbeitsbereich sei ein „Traumministerium“ für Sie. Warum?

OW: Mein beruflicher und mein politischer Hintergrund decken sich voll mit dem Aufgabenspektrum dieses Hauses. Ich bin Diplomgeograf, habe Raumplanung und Öffentliches Recht im Nebenfach studiert und in der Flächenentwicklung gearbeitet. Bei einer Entwicklungsagentur im Ruhrgebiet habe ich den Strukturwandel sozusagen live erlebt und dann als Oberbürgermeister von Gelsenkirchen meine Arbeit in der Stadtentwicklung, Wohnungsbaupolitik und Raumplanung fortsetzen können. Bevor ich Minister wurde, habe ich in der Immobilienwirtschaft gearbeitet, bei der Montan Grundstücksentwicklungsgesellschaft in Essen, die aus ehemaligen Zechenbrachen neue Standorte für Wohnungen und Gewerbe entwickelt hat.

Was sind Ihre politischen Ziele als Bauminister?

OW: Eines meiner Oberziele ist, Antworten auf den demographischen Wandel zu entwickeln. Ich glaube, dass in vielen Kommunen noch nicht angekommen ist, in welchem Prozess wir uns da befinden. Da mag Köln noch eine gewisse Ausnahme bilden. Die Bevölkerungszahlen haben hier noch nicht so rapide abgenommen wie anderswo. Aber ein Älterwerden der Stadtbevölkerung ist auch hier zu verzeichnen. Wir werden daher Schwerpunkte bei der sozialen Wohnungsbauförderung setzen und vermehrt alten- und behindertengerechtes Wohnen fördern. Zudem muss der Städtebau dafür sorgen, dass der Strukturwandel in NRW sozialverträglich vonstatten geht. Brachflächen, die innerstädtisch frei werden, dürfen nicht zu Narben werden. Hier müssen Folgenutzungen her. Das muss nicht immer das neue Gewerbegebiet, das kann auch eine temporäre Folgenutzung sein, zum Beispiel in Form von extensiver Landschaftsnutzung, die auch Freiräume für die Bevölkerung wieder zugänglich macht.

Darüber hinaus müssen wir junge Familien in der Stadt halten. Viele ziehen in die ländlichen Bereiche, schließlich ist die Eigentumsbildung in Städten häufig teurer als auf dem Land. Daher muss man Hilfestellungen leisten.

Was halten sie von der vieldiskutierten Abschaffung der Eigenheimzulage?

OW: Die Eigenheimzulage soll abgeschafft werden, weil man insgesamt Subventionen abbauen will. Vor dem Hintergrund halte ich das für vernünftig. Ich habe den Eindruck, dass die Eigenheimzulage in der Vergangenheit von Mitnahmeeffekten geprägt war.

Ist die Eigenheimzulage auch ein Regulativ?

OW: Wenn eine junge Familie die eigenen vier Wände erwerben will, macht sie das in einer Lebensphase, in der sie finanziell die höchsten Belastungen tragen muss und das niedrigste Einkommen hat. Daher müssen wir dafür sorgen, dass die finanzielle Belastung zu Beginn gering ist, in dem die Tilgung die ersten zehn Jahre ausgesetzt wird. Das machen die Banken natürlich nicht mit, weil sie dadurch ein höheres Risiko haben. Durch die Wohnungsbauförderung und in dem wir Bürgschaften vergeben, können wir solche Risiken jedoch absichern. Das ist eine intelligente Eigentumsförderung, die auch nicht Mitnahmeeffekte produziert, sondern denen hilft, die in einer schwierigen finanziellen Lage sind.

Die Stadt Köln ficht zur Zeit mit der UNESCO einen Streit um die Sichtachsen des Kölner Doms aus. Wie ist ihre Haltung zum Hochhausbau in Köln?

OW: Hochhäuser in Köln hat es schon vor der Eintragung des Doms in die Liste des Weltkulturerbes gegeben. Der Dom ist von seiner Bedeutung her, von seiner Baulichkeit her, von seiner Nutzung her und unabhängig von seinem Umfeld Weltkulturerbe. Man muss einen Kompromiss finden zwischen den berechtigten Interessen der Entwicklung einer Stadt und den Interessen des Umfeldschutzes um ein so wichtiges Baudenkmal. Ich begrüße es ausdrücklich, dass die Stadt Köln angekündigt hat, ihre Hochhausplanung zu überdenken und auch zu revidieren. Ich hoffe, dass das, was angekündigt worden ist, nun auch in politische Beschlüsse umgesetzt werden kann, denn danach wird die UNESCO sicherlich den Dom von der roten Liste streichen.

Bei solchen Diskussionen geht es meistens um die Höhe von Gebäuden, selten fällt das Wort Qualität. Gibt es von ihrer Seite Ideen, wie man die Qualität von Architektur stärker fördern kann?

OW: Das liegt in der Hand der Kommunen und muss jede Stadt selbst entscheiden. Als Bauminister sollte ich mich nicht in die kommunalen Angelegenheiten einmischen. Ich sage nur, da wo das Land baut, da müssen gewisse Qualitätsstandards eingehalten werden.

Wie wollen sie die Qualität von Landesbauten sichern. Über Wettbewerbe?

OW: Es müssen nicht immer Wettbewerbe sein. Ich habe großes Zutrauen in freie Architekten, aber auch in unsere Bau- und Liegenschaftsbetriebe.

Es gibt auf Landes- und Bundesebene Initiativen, die Architektur und Städtebau fördern. Gibt es Planungen, Projekte wie die Initiative StadtBauKultur NRW weiterlaufen zu lassen?

OW: Wir werden die StadtBauKultur weiter fortführen. Mich freut besonders das private Engagement, das es da gibt. Von Architekten, von Stadtplanern, von den verschiedensten Verbänden. Ich glaube, dass ist auch in deren Interesse, durch eine Bündelung der Arbeit in diesem Bereich Qualitäten zu sichern und auch neue Ideen umzusetzen.

Auch im Rahmen der IBA- Emscherpark wurden viele Projekte angestoßen.

OW: Die IBA war Klasse. Das, was Karl Ganser im Rahmen der Internationalen Bauausstellung vor allem geschafft hat, war, der Region ein neues Selbstbewusstsein zu geben. Ich hätte mir allerdings auch gewünscht, dass er sich damals Gedanken über die Folgekosten gemacht hätte. Viele Kommunen haben heute unter den Folgefinanzierungen der IBA-Projekte zu leiden. Wir werden künftig nur noch kommunale Projekte fördern, bei denen die Folgefinanzierung sichergestellt ist.

Die Angst vor dem Verlust alter Gebäude scheint ungebrochen. Ein Beispiel ist der Wiederaufbau des Stadtschlosses in Berlin. Woran liegt es, das Politik und Gesellschaft so wenig Vertrauen in zeitgenössische Architektur setzen?

OW: Von solchen Rekonstruktionen halte ich überhaupt nichts. Wenn ich in Berlin zu entscheiden hätte, würde ich das Stadtschloss nicht wieder aufbauen. Wir haben zunächst eine Verpflichtung, das, was an alter Bausubstanz noch erhalten ist, dauerhaft abzusichern. Das wird auch ein Schwerpunkt meines Hauses sein: Wir werden wenig bis keine neuen Großprojekte angehen können, aber wir werden das, was wir begonnen haben, zu Ende führen und wir werden da, wo Bausubstanz da ist, für die Absicherung sorgen.

Wie wohnen Sie selbst?

OW: Ich wohne in einem Vorkriegsbau, den meine Großeltern selbst gebaut haben, den meine Eltern, später meine Frau und ich um- und angebaut haben. Natürlich haben wir mit einem Architekten zusammengearbeitet, allerdings sind auch meine eigenen Ideen eingeflossen.

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Oliver Wittke

Foto: Annika Wind